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Schwarzbuch 2015: Steuerverschwendung

Völlig irre, was da abgeht!

Müssen Gullydeckel nachts leuchten? Und wofür braucht eine Gemeinde 200.000 Regenwürmer? Hier unsere Top 5 der Steuerverschwendung.

Irre Geschichten über zweckfreie Zweckbauten, millionenschwere Fehlkalkulationen und peinliche Pannen – alljährlich legt der Bund der Steuerzahler in seinem „Schwarzbuch“ die krassesten Beispiele für die Verschwendung von Steuergeldern offen. Hier sind die fünf Favoriten der handwerk.com-Redaktion:

1. Platz: Da war so richtig der Wurm drin
Viel Kummer um ein Sportstadion in Bergen auf Rügen: Auf dem frisch sanierten Fußballplatz versickerte das Wasser nicht richtig. Deswegen kam man auf die Idee mit der „Wurmkur“: Regenwürmer sollten den allzu festen Untergrund lockern, damit das Wasser abfließen konnte. Zu diesem Zwecke bestellte die Stadt bei einer niederländischen Spezialfirma 200.000 eigens gezüchtete Würmer mit dem Namen „Dutch Nightcrawler“ – zum Kaufpreis von rund 7000 Euro.

Doch leider schlug die Wurmkur nicht an. Und auch die Versuche, die ausführende Baufirma haftbar zu machen, schlugen fehl. Deshalb gab die Stadt Bergen ein 9500 Euro teures Gutachten für die erneute Sanierung des Spielfeldes in Auftrag und ließ daraufhin 2014 die Drainage erneuern und den Rasen neu einsäen. Anfang 2015 stellte sich jedoch heraus, dass das Heer der Spezial-Regenwürmer selbst zum Problem geworden ist: Ihre Ausscheidungen sind schlecht für die Rasenoberfläche, außerdem  können sie die neue Drainage verstopfen. Deshalb wurde beschlossen, die Würmer durch ein biologisches Mittel an die Oberfläche zu treiben. Ehrenamtliche Helfer sollen sie dann einsammeln und an anderer Stelle wieder aussetzen.

Kosten der Wurmvertreibung für die Steuerzahler: rund 19.500 Euro

2. Platz: Gullydeckel leuchten im Kreisverkehr
Die Kommunalpolitiker in Wallenhorst (Landkreis Osnabrück) wollten ihren neuen Verkehrskreisel am Ortseingang wirkungsvoll in Szene setzen. Der Gemeinderat beschloss deshalb einstimmig, fünf Gullydeckel inmitten des Kreisels mit bunten LED-Lichtern aufzupeppen. Die geringe Strahlkraft des Lichtes sorgte jedoch für Ernüchterung und der Name „Glühwürmchen-Kreisel“ war geboren. Laut Verwaltung durfte von der Installation keine Störwirkung für die Verkehrsteilnehmer ausgehen – daher die schwache Leuchtkraft. Aufmerksamkeit erregten vor allem die hohen Ausgaben für das kuriose Kunstobjekt.

Kosten für die Steuerzahler: rund 10.000 Euro (Lichttechnik und Leuchtmittel)

Seite 2: Eine Friedhofs-App für eine halbe Million - warum das?

3. Friedhofs-App für eine halbe Million

Ein Beispiel auf Bundesebene: Das Haus der Kulturstaatsministerin förderte eine Friedhofs-App mit dem vielsagenden Namen „Wo sie ruhen“, die seit Ende 2014 auf dem Markt ist. Mittels Smartphone können sich die Nutzer über 1000 Gräber berühmter Persönlichkeiten anschauen, und zwar auf Friedhöfen in ganz Deutschland. Wer sich die kostenlose App herunterlädt, wird direkt auf die gleichnamige Internetseite weitergeleitet. Die Macher handelten sich damit massive Kritik ein: Wer braucht eine App, die einfach nur zu einer Internetseite führt? Und wer braucht eine solche Internetseite, wenn im Netz bereits zahlreiche Informationen über Grabstätten zu finden sind? Hinzu kommt: Die neue App bekam im App-Store viele schlechte Bewertungen: „nicht funktionell“, „langsam“, „wenig Inhalt“, hieß es dort unter anderem.

Kosten für die Steuerzahler: rund 548.000 Euro

4. Aufgemalte Feuerwehrschläuche
Ende 2014 bekamen die Feuerwehrleute im Berliner Bezirk Pankow eine neue Feuerwache. Aber zufrieden sind sie damit nicht: Zu wenige Stellplätze für die Fahrzeuge. Und ein leerer Lagerraum im Keller. Leider gibt es nämlich keine Fahrstuhl, um die schweren Schlauchrollen nach unten zu befördern. Das sind nur einige der Vorwürfe. Der Bund der Steuerzahler erkundigte sich beim Senat unter anderem nach den Baukosten für die Feuerwache, und ob es tatsächlich zutreffe, dass Einsatzkleidung, Schläuche und Verbrauchsmaterialien in einem Hochseecontainer auf dem Gelände hinter der Feuerwache gelagert würden.

Nach immerhin zwei Monaten kam die Antwort zu den Baukosten: Für die Fahrzeughalle und das Dienstgebäude lägen sie voraussichtlich bei insgesamt 5,67 Mio. Euro. Die Kosten für die Kunst am Bau beliefen sich auf 32.312,96. Gemeint ist ein gemaltes Gewirr von Feuerwehrschläuchen, das die eine Seite des Gebäudes ziert. Fraglich ist laut Steuerzahlerbund, ob das heitere Gelb der aufgemalten Schläuche den Hinterbliebenen Trost spendet, falls es der Rettungswagen aufgrund mangelnder Ressourcen doch mal nicht ganz rechtzeitig geschafft hat.

Kosten für die Steuerzahler: rund 32.000 Euro (Kunst am Bau)

Ein Mühlenrestaurator wird verklagt und die Klage auf Steuerkosten abgeschmettert. Mehr dazu auf Seite 3.

5. Viel Wind um eine sanierte Windmühle

Im Fall der Bockwindmühle in Rethem an der Aller waren ein Restaurator und ein Mühlenbautechniker nicht nur als Steuerzahler, sondern auch unmittelbar als Unternehmer betroffen: Die Stadt Rethem beauftragte sie damit, für die Standsicherheit des Wahrzeichens zu sorgen. Die Leistungen wurden ohne Beanstandungen abgenommen und bezahlt, bei der Abnahme war ein Vertreter der Unteren Denkmalbehörde zugegen.

Trotzdem verlangte die Stadt später von dem Restaurator das Geld zurück, weil die Sanierungsarbeiten angeblich nutzlos waren. Von dem Mühlenbautechniker verlangte sie Schadenersatz wegen mangelhafter Beratung. Die Zuständigen hatten nämlich einen Mühlensachverständigen aus Schleswig-Holstein eingeschaltet, der die eingebaute Konstruktion als „wirkungslos“ bezeichnete. Auf dessen zweiseitiges „Gutachten“ stützte die Stadt ihre Klage, obwohl der Experte kein öffentlich bestellter und vereidigter Bausachverständiger war. Das Gericht zog prompt einen weiteren Sachverständigen hinzu und schmetterte die Klage im Juni 2014 ab.

Kosten für die Steuerzahler: 12.264,42 Euro (Prozess-, Anwalts- und Gutachtergebühren).

(afu)

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