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EU-Osterweiterung
Was Betriebe seit 1. Mai beachten müssen
Die EU-Osterweiterung ist Realität. Was jetzt für das Handwerk gilt, erläutert Aneta Holtmann, Leiterin der Osteuropa-Agentur der Vereinigung der Handwerkskammern Niedersachsen.
Die EU-Osterweiterung ist Realität. Was jetzt für das Handwerk gilt, erläutert Aneta Holtmann, Leiterin der Osteuropa-Agentur der Vereinigung der Handwerkskammern Niedersachsen.
Welche Voraussetzungen müssen Handwerksunternehmer aus den Beitrittsländern erfüllen, um in Deutschland tätig werden zu können?
Aneta Holtmann: Nach dem EU-Beitritt können Handwerksunternehmen aus den Beitrittsländern unter den Voraussetzungen des geltenden EU-Rechts und des entsprechenden nationalen Rechts in Deutschland tätig werden. Die Regelvoraussetzungen für die selbstständige Handwerksausübung ist eine mindestens sechsjährige selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung als Betriebsleiter in dem jeweiligen Handwerk.
Als Voraussetzung gilt weiterhin ein mit der deutschen Meisterprüfung als gleichwertig anerkannter Abschluss, zu dem gegebenenfalls ergänzend der Nachweis fehlender Kenntnisse und Fertigkeiten durch einen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung erbracht werden kann. Handwerker aus den Beitrittsländern, die die Voraussetzungen nach der EWG/EWR-Handwerksverordnung erfüllen, können nach dem Beitritt Niederlassungen in Deutschland gründen, da die Niederlassungsfreiheit sofort uneingeschränkt gilt.
Sollten grenzüberschreitend handwerkliche Leistungen ohne Niederlassung in Deutschland angeboten werden, gelten für den Einsatz eigenen Personals (mit Ausnahme des so genannten Schlüsselpersonals) in einigen handwerklichen Sektoren, zum Beispiel dem Baugewerbe und verwandten Wirtschaftszweigen, für bis zu sieben Jahre nach dem Beitritt noch Übergangsregelungen.
Welche Bedingungen gelten für deutsche Handwerksunternehmer, wenn sie in den Beitrittsstaaten eine Firma, eventuell mit eigenen Mitarbeitern, gründen wollen?
Holtmann: Deutsche können in den Beitrittsländern ein Unternehmen gründen und mit den dortigen Arbeitnehmern Handwerksleistungen anbieten. Pauschal kann man zur Zeit sagen, dass in den neuen Beitrittsländern die arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Grundlagen dem EU-Standard angepasst wurden. Natürlich gibt es kleinere Unterschiede in den einzelnen Beitrittsländern.
Wann ist eine Kooperation mit einem Unternehmen vor Ort sinnvoller?
Holtmann: Eine Kooperation mit einem ausländischen Partnerunternehmen ist vor allem dann sinnvoll, wenn dabei die gemeinsame Leis-tungsfähigkeit so weit gesteigert wird, dass dadurch größere gemeinsame Projekte angenommen und durchgeführt werden können. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist natürlich, dass ein ortsansässiges ausländisches Unternehmen schon über Kontakte und Absatzwege verfügt, die dann dem deutschen Handwerksbetrieb auch offen stehen.
Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt. Der zur Zeit am häufigsten genannte Grund deutscher Unternehmen für eine Kooperation mit einem ausländischen Unternehmen ist allerdings die Nutzung der Partnerunternehmen als verlängerte Werkbank, um damit die Flexibilität des eigenen Betriebes zu steigern und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern.
Dürfen deutsche Firmen jetzt polnische oder ungarische Staatsangehörige als Mitarbeiter beschäftigen?
Holtmann: Grundsätzlich nein. Aufgrund der großen Lohnunterschiede haben sich die Staaten auf ei-ne Übergangsregelung geeinigt. Deutschland will den Zugang zu seinen Arbeitsmärkten zunächst für zwei Jahre beschränken. Vor dem Hintergrund einer Prüfung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Arbeitsmarktsituation im Jahr 2006 kann eine weitere Übergangsregelung für drei und danach im Jahr 2009 nochmals für zwei Jahre erfolgen. Spätestens nach sieben Jahren ist jedoch die vollständige Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus den EU-Beitrittsländern sicherzustellen. Ausgenommen von dieser Regelung sind Malta und Zypern.
Unter welchen Voraussetzungen dürfen deutsche Unternehmen Werkaufträge an Firmen aus den Beitrittsstaaten vergeben?
Holtmann: In den Bereichen, in denen Deutschland eine Übergangsfrist zur Dienstleistungsfreiheit in Anspruch nehmen wird, also insbesondere im Bausektor einschließlich der verwandten Wirtschaftszweige, ist eine Tätigkeit entsandter Arbeitnehmer grundsätzlich nur auf den bilateralen Werkvertragsvereinbarungen Deutschlands mit den Beitrittsländern möglich.
Das bedeutet, dass es zunächst bei vereinbarten Kontingenten für Arbeitnehmer und Dienstleistungen bleibt.Zuständig für Werkvertragsverfahren und die Verteilung der bestehenden Kontingente sind:
Agentur für Arbeit in Duisburg, zuständig für Werkvertragsunternehmen aus Lettland und Polen
Agentur für Arbeit in Frankfurt am Main, zuständig für Werkvertragsunternehmen aus der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik und Ungarn
Agentur für Arbeit in Stuttgart, zuständig für Werkvertragsunternehmen aus Slowenien
Dort muss man in jedem Fall nachfragen
Welche arbeitsrechtlichen Bedingungen müssen Unternehmen beachten, wenn im Rahmen von Werkverträgen aus den Beitrittsländern entsandte Arbeitnehmer beschäftigt werden?
Holtmann: Wichtig ist zunächst, dass die zugeteilten Kontingente eingehalten werden. Weiterhin muss dann für die Arbeitnehmer eine Arbeitserlaubnis beantragt werden. Die Arbeitserlaubnis wird nur für die voraussichtliche Dauer des Werkvertrages erteilt (im Höchstfall für zwei Jahre, im Einzelfall, wenn unvorhersehbare Ereignissen die Erfüllung des Werkvertrags verhindern, kann die Arbeitserlaubnis um sechs Monate verlängert werden). Leitende Arbeitnehmer, zum Beispiel Bauleiter oder Techniker, können eine Arbeitserlaubnis bis zu vier Jahre erhalten. Innerhalb eines Zeitraums von maximal zwei Jahren kann die Arbeitserlaubnis für weitere Werkverträge beim selben Arbeitgeber erteilt werden. Die Arbeitserlaubnis gilt nur für die Ausführung eines Werkvertrages und ist auf den Einsatzort beschränkt.
(Die Fragen stellte Irmke Frömling)
Allgemeine Informationen zum Werksvertragverfahren finden Sie über folgenden Link:
Bundesagentur für Arbeit