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Hilfe bei Tinnitus

Wenn die Stille zur Qual wird

Plötzlich auftretende Ohrgeräusche kennt fast jeder. Doch was bedeutet es, wenn sie dauerhaft bleiben? Und was ist dagegen zu tun?

Es summt, es piept, es dröhnt – die Ohrgeräusche klingen bei jedem Betroffenen anders, doch eines haben sie gemeinsam: Sie lassen sich nicht abstellen. Rund vier Millionen Deutsche leiden unter Tinnitus. Das Ohrgeräusch schränkt viele Betroffene in ihrem Alltagsleben ein. Doch ein Tinnitus muss nicht zwingend eine dauerhafte Qual bis ans Lebensende bedeuten. Je früher man ihn erkennt, desto schneller können die richtigen Behandlungs- und Therapieschritte eingeleitet werden. Dabei ist es jedoch wichtig, zwischen den verschiedenen Tinnitusarten zu unterscheiden.

Subjektiver und objektiver Tinnitus
„Prinzipiell wird zwischen subjektivem und objektivem Tinnitus unterschieden“, sagt Gerhard Goebel, Vize-Präsident der Deutschen Tinnitus-Liga. Während ein objektiver Tinnitus mit einem Stethoskop messbar ist und die Ursachen Blutgefäßtumore oder Arterienverengungen sein können, ist ein subjektiver Tinnitus ein Ohrgeräusch, das im Kopf erzeugt wird und von niemandem, außer dem Betroffenen selbst, gehört werden kann. In 99 Prozent der Fälle liegt dem Experten zufolge ein subjektiver Tinnitus vor. Dabei handele es sich jedoch nicht, wie fälschlicherweise oft bezeichnet, um eine Krankheit, sondern um ein Symptom.

Ursachen der Ohrgeräusche
Dieses Symptom kann durch mehrere Dinge ausgelöst werden: Eine häufige Ursache ist laut Gerhard Goebel eine starke Lärmbelastung durch Freizeit- oder Berufslärm. Auch ein Knalltrauma in Folge eines Unfalls mit Gehirnerschütterung kann einen Tinnitus auslösen. Eine weitere Ursache kann Morbus Menière sein, eine Erkrankung des Innenohrs. Diese Erkrankung geht einher mit Schwindel, Hörverlust und Ohrgeräuschen. Auch ein plötzlich auftretender Hörsturz kann einen subjektiven Tinnitus zur Folge haben: Es handelt sich dabei um eine vorübergehende Form der Schwerhörigkeit auf einem Ohr. Oft wird auch Stress als Auslöser für den Tinnitus genannt, doch Goebel distanziert sich davon. „Die Menschen haben das Bedürfnis, für alles eine Erklärung zu finden. Und dann ist oft der Stress schuld an allem“, sagt er. Vielmehr stecken hinter der Bezeichnung „Stress“ andere Dinge, wie Depressionen, Überforderung oder Kopfschmerzen. „Es ist eher so, dass Tinnitus-Betroffene Stress schlechter bewältigen“, fügt er hinzu.

Wie sich der Tinnitus behandeln lässt, erfahren Sie auf Seite 2.

Behandlungsmöglichkeiten

Rund 30 Prozent der Ohrgeräusche, darunter fallen auch chronische Ohrgeräusche, verschwinden nach Angaben von Goebel von selbst wieder. Laut Goebel existiert bislang noch keine Arznei und keine Therapie, mit der sich der Ton zuverlässig abstellen lässt. Bei den Behandlungsmöglichkeiten unterscheidet Michael E. Deeg, Vorstandsmitglied des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte, zwischen Behandlungsmöglichkeiten für einen akuten und einen chronischen Tinnitus:

  • Behandlung eines akuten Tinnitus: Der akute Tinnitus dauert ein bis drei Monate an und wird zunächst mit Medikamenten behandelt, die sich auf das Innenohr auswirken. Kortison ist ein solches Medikament. Sollte das Kortison den Tinnitus nicht lindern, empfiehlt der HNO-Arzt eine hyperbare Sauerstofftherapie. Bei dieser Therapie atmet der Patient reinen Sauerstoff in einer Druckkammer ein, wodurch mehr Sauerstoff ins Gewebe und Blut eindringt. Dadurch steige auch die Sauerstoffversorgung des Innenohrs und der Tinnitus könne sich mindern lassen.
  • Behandlung eines chronischen Tinnitus: Beim chronischen Tinnitus, der länger als ein Jahr anhält, sei eine medikamentöse Behandlung nur bedingt sinnvoll. „Es gibt nur wenige Medikamente, wo man erwarten könnte, dass sie wirken“, sagt Deeg. Stattdessen empfiehlt er ein kombiniertes Konzept, bestehend aus einer psychotherapeutischen Betreuung und technischen Hilfsmitteln. Die psychotherapeutische Betreuung entspricht einer Verhaltenstherapie, bei der die Betroffenen lernen sollen, mit dem Ohrgeräusch umzugehen und es nicht mehr so sehr zu fokussieren. Als technische Hilfsmittel eignen sich sogenannte Noiser. Sie sehen aus wie Hörgeräte und erzeugen einen Hintergrundton, wodurch die Betroffenen ihr eigenes Ohrgeräusch nicht mehr so stark wahrnehmen sollen.
Lesen Sie auf Seite 3, was Sie zur Vorbeugung tun können.

Lärmschutz als wichtiges Präventionsmittel

Um der Gefahr von länger anhaltenden Ohrgeräuschen vorzubeugen, ist Prävention wichtig. Gerade Menschen, die dauerhaft einer starken Lärmquelle ausgesetzt sind, sollten nach Empfehlung der HNO-Ärzte einen Hörschutz tragen. „Auch der Arbeitgeber sollte darauf achten, dass die Mitarbeiter vor einer zu hohen Lärmbelastung geschützt sind“, sagt Goebel. Bei einer plötzlich veränderten Hörwahrnehmung, sollten die Betroffenen ihren HNO-Arzt aufsuchen und das Ohr untersuchen lassen. Je schneller die Ursache des Ohrgeräusches gefunden wird, desto schneller kann mit der Behandlung begonnen werden. Dadurch steigen auch die Chancen, dass das Ohrgeräusch wieder vollständig verschwindet.

Selbsthilfe in der Deutschen Tinnitus-Liga
Für Betroffene ist vor allem der Austausch mit anderen Betroffen wichtig. „Studien haben ergeben, dass gerade der Austausch zwischen den an Ohrgeräuschen leidenden Betroffenen Antrieb für eine bessere Lebensqualität ist“, sagt Gerhard Goebel. Die Deutsche Tinnitus-Liga ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein mit derzeit 13.000 Mitgliedern. Sie vermittelt Selbsthilfeangebote und informiert über Behandlungsmöglichkeiten und den Stand der Forschung. Zudem verfügt sie über mehrere Beratungsstellen. Alle drei Monate erscheint das Tinnitus-Forum, eine Zeitschrift, die sich sowohl an Betroffene als auch an Fachleute richtet. Auch Nichtmitglieder können auf der Website eine Vielzahl von Informationen zum Thema Tinnitus und Ohrgeräusche finden. Wer wissen möchte, wie groß die eigene Ohrgeräuschbelastung ist und ob es sich dabei um einen Tinnitus handelt, der kann auf der Website der Deutschen Tinnitus-Liga (www.tinnitus-liga.de) einen Test durchführen.

(akb)

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