Wenn ein Unternehmen Bauleistungen für einen Auftraggeber ausführt, der selbst Bauleistungen erbringt, geht die Steuerschuld der Umsatzsteuer auf den Auftraggeber über.
Das soll nach einem Urteil des Finanzgerichts Münster nun auch für Auftraggeber gelten, die nur gelegentlich Bauleistungen erbringen. Bislang waren davon nur Auftraggeber betroffen, die mindestens zehn Prozent ihrer Umsätze mit Bauleistungen erzielten.
Tipp: Immer Freistellungsbescheinigung anfordern
In dieser Sache ist das letzte Wort zwar noch nicht gesprochen - inzwischen liegt der Fall dem Bundesfinanzhof vor. Doch für Anita Grothe, Vorstandsmitglied der Steuerberaterkammer Sachsen-Anhalt, ist der Richterspruch aus Münster durchaus im Sinne des Gesetzes - und auch der Betriebe. "Wir empfehlen unseren Mandaten schon immer den Austausch der Freistellungsbescheinigungen nach Paragraf 48 b EStG und einen handschriftlichen Vermerk beider Unternehmer über die Gültigkeit der Bescheinigungen“ sagt die Steuerberaterin aus Hohenwarsleben.
Der Grund: Dem leistenden Unternehmer ist es praktisch nicht möglich, die Voraussetzungen zu prüfen, ob der Leistungsempfänger im vergangenen Kalenderjahr wenigstens 10 Prozent Umsätze an Bauleistungen hatte.
Die Regeln im Überblick
Doch was bedeutet das in der Praxis? Für alle Unternehmer, die sich nun mit dem Thema beschäftigen müssen, gibt Grothe einen Überblick:
Umkehr Steuerschuldnerschaft: Seit 2004 sind Auftraggeber von Bauleistungen verpflichtet, die Umsatzsteuer auf solche Aufträge selbst direkt zu versteuern. Die Rechnung muss dann immer einen Hinweis enthalten, zum Beispiel "Gemäß § 13 b UStG ist die Umsatzsteuer nicht auszuweisen." Das gilt allerdings nur, wenn der Auftraggeber selbst zumindest teilweise Bauleistungen erbringt. Finanziell hat das keine Auswirkungen: Der Auftraggeber meldet die Umsatzsteuer beim Finanzamt an, zahlt sie direkt an dieses und nicht an den Leistenden.
Steuerabzug auf Bauleistungen: Seit 2002 gibt es zudem den "Steuerabzug auf Bauleistungen". Demnach müssen Auftraggeber von Bauleistungen 15 Prozent des Rechnungsbetrags einbehalten und selbst an das Finanzamt abführen. Der Steuerabzug ist nur dann vorzunehmen, wenn der Auftragnehmer keine gültige Freistellungsbescheinigung vorlegt.
Umsatzgrenze beachten: Für die Umkehr der Steuerschuldnerschaft gibt es eine Bagatellgrenze. Reparatur- und Wartungsleistungen fallen nur dann unter den Paragrafen 13b, wenn das Nettoentgelt für den einzelnen Umsatz 500 Euro überschreitet.
Wo liegen die Gefahren und was bringt die Freistellungsbescheinigung? Das zeigen zwei Beispiel-Rechnungen auf der nächsten Seite.
Beispiel: So wirkt sich die Umkehr der Steuerschuldnerschaft aus
Wie sich das auswirkt, verdeutlicht Grothe an einem Beispiel: Tischler A beauftragt Dachdecker B. Die Netto-Rechnungssumme beträgt 100.00 Euro (A + B Bauunternehmer u. umsatzsteuerpflichtig).
Fall 1: Dachdecker B legt eine Freistellungsbescheinigung vor
In diesem Fall muss der Auftraggeber A keine 15 Prozent einbehalten. Er muss lediglich die Umsatzsteuer auf die 100.000 Euro berechnen (= 19.000 Euro), diese seinem Finanzamt in der Umsatzsteuervoranmeldung melden und kann gleichzeitig Vorsteuer in gleicher Höhe geltend machen.
Fall 2: Dachdecker B legt keine Freistellungsbescheinigung vor
Auch in diesem Fall schuldet Auftraggeber A die Umsatzsteuer dem Finanzamt. Gleichzeitig muss er aber für den Auftragnehmer B die Bauabzugssteuer anmelden, einbehalten und an das für B zuständige Finanzamt zahlen. Das bedeutet:
- Dachdecker B rechnet 100.000 Euro netto ab
- Tischler A errechnet die Umsatzsteuer (19.000 EUR = 19 Prozent), den Bruttobetrag für die Bauabzugssteuer (119.000 EUR = 100.000 EUR + 19.000 EUR) und die Bauabzugssteuer (17.850 EUR = 15 Prozent des Bruttobetrags..
- Zahlen muss Tischler A nun an den Dachdecker B (82.150 EUR = 100.000 EUR - Bauabzugssteuer), die Bauabzugssteuer an das Finanzamt von B (17.850 EUR) und die Umsatzsteuer an das Finanzamt von A (19.000 EUR), wobei sich die Umsatzsteuer in gleicher Höhe mit der Vorsteuer verrechnen lässt.
Risiko: Sie könnten doppelt zahlen
Problematisch werden diese Vorschriften immer dann,
- wenn Auftraggeber bei fehlender Freistellungsbescheinigung den Einbehalt der Bauabzugssteuer vergessen und/oder
- wenn Auftragnehmer irrtümlich die Umsatzsteuer in der Rechnung ausweisen, der Auftraggeber diesen Fehler nicht bemerkt und tatsächlich den gesamten Betrag bezahlt.
Denn in beiden Fällen ist und bleibt der Auftraggeber Steuerschuldner gegenüber den Finanzämtern, warnt Anita Grothe. Zwar könne der Auftraggeber versuchen, sich das Geld vom beauftragten Betrieb zurückzuholen. "Doch wer weiß, ob dieser dann auch zahlt, schlimmer noch, ob er noch existent ist."
Wie sich diese Regeln auch auf Kleinunternehmen und auf private Investitionen von Bauunternehmern auswirken, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Unbedingt beachten: Auch private Aufträge zählen
Besonderheit bei Kleinunternehmen: Keine Vorsteuer
' Kleinunternehmen sind nicht umsatzsteuerpflichtig. Wenn sie als Bauleistender einen anderen Betrieb mit Bauleistungen beauftragen, müssen sie gemäß Paragraf 13 b UStG die Umsatzsteuer abführen, ohne jedoch Vorsteuer geltend machen zu können.
Auch als Privatperson steuerpflichtig
Immer noch zu wenig bekannt ist nach Grothes Erfahrung ein weiterer Pferdefuß der Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach Paragraf 13 b. "Wer selbst als Unternehmer zumindest teilweise Bauleistungen erbringt, muss den Paragraf 13 b auch dann beachten, wenn er als Privatperson ein anderes Unternehmen mit Bauleistungen beauftragt", warnt die Expertin.
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