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Urteil

Wegeunfall: Auch ein Umweg kann versichert sein

Wer auf dem Weg zur Arbeit einen Umweg macht, riskiert den Versicherungsschutz. Aber es gibt Ausnahmen, wie jetzt ein Gericht feststellte.

Auf einen Blick:

  • Über die gesetzliche Unfallversicherung ist der unmittelbare Weg von und zur Arbeit versichert.
  • Die Angestellte eines Juweliergeschäfts verunglückte auf einem Umweg, den sie jeden Morgen machte, um die Geschäftsführerin zu begleiten.
  • Die Berufsgenossenschaft wollte den Unfall nicht als Wegeunfall anerkennen, weil es sich bei der Begleitung der Geschäftsführerin aus ihrer Sicht um eine nette Geste handle.
  • Das Sozialgericht Osnabrück sah den Fall anders: Der Umweg geschehe aus beruflichen Gründen und sei deshalb versichert.

Wer auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit verunglückt, ist in der Regel über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. So regelt es das Sozialgesetzbuch (SGB). Doch häufig kommt es zu Auseinandersetzungen. Streitig ist dabei oft, ob der Weg, den der Versicherte genommen hat, tatsächlich der „unmittelbare“ Weg ist.

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Aus Sicherheitsgründen macht die Angestellte jeden Morgen einen Umweg

Der Fall: Die Angestellte eines Juweliergeschäftes trifft jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit die Geschäftsführerin in einem Parkhaus. Die Frauen gehen aus Sicherheitsgründen des Rest des Weges gemeinsam und öffnen auch den Laden gemeinsam. Das praktizieren die beiden seit 20 Jahren. Für dieses Treffen macht die Angestellte jeden Tag einen Umweg.

Eines Wintermorgens stürzte sie auf ihrem Weg zum Parkhaus mit dem Fahrrad und brach sich das Bein. Die Berufsgenossenschaft (BG) lehnte es ab, den Unfall als Wegeunfall anzuerkennen. Begründung: Die Angestellte habe einen Umweg genommen, um die Geschäftsführerin zu treffen. Dabei handle es sich um eine nette Geste, die nicht versichert gewesen sei. Die Angestellte klagte.

Das Sozialgericht entschied im Sinne der Klägerin

Das Urteil: Das Sozialgericht Osnabrück wies die Argumente der BG zurück. Der Weg zum Parkhaus sei demnach §8 Absatz 2 Nummer 1 SGB VII zuzurechnen und daher sei der Unfall als Wegeunfall anzuerkennen. Denn:

  • Das Treffen mit der weisungsbefugten Geschäftsführerin – und damit der Umweg – erfolge nicht aus privaten Gründen, sondern stehe in Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit.
  • Der gemeinsame Weg und das gemeinsame Öffnen des Geschäftes geschehe aus einem der Sicherheit des Unternehmens dienenden Grund und sei keine nette Geste.
  • Die Begleitung sei objektiv sinnvoll, da die Gefahr eines Überfalls vermieden werden solle.

Das Gericht stellte außerdem klar, dass „unmittelbarer Weg“ auch aus weiteren Gründen nicht immer der kürzeste Weg sei. Dazu müsse der Weg

  • weniger zeitaufwendig,
  • sicherer,
  • übersichtlicher,
  • besser ausgebaut oder
  • kostengünstiger als der kürzeste Weg sein.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

SG Osnabrück, Urteil vom 16. Mai 2019, Az. S 19 U 123/18

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