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Entlastung für Handwerksbetriebe geplant

Weg mit der Bürokratie!

Eine Streichliste für Gesetze, die Bürokratie nach sich ziehen? Zwei Unternehmerinnen haben schon einige Vorschläge.

Aktenordner, soweit das Auge reicht:
Meike Lotze-Franke Bürokratie

Bürokratieentlastung per Gesetz? So hat es die Bundesregierung schon einmal beschlossen. Jetzt müssen noch Bundestag und Bundesrat dem Bürokratieentlastungsgesetz zustimmen. Das könnte den Betrieben rund 744 Millionen Euro an Verwaltungsaufwand ersparen. Nicht erst durch die Gremien muss hingegen die sogenannte „One in, one out“-Regel, welche die Bundesregierung ab Juli bei jedem neuen Gesetzesvorhaben anwenden will: Wo neue Belastungen entstehen, sollen an anderer Stelle binnen eines Jahres andere Belastungen abgebaut werden.

Mit dieser sogenannten „One in, one out“-Regel könnten also demnächst Gesetze abgeschafft werden, die viel Bürokratie mit sich bringen. Wo soll man da nur anfangen? Meike Lotze-Franke hat konkrete Vorschläge. Die Geschäftsführerin der Zimmerei Lotze-Franke in Hann. Münden könnte „seitenweise“ bürokratische Hürden aufzählen, die der Betrieb mit elf Mitarbeitern im Arbeitsalltag überwinden muss. Hier einige Beispiele:

Die Aufbewahrungspflichten sämtlicher Unterlagen: „Wenn wir so viele Dokumente zehn Jahre aufbewahren müssen, frage ich mich, wo ich den Platz für die ganzen Ordner hernehmen soll. Wir stellen gerade auf digitale Aufbewahrung um. Aber auch da habe ich keine Garantie, welche Medien ich in zehn Jahren noch auslesen kann, wenn eine Kontrolle ansteht“, sagt Lotze-Franke. Zudem fordert sie eine Vereinheitlichung der Aufbewahrungsfristen. Die Vorschriften dafür seien zu unübersichtlich.

Die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge: „Der Aufwand und die Kosten, die diese Regelung mit sich bringt, sind vollkommen unsinnig“, sagt die Unternehmerin.

Das Genehmigungsverfahren bei einer Betriebsübernahme oder Firmengründung: „Vor zwei Jahren haben mein Mann und ich den Betrieb von meinem Vater übernommen und aus der Einzelfirma eine GmbH gemacht. Das ganze Prozedere hat fast ein Jahr gedauert und viele Nerven gekostet. Es gibt zu viele Anlaufstellen und Papierkram, das sollte vereinfacht werden!“

Die Tachografenpflicht: „Bei jedem Auftraggeber, der weiter weg ist, müssen wir überlegen, ob wir den digitalen Tachografen anstellen oder nicht. Ist er aus und wir überschreiten die 100 Kilometer, kann es teuer werden. Kommen wir nicht auf die Entfernung, kostet es trotzdem, weil die Daten ausgelesen werden müssen. Ein Aufwand, den wir uns gern sparen würden“, sagt Lotze-Franke.

Der Mindestlohn als Bürokratiemonster - lesen Sie Seite 2.

"Das Mindestlohngesetz ist nicht durchdacht"

Gleich drei Punkte am neuen Mindestlohngesetz würde Birgit Schlüter sofort streichen:

Die Aufzeichnungspflichten für Mitarbeiter mit festen Stunden und Festgehältern: Dadurch, dass ihr Gehalt in den Arbeitsverträgen festgehalten ist, finde ich die Aufzeichnungspflichten hier völlig überflüssig“, sagt Schlüter, die im Elektrobetrieb Katthagen in Tostedt für das Qualitätsmagement und das Thema Arbeitssicherheit zuständig ist.

Die Subunternehmerhaftung: „Dass Handwerksbetriebe nun auch noch für Subunternehmer haften sollen, die ihren Mitarbeitern keinen Mindestlohn zahlen – das kann nicht sein“, sagt Schlüter. Das solle besser der Zoll kontrollieren.

Die Pausenzeiten-Regelung: „Auf der Baustelle ist die Aufzeichnungspflicht von Beginn und Ende der Pausen einfach nicht praktikabel. Die Mitarbeiter arbeiten dann, wenn es geht, und wenn Stillstand herrscht, weil andere Gewerke zum Zuge kommen, machen sie Pause. Unsere Mitarbeiter müssten sich dann jedes Mal über ihre Handys in das Zeiterfassungssystem einwählen. Oder zusätzlich Zettel ausfüllen. Das geht irgendwie nicht“, findet sie.

Auch das Thema Arbeitssicherheit liegt Birgit Schlüter am Herzen. Abschaffen oder ändern würde sie folgende Punkte:

Notfallplan für Mitarbeiter: Jeder Betrieb, der einen oder mehr Mitarbeiter beschäftigt, muss einen Notfallplan für viele mögliche Vorkommnisse erstellen. „Auf der Liste der Notfälle stehen selbst hier in Norddeutschland auch Erdbeben. Aber wir leben in keinem Erdbebengebiet“, sagt Schlüter. Anstatt jeden Punkt auf der geforderten Liste zu beschreiben, könnte diese an Region und Branche angepasst werden. Andernfalls sei es ein unzumutbarer Aufwand.

Gefährdungsbeurteilung für Maschinen: Für jede Maschine in einem Handwerksbetrieb muss eine umfassende Gefährdungsbeurteilung erstellt werden und Maßnahmen zur Vorbeugung schriftlich festgehalten werden. Und nach drei bis sechs Monaten muss die Beurteilung geprüft und angepasst werden. „In unserem Betrieb allein sind es mehr als 20 Maschinen“, erzählt die Unternehmerfrau. Und schlägt vor: Warum können nicht die Hersteller für Ihre Produkte gleich eine umfassende Gefährdungsbeurteilung mit erstellen? Denn eine Betriebsanweisung liefern die Hersteller bereits.

Und noch eine Anforderung betrachtet Birgit Schlüter als überflüssig:

Statistiken für das Landesamt: „Umsätze, Aufträge, Bilanzen: Das alles will das statistische Landesamt von Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern haben. Ein riesiger Aufwand, zumal die Betriebe von den Statistiken nichts haben. Warum befragen sie nicht Betriebe auf freiwilliger Basis“, fragt sie sich.

Ihre persönliche Streichliste: Welche bürokratischen Vorgaben sind Ihnen ein Dorn im Auge? Welche Gesetze würden Sie gern abschaffen? Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare!






(ja)

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