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Hacker greift ungefragt auf fremde E-Mails zu.

Inhaltsverzeichnis

Fehlende SSL-Verschlüsselung

Vorsicht, dieser Verein mahnt DSGVO-Verstöße ab!

Wegen fehlender SSL-Zertifikate mahnt ein Verein aktuell Unternehmer ab. Ein Experte warnt: Die Unterlassungserklärung besser nicht unterschreiben!

Auf einen Blick:

  • Die IGD Interessengemeinschaft Datenschutz e.V. verschickt derzeit Abmahnungen an Webseitenbetreiber, berichten mehrere Rechtsanwaltskanzleien. Wegen fehlender SSL-Verschlüsselungen fordert sie darin rund 280 Euro sowie die Unterschrift unter eine Unterlassungserklärung.
  • Der Verein sieht sich auf Grundlage von Artikel 80 DSGVO dazu berechtigt, Datenschutzrechtsverstöße abzumahnen.
  • Rechtsanwalt Andreas Kempcke rät Betroffenen davon ab, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben und sich stattdessen von einem Experten beraten zu lassen. Die richtige Reaktion auf eine Abmahnung hänge vom Einzelfall ab.

Der Verein nennt sich IGD Interessengemeinschaft Datenschutz e.V. und mahnt Gewerbetreibende derzeit wegen angeblicher Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ab. Das berichten mehrere Rechtsanwaltskanzleien unabhängig voneinander. Laut e-Recht24 wird den Unternehmern vorgeworfen, auf der Website ein Kontaktformular ohne SSL-Verschlüsselung zu betreiben.

Völliges Neuland bei DSGVO-Abmahnungen

„Uns liegen derzeit mehrere solcher Abmahnungen vor“, bestätigt Andreas Kempcke von der Kanzlei Rechtsanwälte Richard & Kempcke das Vorgehen des Vereins. Der Fachanwalt für IT-Recht sieht in den DSGVO-Abmahnungen allerdings keinen Standardversuch, sondern etwas völlig Neues.

Es können nur diejenigen eine Abmahnung aussprechen, die dazu auch eine Berechtigung haben“, erläutert der Jurist. Diesen Anspruch leitet der Verein laut seiner Website aus Artikel 80 DSGVO ab. Die IGD sei ein „Verband ohne Gewinnerzielungsabsicht“ und als solcher sei er gemäß Artikel 80 DSGVO berechtigt, Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung „auch außergerichtlich zu verfolgen“.

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Darf der Verein Webseitenbetreiber überhaupt abmahnen?

Die Abmahnungen der IGD Interessengemeinschaft Datenschutz e.V. werfen nach Einschätzung von IT-Fachanwalt Andreas Kempcke vor allem drei Fragen auf:

  1. Kann der Verein auf der Grundlage von Art. 80 DSGVO überhaupt Abmahnungen aussprechen? „Das ist eine spannende Frage“, meint der Rechtsanwalt. Eine Antwort darauf gebe es bisher leider nicht. Denn Gerichte haben sich damit noch nicht auseinandergesetzt. Die bisher vorliegenden Urteile zu DSGVO-Abmahnungen beschäftigen sich lediglich mit der Frage, ob DSGVO-Verstöße wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden können.

  2. Liegt tatsächlich ein Datenschutzverstoß vor? Kempcke geht davon aus, dass das bei den meisten Abmahnungen der Fall ist. Denn wer ein unverschlüsseltes Kontaktformular auf seiner Website betreibe, verstößt damit gegen die Vorgaben der DSGVO.

  3. Haben die Abmahnungen rechtsmissbräuchlichen Charakter? „Wer eine wirksame Abmahnung aussprechen will, darf dies nicht aus sachfremden Gründen tun“, erläutert Rechtsanwalt Kempcke. Wenn aufgrund der Gesamtumstände zu vermuten ist, dass Abmahnungen vorrangig ausgesprochen werden, um Geld einzunehmen, sei das ein Indiz für rechtsmissbräuchliches Verhalten.

Worum geht es der IGD Interessengemeinschaft Datenschutz?

Von den Mandanten der Rostocker Kanzlei fordert der Verein, dass sie eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Zudem sollen sie 285,60 Euro zahlen. Das klingt zunächst nicht viel. „Wenn massenhaft Abmahnungen ausgesprochen werden, lässt sich mit dieser Summe durchaus ordentlich Geld verdienen“, sagt Rechtsanwalt Andreas Kempcke. Sollte es dem Verein darum gehen, wäre das nach Kempckes Einschätzung Rechtsmissbrauch.

Die IGD Interessengemeinschaft Datenschutz e.V. teilt auf ihrer Website allerdings mit, dass es ihr nicht um Gewinnerzielung geht. Der Verein nimmt auch Stellung zu seinen Motiven: „Eine (…) SSL-Verschlüsselung reicht aus, um das abfischen von Daten drastisch zu erschweren. Der Gesetzgeber fordert das, das BSI fordert die Implementierung von Verschlüsselung nach dem Stand der Technik – und trotzdem nutzen noch viele Unternehmen diese, mittlerweile kostenlos einzusetzende Technik nicht.“ Dafür setze sich der Verein ein. Deshalb hat er nach eigenen Angaben bislang 450 Abmahnungen verschickt (Stand 21. März 2019).

Was ist eine Unterlassungserklärung?

Setzen Unternehmer – wie im aktuellen Fall von der IGD Interessengemeinschaft Datenschutz gefordert – ihre Unterschrift unter eine Unterlassungserklärung, versprechen sie, das vom Abmahner beanstandete Verhalten zu unterlassen. „Sie gehen damit ein Dauerschuldverhältnis ein“, sagt IT-Fachanwalt Andreas Kempcke. Beheben abgemahnte Betriebe den Missstand nicht – in diesem Fall das unverschlüsselte Kontaktformular auf der Website – kann eine Vertragsstrafe fällig werden. Der Rechtsanwalt weist darauf hin, dass eine Vertragsstrafe auch mehrfach gelten gemacht werden kann – vorausgesetzt, das Kontaktformular bleibt weiterhin unverschlüsselt. Eine Unterlassungserklärung kann Unternehmer daher teuer zu stehen kommen.

Abmahnung erhalten: Was sollten Unternehmer tun?

Doch es gibt Alternativen: Anstatt eine Unterlassungserklärung abzugeben, können sich abgemahnte Betriebe Andreas Kempcke zufolge auch außergerichtlich einigen. Er weist zudem darauf hin, dass es keine Verpflichtung gibt, auf eine Abmahnung zu reagieren. Wer das Abmahnschreiben deshalb einfach in den Papierkorb befördert, handelt aber nicht ohne Risiko: „Der Gegner kann seine Ansprüche vor Gericht geltend machen“, so der Jurist. Daher müssten sich Unternehmer überlegen, wie hoch das Prozesskostenrisiko ist und ob sie es in Kauf nehmen wollen.

Doch was ist nun die beste Reaktion auf die Abmahnungen des Vereins? Andreas Kempcke rät ausdrücklich davon ab, die mit dem Abmahnschreiben übersandte vorformulierte Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Die sei nach seiner Auffassung zu einseitig zugunsten des abmahnenden Vereins gestaltet. Sein Tipp: Wer eine Abmahnung erhält, sollte sich von einem Experten beraten lassen. Denn die „richtige“ Reaktion auf eine Abmahnung hänge in aller Regel von der Situation des Abgemahnten und seinen Interessen ab. „Eine gute Beratung muss dies berücksichtigen", so der Rechtsanwalt.

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