Auch das interessiert die Rentenversicherung: Reicht der Verdienst als Subunternehmer überhaupt, um ein selbstständiges Unternehmen zu führen?
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Auch das interessiert die Rentenversicherung: Reicht der Verdienst als Subunternehmer überhaupt, um ein selbstständiges Unternehmen zu führen?

Inhaltsverzeichnis

Recht

Wann sind Subunternehmer scheinselbstständig?

Wer nur als Subunternehmer arbeitet und kein Unternehmerrisiko trägt, ist wahrscheinlich scheinselbstständig. Das kann teuer werden – für den Auftraggeber.

Auf einen Blick:

  • Wer einen Subunternehmer beauftragt, kann sich nicht auf einen Nachunternehmervertrag berufen, wenn der Vertrag die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern soll.
  • Das zeigt ein aktueller Fall: Obwohl die Subunternehmer angeblich andere Auftraggeber, Firmenwagen und eine Freistellungsbescheinigung haben, geht die Rentenversicherung von Scheinselbstständigkeit aus und fordert von der Baufirma als Auftraggeber 100.000 Euro an Sozialabgaben und Zuschlägen nach.
  • Zu Recht, sagt ein Gericht: Bauarbeiter sind scheinselbstständig, wenn sie nur ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und kein Unternehmerrisiko tragen.

Der Fall: Baufirma soll 100.000 Euro nachzahlen

Eine hessische Baufirma bietet Leistungen für Trockenbau und Bautenschutz an. Die Firma besteht aus dem Inhaber und seiner sozialversicherungspflichtig angestellten Ehefrau. Für Trockenbauarbeiten beauftragt die Firma eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Subunternehmer. Die GbR soll Säulen mit Brennschutzplatten verkleideten.

Die ebenfalls in Hessen ansässige Trockenbau-GbR besteht aus drei ungarischen Staatsangehörigen: einem Vater und seinen zwei Söhnen. Ihr Betrieb ist in der Handwerksrolle eingetragen, verfügt über eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen und erstellt für das Finanzamt Einnahmen-Überschuss-Rechnungen.

Bei einer Baustellenkontrolle fallen die drei Trockenbauer der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) auf. In der Vernehmung berichten sie:

  • Wie es mit Hilfe einer Beraterin zur Gründung der GbR gekommen war.
  • Wie sich jemand anderes um die Belange der GbR kümmert.
  • Und wie ihnen der Chef der Baufirma Aufträge verschafft, Preise vorschlägt, Arbeitstechniken zeigt und sie zu den Baustellen fährt

Die FKS-Kontrolle führt zu einer Betriebsprüfung beim Auftraggeber der GbR durch die Deutsche Rentenversicherung. Das Ergebnis der Betriebsprüfer: Die drei Männer sind scheinselbstständig. Die Baufirma als Auftraggeber soll 80.000 Euro Sozialversicherungsbeiträge und 20.000 Euro Säumniszuschläge zahlen.

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Auftraggeber behauptet: Subunternehmer hatte andere Auftraggeber

Der Inhaber der Baufirma widerspricht der Rentenversicherung:

  • Es gebe einen Nachunternehmervertrag mit der Trockenbau-GbR.
  • Die GbR sei auch für andere Auftraggeber tätig gewesen. Dafür sprächen auch die Rechnungsnummern der GbR. So habe deren erste Rechnung an die Baufirma in 2013 die Rechnungsnummer 06/2013 getragen, so dass die Rechnungen 01/2013 bis 05/2013 offenbar an andere Auftraggeber gerichtet gewesen seien.
  • Die GbR verfüge über einen Firmenbus und eigene Arbeitsmaterialien wie auch über eine eigene Buchhaltung und über eine Betriebshaftpflichtversicherung verfüg.
  • Bei einem Festpreis von 10 bis 11 Euro pro Säule und einem Zeitaufwand von 12 Minuten pro Säule verdienten die Subunternehmer rund 45 Euro pro Stunde.

Das Urteil: Nachunternehmervertrag diente der Verschleierung

Das Hessische Landessozialgericht ((LSG) gab jedoch der Rentenversicherung Recht: Die drei Bauarbeiter hätten lediglich ihre persönliche Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und seien in den Betrieb der Baufirma eingegliedert gewesen. So habe sie meistens der Inhaber der Baufirma in seinem Bus zu den Baustellen gefahren. Material sei ihnen gestellt worden, ebenso wie das meiste Werkzeug.

Zudem hätten sie kein Unternehmerrisiko getragen und von dem Verdienst als Subunternehmer gar kein selbstständiges Unternehmen führen können. Denn die Arbeiter berichteten eher von 20 bis 60 Minuten Zeitaufwand pro Säule. Folglich verdienten sie höchsten die Hälfte bis ein Fünftel der vom Auftraggeber genannten 45 Euro pro Stunde.

Nach Einschätzung des Gerichts sei dem Inhaber der Baufirma bewusst gewesen, dass die drei als Scheinselbstständige für ihn tätig waren. Der Nachunternehmervertrag habe lediglich der Verschleierung und der Umgehung der gesetzlichen Sozialabgabenpflicht gedient. (Urteil vom 26. Januar 2023, Az. L 8 BA 51/20)

Arbeit mit Subunternehmern: Klarheit schaffen, Fehler vermeiden

Nicht immer sind die Anzeichen für eine Scheinselbstständigkeit so eindeutig wie in diesem Fall. Mancher Handwerker beauftragt in gutem Glauben Subunternehmer, ohne zu wissen, ob hier vielleicht ein Fall von Scheinselbstständigkeit vorliegt.

Doch Sie können sich vorher Sicherheit verschaffen:

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