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Erzgebirge

Weihnachtsträume aus dem Silberland

Willkommen im Erzgebirge: Holzfiguren, Pyramiden und Schwibbögen aus hiesigen Werkstätten sind weltweit begehrt.

"Ich bin verliebt in diese Arbeit, strahlt Klaus Kolbe und betrachtet zufrieden sein Werk. Mehr als 40 verschiedene Arten von Schwibbögen sind in seiner kleinen Werkstatt im Spielzeugdorf Seiffen schon entstanden. Aber auf das jüngste Produkt sind der 58-jährige Kunsthandwerker und seine 16 Mitarbeiter besonders stolz. Denn unter ihren geschickten Händen ist die berühmte Dresdner Frauenkirche wieder auferstanden, wenn auch nur 30 Zentimeter hoch. Damit nicht genug. Vor der Kulisse des beleuchteten Gotteshauses bewegen sich winzige Figuren über den Dresdner Striezelmarkt. An kleinen Buden werden Mini-Engel, Nussknacker und Weihnachtsbäume verkauft. Eine Sisyphusarbeit, wenn man bedenkt, dass sämtliche Teile millimetergenau gedrechselt und handbemalt sind.

Kolbes Werke gelten als die Schönsten

Ein Dutzend Schwibbögen-Meister sind im Spielzeugdorf Seiffen zu Hause. Die limitierten Darstellungen von Klaus Kolbe gelten mit als die schönsten und begehrtesten Werke. Dass er seine Holzprodukte mal bis in die Schweiz, nach Österreich und England liefert, hätte sich der gelernte Möbeltischler, der bis zur Wende in den staatlichen Möbelwerken Seiffen arbeitete, nie träumen lassen. Ich habe lange nach neuen Ideen gesucht, wollte den anderen erzgebirgischen Kunsthandwerkern und Spielzeugmachern nicht ihre Ideen klauen, erzählt Kolbe. Bis heute hat die 1990 gegründete Kolbe-Manufaktur schon 50 Patente und mehrere Designer- und Handwerkspreise erhalten.

Kolbe kramt einen kleinen goldenen Schlüssel aus der Tasche und zieht das aus der Schweiz stammende Spieluhrenwerk des Frauenkirchen-Bogens auf. Zu weihnachtlichen Melodien beginnen sich die Figuren auf dem Striezelmarkt zu drehen. Spätestens jetzt hat man als Besucher das Gefühl, im Weihnachtsland angekommen zu sein.

Vom Bergmann zum Holzspielzeugmacher

Dessen Geschichte begann vor langer Zeit: Als im 16. Jahrhundert die Erzvorkommen für reichlich Arbeit und Brot sorgten, gehörte die Region um die Städte Annaberg, Marienberg und Freiberg zu den wohlhabendsten Gegenden Deutschlands. Menschen aus allen Teilen des Landes zog es ins Silberland. Doch als die Bodenschätze im 18. Jahrhundert zur Neige gingen, zerplatzten die silbernen Träume. Unzählige Bergleute mussten für sich und ihre Familien einen neuen Broterwerb suchen. Holz gab es in den Wäldern reichlich. Und die Wasserkraft der kleinen Bäche trieb bald unzählige Drechselbänke an. Aus dem ehemaligen Bergbaugebiet wurde das Spielzeug- und Weihnachtsland.

Die Fensterbänke reichten kaum aus

An langen Winterabenden saß die ganze Familie um den warmen Ofen versammelt und fertigte Krippenfiguren, Tiere, Häuser und Bäume. Doch die wichtigsten Figuren, die vor allem in der dunklen Jahreszeit die Stuben schmückten, waren Kerzen tragende Engel und Bergmänner. In ihnen spiegelte sich die ewige Sehnsucht der Männer unter Tage wider, die in den kalten Monaten des Jahres über Wochen und Monate hinweg keinen Strahl Tageslicht sehen konnten. Ins Fenster gestellt, sollten die Figuren den Weg nach Hause weisen. Außerdem konnte jeder Fremde an der Zahl der leuchtenden Gesellen im Fenster den Kindersegen der Familie erkennen. Für jeden Jungen kam ein Bergmann ins Fenster, für jedes Mädchen ein Engel. Manche Fensterbänke reichten im 19. Jahrhundert gar nicht mehr aus. Bei manchen Familien werden die Erbstücke noch heute ins Fenster gestellt.

Vom Großvater abgekupfert

Auch die Weihnachtspyramiden sind in ihrer Entstehung eng mit der Geschichte des erzgebirgischen Bergbaus verbunden. Ihr Vorbild sind die Göpelwerke, eine Vorrichtung an Arbeitsmaschinen, die von Pferden im Kreis gezogen wurden. Zu den biblischen Figuren der Pyramiden gesellten sich schon im 19. Jahrhundert kleine Bergmänner im schmucken Festgewand, die sich auf den hölzernen Tellern im Kreis drehten.

Ein Spielzeugmacher, der sich auf das Fertigen von Weihnachtspyramiden spezialisiert hat, ist Ehrenfried Gläßer aus Olbernhau. Als er 1990 den Sprung in die Selbstständigkeit wagte, wollte er etwas ganz Besonderes machen. Und so besann er sich aufs Alte. Ganz ehrlich, ich hab´ einfach beim Großvater abgekupfert, lacht der gebürtige Seiffner. Denn schon der Opa war über die Grenzen des Erzgebirges hinaus für seine rustikalen Hauspyramiden bekannt. Die waren sechseckig, mit gedrechselten Säulen.

Teamarbeit bei den "Mannel-Besatzungen"

In dieser Tradition baut nun auch Enkel Ehrenfried. Das Besondere bei ihm sind die Pyramidensockel aus Kork: Als Felsgestein erinnern sie an die Arbeit unter Tage. Kleine Türmchen mit Posaunenbläsern zieren die Spitze der Pyramiden. Und Ehefrau Petra Gläßer wird nicht müde, hunderte winzige bergmännische Mannel-Besatzungen zusammenzuleimen und zu bemalen.

Kinderträume aus dem Märchenland

Wenn Alfred Grimmer aus Borstendorf zu Malpinsel, Leimtopf und Schnitzbesteck greift, lässt er vor allem Kinderaugen leuchten. Seit mehr als 30 Jahren gestaltet der Schnitzer mechanische Märchenszenen. Ich habe meinem Sohn Hans zu seinem sechsten Geburtstag ein Märchen geschnitzt. Und dann bin ich davon nicht mehr losgekommen, erzählt der 73-Jährige. So tummeln sich der Wolf und die sieben Geißlein, Schneewittchen, Rumpelstilzchen und viele andere in Grimmers großem Märchenwald zwischen genau 365 Fichten. Das Besondere: Jede Figur kann bewegt werden.

Wie die Nussknacker entstanden

Es ranken sich noch etliche Geschichten um die Tradition der Spielzeugmacher aus dem Erzgebirge. Etwa die der Nussknacker oder Nussbeißer, die im 16. Jahrhundert entstanden, weil die zahnärztliche Behandlung nach weihnachtlicher Nussknackerei schon damals unangenehm war. Seitdem müssen sogar Könige und Würdenträger kräftig ins Holz beißen. Oder die Geschichten von den dicken Engelchen in ihren kurzen Hemdchen. Ebenso die Geschichte vom Reiterlein, dem Symbol für echt erzgebirgische Volkskunst oder die der der Reifendreher, eine 200 Jahre alte Handwerkskunst, die nur noch 13 Leute bundesweit beherrschen. An ihnen allen zeigt sich, dass die Spielzeugmacher und Kunsthandwerker die Vielfalt der Traditionen vieler Generationen fortführen. Trotz der Bedrohung durch Billigimporte aus Fernost sind ihre hölzernen Botschafter noch immer in aller Welt beliebt.

Ausbildungsberuf Holzspielzeugmacher

Obwohl die Geschichte der Herstellung von Holzspielzeug im Erzgebirge älter als 300 Jahre ist, gibt es den Beruf des Holzspielzeugmachers erst seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. In Seiffen wurde dazu eine Fachgewerbeschule eingerichtet. Nach der Teilung Deutschlands existierte dieser Beruf nur in der damaligen DDR. Das führte dazu, dass mit der Wiedervereinigung 1990 der Holzspielzeugmacher kein anerkannter Ausbildungsberuf mehr war. Seit 1996 ist er wieder deutschlandweit als Ausbildungsberuf zugelassen, sowohl für das Handwerk als auch für den IHK-Bereich. In der ehemaligen Fachgewerbeschule in Seiffen ist heute eine Holzspielzeugmacher- und Drechslerschule untergebracht. Derzeit erlernen hier 83 Lehrlinge in einem Ausbildungsverbund die Kunst der kleinteiligen Holzverarbeitung.

Über den Verband

Der Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller e. V. wurde 1990 von Herstellern Erzgebirgischer Volkskunst als deren freiwillige Dachorganisation gegründet. Ihm gehören derzeit 84 Mitglieder an vom kleinen Familienbetrieb bis hin zum mittelständischen Unternehmen mit 150 Beschäftigen. Zu den Mitgliedern gehören auch zwei große Genossenschaften, die Dregeno Seiffen und das Erzgebirgische Genossenschaftszentrum Marienberg, in denen sich insgesamt etwa 180 Mitgliedsfirmen zusammengeschlossen haben.

Der Verband fördert die mit Warenzeichen garantierte Erzgebirgische Holzkunst und seine Hersteller. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört die Imagewerbung, die seit 1992 unter der Dachmarke Echt Erzgebirge Holzkunst mit Herz mit dem Bild des kleinen Reiterleins auf dem Schaukelpferd erfolgt. Darüber hinaus unterstützt er seine Mitglieder bei Messen im In- und Ausland, bei der Berufsausbildung und auf rechtlichem Gebiet, zum Beispiel beim Kampf gegen Plagiate. Zur Förderung der kreativen Weiterentwicklung der Volkskunst vergibt der Verband gemeinsam mit dem Landrat des Mittleren Erzgebirgskreises seit 1995 jährlich den Preis Tradition und Form.

Kontakt: Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller e.V., Geschäftsführer Dieter Uhlmann, Albertstraße 15, 09526 Olbernhau, Telefon (03 73 60) 6 69 30, Fax: (03 73 60) 30 48, E-Mail: verband@erzgebirge.org.

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