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Die Wahrheit über Bankgeheimnis, Reichensteuer und Steuerberater

Vorsicht: Noch mehr teure Steuermärchen!

Das Bankgeheimnis gilt auch für den Fiskus? Steuerberater lassen sich nach der Höhe der Steuerersparnis bezahlen? Reiche zahlen zu wenig Steuern? Von wegen! Die Wahrheit über solche Steuermärchen lesen Sie hier.

Vergangene Woche haben wir über fünf Steuermärchen berichtet, die richtig teuer werden, wenn Sie daran glauben.

Damit nicht genug: Andere Steuermärchen können ebenfalls Geld kosten, Neid schüren und zu falschen Entscheidungen führen. Darum räumt Dirk Witte, Steuerberater aus Oldenburg, mit diesen Steuermärchen auf: im Teil 2 der größten Steuermärchen!

Märchen Nr. 6: "Das Bankgeheimnis schützt uns vor dem Finanzamt!"
Das Bankgeheimnis ist ein hoch geschätztes Gut in unserem Land. Darauf verlassen sollten Sie sich allerdings nicht, wenn Sie vor dem Finanzamt etwas zu verheimlichen haben.

Richtig ist: Für den Staatsanwalt gibt es kein Bankgeheimnis!
"Das Bankgeheimnis besteht für das Finanzamt nur auf dem Papier", sagt Witte. Liegt ein begründeter Verdacht vor, dann kann das Finanzamt mithilfe der Staatsanwaltschaft sämtliche Bankkonten einsehen. "Die Bank kann sich nicht dagegen wehren. Wenn ein konkreter Verdacht besteht und Verdunklungsgefahr, dann haben die Fahnder innerhalb von 24 Stunden den Zugriff auf die Konten."

Nächste Seite: Das Märchen von den milden Strafen bei Steuerhinterziehung!

Märchen Nr. 7: "Steuerhinterziehung ist ein Kavaliersdelikt!"

Hier ist wohl die Hoffnung die Mutter des Steuermärchens: Viele Steuerzahler glauben, dass Steuerhinterziehung keine große Sache ist. Sie fliege selten auf – und wenn, dann habe sie kaum Folgen.

"Die Menschen denken oft, Steuerhinterziehung sei ein Kavaliersdelikt, das nicht so hart bestraft wird", berichtet Witte. Kein Wunder, meint der Steuerberater: Viele haben noch die Fälle wie Boris Becker und Otto Graf Lambsdorff im Kopf. Immer ging es um große Summen und immer blieb es bei Bewährungsstrafen. "Darum rechnet niemand mit einem echten persönlichen Schaden."

Richtig ist: Steuerhinterziehung ist ein teures Risiko!
Wenn viele Fälle von Steuerhinterziehung glimpflich ablaufen, dann habe das vor allem einen Grund, sagt Witte: "Staatsanwalt und Steuerfahndung sind ständig überlastet." Also würden sie die Kleinen laufen lassen – "unter Auflagen".

Doch diese Auflagen habe es in sich: Nachzahlung der Steuerschulden, Hinterziehungszinsen, Verfahrenskosten und Strafgeld. "Da kann schnell das Doppelte der ursprünglichen Steuerschuld zusammenkommen."

Und bei schwereren Fällen greifen die Gerichte heute härter durch als in den 80er- und 90er- Jahren: "Bei  mittleren und schweren Fällen wird immer Klage erhoben, da gibt es keine Verhandlungsbasis mehr."

Nächste Seite: Das Märchen vom Steuerberater, der nach Steuerersparnis bezahlt wird!

Märchen Nr. 8: "Steuerberater bekommt einen Prozentsatz der Steuerersparnis!"

Was ein Steuerberater eigentlich kosten darf, ist eine beliebte Frage. Fast ebenso beliebt ist die Antwort, dass sich das nach der Steuerersparnis richte.

Daran sei das US-Fernsehen schuld, meint Witte: In amerikanischen Serien gibt es keine Steuerberater, sondern auf Steuerrecht spezialisierte Anwälte. Deren Honorar ist nach anglikanischem Recht erfolgsabhängig. "Deswegen glauben viele, es wäre in Deutschland genauso."

Richtig ist: Die Vergütung ist viel komplizierter!
Tatsächlich richtet sich das Honorar des Steuerberaters nach der sogenannten Steuerberatergebühren-Verordnung. Die ist so komplex, dass wir sie hier nicht erklären können. Zum Glück haben wir das mal gemacht, und zwar hier.

Nächste Seite: Das Märchen von Deutschland als Hochbesteuerungsland!

Märchen Nr. 9: "Deutschland ist ein Hochbesteuerungsland!"

"Das glauben viele Menschen, weil sie viel zahlen müssen", vermutet Witte. Belegen lasse sich das im Vergleich aber nicht. Um die Lage richtig einzuschätzen, sei ein Blick in deutsche Grenzregionen ratsam, etwa in das Grenzgebiet zu den Niederlanden oder zu Dänemark: "Viele Niederländer und Dänen haben ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegt, direkt hinter die Grenze, weil sie bei uns deutlich weniger Steuern zahlen als in ihrem eigenen Land."

Ein direkter Vergleich der Steuersätze bringe hingegen wenig. Er zeige nie das ganze Bild: "Bei uns gibt es Steuerprogression, die meisten anderen haben das nicht. Bei uns lässt sich viel absetzen, in anderen Ländern wird das stärker reglementiert. Interessant ist doch das, was am Ende nach Steuern auf das Konto fließt. Und dabei schneiden die Deutschen sehr gut ab."

Einen guten Vergleich bieten eigentlich nur die Steuer- und die Abgabenquote: Sie zeigen, wie viel Steuern bzw. Abgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt in einem Land gezahlt werden. Diese Quoten sagen zwar nichts über den konkreten Einzelfall, doch sie wiederlegen ganz deutlich das Märchen vom "Hochsteuerland Deutschland", sagt Witte: "Bei beiden Quoten liegt Deutschland im Mittelfeld. Echte Hochbesteuerungsländer sind hingegen Dänemark, Schweden, Belgien und Italien."

Nächste Seite: Das Märchen von den Reichen, die zu wenig Steuern zahlen!

Märchen Nr. 10: "Die Reichen zahlen zu wenig Steuern"

Dieses Steuermärchen könnte dem Frust entsprungen sein, vielleicht auch der Moral – in keinem Fall aber der steuerlichen Wahrheit.

Richtig ist: Reiche zahlen mehr Steuern
"Die Reichen zahlen mehr Steuern als Durchschnitts- und Geringverdiener", betont Witte. Das liege am progressiven Steuersatz. Mit steigendem Einkommen steigt auch der Steuersatz von 14 bis auf 42 Prozent. Wer viel verdient, hat damit auch einen höheren Steuersatz, zahlt also relativ und absolut mehr Steuern. Da es keine Steuersparmodelle mehr gibt, kommt daran niemand vorbei.

Eine einfache Rechnung, meint Witte: "Auch wenn man die Unternehmen hinzunimmt: In Deutschland erwirtschaften 10 Prozent der Steuerzahler rund 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und werden faktisch mit den höchsten Steuersätzen besteuert. Dann zahlen diese Reichen natürlich absolut erheblich mehr als alle anderen."

Warum empfinden das dann viele Menschen ganz anders?
Das könnte daran liegen, dass die meisten Menschen Sozialabgaben und Steuern in einen Hut werfen, vermutet Witte. Rechnet man beides zusammen, dann könne es durchaus sein, dass Reiche einen relativ geringeren Teil ihres Einkommens für Abgaben und Steuern aufwenden als andere Einkommensgruppen. Doch dieser Vergleich wäre irreführend, warnt der Steuerberater:

  • Steuern muss jeder zahlen und sie sind nicht zweckgebunden. Der Staat finanziert daraus seine hoheitlichen Aufgaben wie Straßenbau, Bildung, Polizei usw.
  • Anders die Sozialbeiträge: Sie sind zweckgebunden und dienen im Wesentlichen der Alters- und Risikovorsorge. Hier gibt es also Zahlung und Leistung. Abgesehen von der Krankenversicherung muss sie aber nicht jeder zahlen: Viele Selbstständige und Unternehmer sind von der Renten- und Arbeitslosenversicherung ausgenommen. Wer in so einem Fall nicht freiwillig Beiträge zahlt, der hat auch keinen Anspruch auf Leistung.
  • Und: Tatsächlich sorgen diese sogenannten Reichen häufig auf andere Weise vor. Diese Ausgaben tauchen in den Statistiken über Steuer- und Abgabenlasten nicht auf – was fairerweise bei so einem Vergleich berücksichtigt werden müsste.

Und trotzdem werden die Reichen in diesem Land immer reicher.

Wenn die Reichen also nicht zu wenig Steuern zahlen und keine besonderen Steuerschlupflöcher haben – woran liegt das dann? "Reichtum schafft mehr Reichtum", sagt Witte. "Die Einnahmen aus dem Reichtum müssen die Reichen zwar auch versteuern. Doch das, was danach netto übrig bleibt, erhöht den Reichtum weiter."



Oder wie heißt es im Sprichwort? "Der Teufel scheißt nach Steuern immer auf den größten Haufen." Oder so ähnlich.



Weitere Infos zum Thema:

 


(jw)

 








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