Es ist immer wieder toll, wenn öffentlich Bedienstete, z. B. beamtete
Hochschullehrer, oder Politiker nach mehr Existenzgründern rufen. Der
Existenzgründer als Retter unserer Volkswirtschaft (1 Gründer = 4
Arbeitsplätze, 1 Million Gründer = Vollbeschäftigung!?)
Im gleichen Zusammenhang wird dann auch noch die Selbstständigenquote in
Deutschland oder im jeweiligen Bundesland herangezogen. Sie ist ja angeblich
zu niedrig (im OECD- oder EU-Vergleich).
Schauen wir doch bitte mal hinter die Kulissen, besonders hoch ist die
Selbstständigenquote in den "armen" Ländern, in der EU also in Portugal,
Griechenland und Spanien. Dies sind aber auch die Länder mit der höchsten
Arbeitslosenquote. Es besteht also tatsächlich ein Zusammenhang zwischen
Selbstständigenquote und Arbeitslosenquote, nur anders als immer behauptet
wird.
Die höhere Gründungsbereitschaft in anderen Ländern ist gleichfalls ein
Phantom. Insbesondere in den USA soll ja Gründungswilligkeit drei mal so
hoch sein wie bei uns. Die Selbstständigenquote in den USA ist jedoch sogar
niedriger als in Deutschland. Dies bedeutet doch nichts anderes, daß die
Gründungswilligen in Amerika entweder doch nicht in dem Maße gründen oder
häufiger scheitern.
Risikobewußtsein ist eine erstrangige unternehmerische Eigenschaft, die
Friedhöfe und die Schuldnerlisten sind voll mit "Mutigen".
Es stellt sich die Frage, ob Gründungen im Handwerk überhaupt Arbeitsplatze
schaffen, einzelbetrieblich sicherlich, insgesamt wohl aber nicht. Die
Beschäftigtenzahl im Handwerk ist jedenfalls rückläufig. Hauptursache ist m.
E. die fehlende Nachfrage. Existenzgründungsförderung führt aber bei einer
solchen Marktkonstellation sofort zu Wettbewerbsverzerrungen. Inzwischen
gibt es im Handwerk Stimmen, die eine "Stilllegungsprämie" fordern, auf der
anderen Seite wird, trotz zahlreich vorhandener Programme, nach "weiteren
Hilfen für Gründer" gerufen.
Um Missverständnissen vorzubeugen, Existenzgründungen sind richtig und
wichtig. Allerdings müssen Fehlentwicklungen abgestellt und die Diskussion
versachlicht werden.
Wolfgang Miethke
Handwerkskammer Hildesheim