Mindestlöhne? Ein heißes Eisen im Wahlkampf. Doch einen gesetzlichen Mindestlohn werden wir wohl nicht bekommen.
Stattdessen sollen die Tarifparteien das unter sich abmachen. Am Bau kennt man das längst. Doch wie funktioniert das? Wenn ein Unternehmer nicht im Arbeitgeberverband ist: Muss ich den Mindestlohn zahlen? Ab wann und wem? Viele Fragen, eine klare Antwort: Es kommt darauf an.
Nehmen wir zum Beispiel die Friseure – denn was dort gilt, trifft auf alle Branchen zu.
Das Schöne an diesem Beispiel: Die Branche steht noch am Anfang auf dem Weg zum Mindestlohn. Gerade erst haben sich Innungen und Gewerkschaft geeinigt. Sie wollen schrittweise einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn spätestens ab 2015. Doch ob der wirklich so kommt, ist gar nicht sicher. Und bis dahin?
Darüber haben wir mit Marc Jeziorowski gesprochen, Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes der Friseure in Niedersachsen: Wer muss zahlen – und wer nicht?
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Wann gilt ein Mindestlohn für alle Betriebe und Arbeitnehmer, Herr Jeziorowski?
Einen Mindestlohn für wirklich alle Mitarbeiter und Betriebe einer Branche gibt es nur unter zwei Voraussetzungen.
Zunächst müssen sich die Tarifparteien, also Arbeitgeberverband und Gewerkschaft, auf einen Entgelttarifvertrag einigen. Und nur, wenn dieser Tarifvertrag allgemeinverbindlich erklärt wird, gilt er für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer einer Branche.
Solche Tarifverträge können regional, also auf Landesebene, geschlossen und vom Wirtschaftsministerium des jeweiligen Landes für allgemeinverbindlich erklärt werden. Ebenso sind bundesweite Tarifverträge möglich, die das Bundesarbeitsministerium für allgemeinverbindlich erklären kann.
Voraussetzung für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung ist allerdings, dass mindestens 50 Prozent aller Arbeitnehmer einer Branche in Innungsbetrieben beschäftigt sind.
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Wer muss zahlen, wenn ein Tarifvertrag nicht allgemeinverbindlich ist?
In diesem Fall gilt der Tarifvertrag nur für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die in einer der Tarifparteien organisiert sind.
Den Mindestlohn zahlen müssten also nur Arbeitgeber, die einem Arbeitgeberverband angehören, der den Tarifvertrag unterschrieben hat.
Den Mindestlohn müssen diese Arbeitgeber allerdings auch nur solchen Mitarbeitern zahlen, die Mitglied einer Gewerkschaft sind, die den Tarif unterschrieben hat.
Keinen Anspruch auf den Mindestlohn haben demnach Nicht-Gewerkchaftsmitglieder und Gewerkschaftsmitglieder, deren Arbeitgeber nicht im Arbeitgeberverband organisiert ist.
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Grafik: So entscheiden Sie, ob Sie Mindestlohnzahlen müssen!
Müssen Sie Mindestlohn zahlen?
Mindestlohn
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Was bedeutet das konkret für die Friseure, Herr Jeziorowski?
Im April haben eine Reihe Landesinnungsverbände der Friseure in einer Tarifgemeinschaft einen gemeinsamen Entgelttarifvertrag mit der Gewerkschaft Ver.di geschlossen. Allerdings müssen die Landesinnungsverbände diesen Tarifvertrag erst noch ratifizieren. Wenn das geschehen ist, würde der Tarifvertrag zunächst nur für alle Innungsbetriebe in jenen Bundesländern gelten, deren Landesinnungsverbände zur Tarifgemeinschaft gehören.
Bezahlen müssten diese Arbeitgeber das Mindestentgelt all jenen Arbeitnehmern, die ver.di-Mitglied sind.
Die Tarifparteien wollen allerdings die bundesweite Allgemeinverbindlichkeit beantragen. Dann würde der Mindestlohn für alle gelten, egal ob Innungs- und Gewerkschaftsmitglied oder nicht.
Und was wird dann aus alten Tarifverträgen?
Solange die neuen Verträge nicht ratifiziert wurden, gelten alle bisherigen Tarifverträge in ihrer bisherigen Form weiter, zumindest dann, wenn sie nicht gekündigt werden.
In Niedersachsen haben wir zum Beispiel einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der zwar Ende 2011 ausgelaufen ist, aber von keiner Seite gekündigt wurde. Folglich müssen alle Friseurbetriebe in Niedersachsen zumindest vorerst weiter einen Mindestlohn von 7,51 Euro pro Stunde zahlen. Darüber hinaus haben wir eine unverbindliche Tarifempfehlung abgegeben, schon jetzt mindestens 7,84 Euro zu zahlen. Diese Empfehlung ist allerdings nicht bindend.
(jw)