Salzig-fleischiger Geruch liegt in der trockenen Luft der gekachelten Produktionsräume. Die Mitarbeiterinnen schneiden das Schweinefleisch Scheibe für Scheibe sorgfältig zurecht, wiegen es ab, packen es ein und etikettieren es. Für eine Fleischerei ist dieser Ablauf erst einmal nichts Besonderes. Doch morgen wird es in der Biofleischerei Bakenhus in Großenkneten ganz anders aussehen.
Denn wo die Mitarbeiter eben noch Rind, Schwein und Lamm verarbeitet haben, stellen sie am nächsten Tag ausschließlich vegane Produkte her. Salzig-fleischig weicht dann den intensiven Gerüchen exotischer Kräuter wie Kreuzkümmel, Curry und Koriander. Und statt mit geschlachtetem Tier macht der Fleischwolf dann Bekanntschaft mit Kichererbsenmehl, Soja, Hafergrütze, Karotten, Palmfett und anderen pflanzlichen Zutaten.
Bekennender Flexitarier
Aber ist das nicht paradox, ein Fleischer, der rein Pflanzliches produziert? Laut Geschäftsführer und Fleischermeister Rainer Breuer ist das genaue Gegenteil der Fall. „Es ist nur logisch, dass ein Metzger gute vegane Produkte herstellt – kaum einer kennt sich besser mit Gewürzen aus“, sagt er über seine Zunft. Dennoch sei es alles andere als leicht, ein gutes veganes Produkt herzustellen. Zuerst müsse man sich mit den Rohstoffen auseinandersetzen: Wann ist es zum Beispiel sinnvoll, auf Basis von Kichererbsen zu arbeiten und wann bietet sich Sojamehl an?
„Wir puzzeln dann so lange herum, bis es schmeckt und die Konsistenz stimmt“, sagt der Fachmann und erklärt, dass alle im Unternehmen am Entstehungsprozess beteiligt seien: „Als ich damit angefangen habe, dachten meine Mitarbeiter, ich spinne. Aber ich konnte sie alle von der Idee begeistern und mitziehen.“ Sich selbst sieht er als Flexitarier, jemanden, der sich weitestgehend pflanzlich ernährt, sich aber auch zu Ausnahmen bekennt.
Zuerst schuf er die vegane Pinkelwurst. Lesen Sie weiter auf Seite 2.
Das Ziel ist Nachhaltigkeit
Zu finden ist der Betrieb auf dem Biohof Bakenhus in Großenkneten. Der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband hat dieses Areal 1995 aufgekauft, um zu untersuchen, wie sich Biolandwirtschaft auf den Grundwasserschutz auswirkt. Gesucht wurde noch ein Fachmann, um die Tiere zu verarbeiten. So ist Breuer im Jahr 2001 als Fleischermeister und Geschäftsführer nach Großenkneten in den Betrieb gekommen. „Heute wissen wir, dass Wasserschutz und Biolandwirtschaft gut zusammenpassen“, resümiert der Fleischermeister die Arbeit der letzten Jahre. Das ist nicht selbstverständlich, denn die konventionelle Fleischproduktion benötige enorme Ressourcen und stelle eine starke Belastung für das Klima und die Umwelt dar, erklärt er.
Wandelnde Kundenwünsche
Untersuchungen wie die WWF-Studie „Fleisch frisst Land“ von 2011 zeigen, inwiefern die Herstellung pflanzlicher Produkte effektiver und umweltschonender als die Fleischproduktion ist. So gesehen passen die veganen Produkte in das Konzept eines nachhaltigen und umweltschützenden Biobetriebes und berücksichtigen außerdem aktuelle Kundenwünsche. Für die Entwicklung des ersten veganen Produktes brauchte Breuer rund drei Monate. Das Ergebnis war eine Pinkelwurst, die Ende 2012 auf den Markt kam und sich ihm zufolge als Verkaufsschlager entpuppt hat. Immerhin habe er im vergangenen Jahr mehr vegane als fleischhaltige Pinkel verkauft.
Neue Produkte sind schon in Vorbereitung. Lesen Sie weiter auf Seite 3.
„Meine Motivation ist, den Leuten etwas Gutes zu tun“
Breuer zeigt sich solidarisch gegenüber den Leuten, die dem Genuss von tierischen Produkten entsagen. „Die Menschen haben immer mehr Lebensmittelunverträglichkeiten. Wir müssen lernen, uns gesünder zu ernähren und vielleicht sollten wir auch weniger Fleisch essen“, sagt er. Vielen fehle das Verständnis, wo das Essen herkommt. „Ich vermisse, dass sich die Menschen mit den Lebensmitteln auseinandersetzen“, kritisiert Breuer.
Deshalb verzichtet das Unternehmen bei der Entwicklung der veganen Produkte komplett auf Allergene wie Gluten und Hefe. „Meine Motivation ist, den Leuten etwas Gutes zu tun“, erklärt er seine Intention. Momentan arbeitet er an zwei neuen Gerichten, der „Asiapfanne“ und an einem Grünkohlprodukt für den Winter. Dabei lässt er sich auch gerne von seinen Kunden inspirieren: „Produkte mit Geschichte finde ich immer klasse. Besonders, wenn ich die Geschichte dazu schreiben darf.“
(mw)
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