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Bauträger

Vertrauensvoll, seriös, im Knast

Der Bauträger-Chef: beschäftigt die Justiz 15 Jahre lang mit „durchsichtigen Strohmannkonstellationen“. Die Betriebe: fliegen wie die Motten ins Licht. Was geht da schief?

„Ehemaliger Firmenchef wird wegen Millionen-Betrug gesucht.“ Diese Schlagzeile ging im vergangenen Herbst durch die Medien. Nach einem gewissen Michael U. wurde mit internationalem Haftbefehl gefahndet, der Hauptverantwortliche der Bauträgerfirma Konturbau aus Ravensburg-Oberzell habe sich „vermutlich in den ostasiatischen Raum abgesetzt“.

Die Flucht hat für Michael U. ein Ende, er sitzt in Haft. Den Handwerksfirmen, die seit gefühlten Ewigkeiten auf ihr Geld warten, nutzt das wenig. Die Schadenssumme für die Betriebe wird zwischen einer und zwei Millionen Euro beziffert, berichtet die Schwäbische Zeitung (SZ).

Und die Betriebe haben nicht nur reichlich Geld verloren – lesen Sie Seite 2.

Teilweise Vorauszahlungen! Keine Zweifel?

Was ebenfalls auf der Strecke geblieben ist: das Image des Bauhandwerks. Dachdeckermeister K. verlor allein 50.000 Euro, weil Konturbau seine Leistungen bestellt, aber nicht bezahlte hatte. Seitdem sei er „vielfach“ gefragt worden, wer von den Handwerkern denn jetzt im Knast sitze, sagt er in der SZ. Und der Geschäftsführer der Kreishandwerker Ravensburg, Franz Moosherr, ergänzt: „Die Leute werfen Bauträger und Bauunternehmer häufig in einen Topf.“

Nach Moosherrs Definition ist ein Bauträger „kein Handwerksbetrieb, sondern ein Unternehmen, das Wohn- und Gewerbeimmobilien gewerbsmäßig erstellt und vertreibt“. Und nicht unbedingt die Subunternehmer bezahlt, ließe sich hinzufügen. Allein Konturbau soll rund 50 Handwerksfirmen geschädigt haben.

Ein Rechtsanwalt sagt in der SZ, dass Michael U. ihn bereits seit 15 Jahren "begleite". Der Mann war offenbar Fachmann im Entwerfen „durchsichtiger Strohmann-Konstellationen“. Obwohl er bereits in der Vergangenheit zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden war, konnte er als Chef verschiedener Bauträgerfirmen in der Region Bodensee-Oberschwaben-Allgäu die Betriebe über den Tisch ziehen.

Dass ein seriöses Auftreten kein Indiz für ein seriöses Unternehmen ist, weiß Dachdeckermeister K. Denn: Michael U. habe auf ihn „sehr vertrauenserweckend“ gewirkt. Die SZ schreibt dazu einen bemerkenswerten Satz „Da die Bauvorhaben qualitativ hochwertig gewesen seien und der Bauträger teilweise Vorauszahlungen geleistet habe, seien keine Zweifel laut geworden.“ Teilweise Vorauszahlungen? Keine Zweifel?

Falls auch Sie Ihr Geld gerne verbrennen, hier noch einmal die besten Tipps:

Vorkasse und Abschlagszahlungen: blanker Unsinn!

Kunden, die Rechnungen schieben, sind toll. Liefern Sie ruhig Material, strecken Sie das Geld vor, die paar Tausend Euro machen den Kohl nicht fett.

Und überhaupt: Arbeiten Sie auch dann weiter, wenn Abschlagszahlungen ausbleiben. Sie haben recht. Der Auftraggeber jagt sie bestimmt von der Baustelle, wenn Sie auf Ihr Recht pochen. Das war schon immer so, kleine Handwerker können der großen Welt nicht zumuten, dass sie wirtschaftlich und vorsichtig handeln. Seien Sie risikobereit.

Es soll ja Kollegen geben, die ihren Kunden drei Prozent Skonto anbieten, wenn innerhalb von fünf Tagen das Geld überwiesen wird. Aber solche Aktionen bringen gar nichts. Und überhaupt: Weiterarbeiten, weil die Mitarbeiter sonst nichts zu tun haben, ist ein richtig guter Grund. So sichern Sie die Zukunft Ihrer Leute. Ganz bestimmt.

Zweiter Ratschlag: Mündliche Absprachen sollten Sie auf keinen Fall schriftlich fixieren.

Mündliche Absprachen: Bloß nicht schriftlich fixieren!

Sie haben vor Gericht unglaublich gute Karten, wenn Sie sagen können, dass Ihr Kunde mitten im Auftrag zusätzliche Arbeiten ins Spiel gebracht hat. Also mündlich. "Das Treppenhaus können Sie doch auch noch machen, da werden wir uns schon einig." Solche Sätze sind kein Warnsignal. Geschäftsführer von Bauträgerfirmen sind per se grundehrliche Menschen. Immer.

Und außerdem mag Ihr Rechtsanwalt es unheimlich gerne, wenn von den 50 Positionen Ihrer Schlussrechnung lediglich 20 im Auftrag wiederzufinden sind. Was soll’s, so ein Anwalt kostet ja auch nicht die Welt. Wenn Sie sowieso schon für 40.000 Euro Arbeiten erledigt haben, die nie schriftlich fixiert wurden, fällt das bisschen Geld auch nicht ins Gewicht.

Dritter Ratschlag: Trauen Sie grundsätzlich unbekannten Auftraggebern.

Anfragen aus Monte Gockelo: sofort zusagen!

Gut, Sie haben zwar einen Drei-Mann-Betrieb auf dem platten Land. Und eigentlich kennt Sie kaum jemand. Und sonderlich lange sind Sie noch nicht im Geschäft. Aber Sie sind ein toller Handwerker, besser als alle anderen. Und wenn Sie ein Bauträger oder ein Generalunternehmer aus einer Stadt anruft, die 100-mal größer als Ihr Dorf ist und 200 Kilometer entfernt: Das muss Sie nicht wundern. Der Mann hat ganz bestimmt schon von Ihnen gehört. Zufällig.

Und dass er Ihre Arbeit über den grünen Klee lobt und ausgerechnet mit Ihnen irre Aufträge abwickeln will, ist ein ganz tolle Bestätigung für die Qualität Ihrer Arbeit. Also: Stellen Sie auf keinen Fall Erkundigungen an. Das wird schon. Der Anrufer ist so toll und verbindlich und zuverlässig, wie er am Telefon klingt.

Vierter Ratschlag: Was Kollegen mit Bauträgern erlebt haben, muss Sie nicht interessieren.

Konkrete Warnungen: auf keinen Fall darauf hören!

Wenn man Sie vorher gewarnt hat: Sagen Sie trotzdem zu, das wird schon schiefgehen. Bauträger und Generalunternehmer sind ja dafür bekannt, dass ihr Zahlungsverhalten im Laufe der Jahre immer besser wird. Sie sollten auf keinen Fall darauf hören, wenn Ihnen Kollegen auf der Baustelle erzählen, dass sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Was geht das Sie an? Sie werden das Kind schon schaukeln.

Und ist der Bauträger-Chef zu Ihnen nicht immer wahnsinnig höflich? Wahrscheinlich hat er Ihnen schon das „Du“ angeboten. Stimmt’s?! So ein netter Mensch. So seriös. Und mit so einer großen Rechtsabteilung. Für den sollten Sie unbedingt arbeiten – wenn Sie Ihr Geld verlieren wollen.

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(sfk)

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