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Mindestbeiträge BG Bau

„Würde ich das machen, wäre es Wucher“

100 Euro Mindestbeitrag statt der fälligen 4,26? Wilfried Wagenknecht hat gegen die BG Bau geklagt – und ein Urteil erstritten, das vielen Betrieben nützt.

Wagenknecht ist Klempner- und Installateurmeister. Meistens arbeitet er ganz alleine, doch im Jahr 2006 hatte er für wenige Tage stundenweise eine Aushilfe engagiert. Lohnsumme: 122 Euro. „Eigentlich hätte ich nur einen Beitrag von 4,26 Euro an die BG zahlen müssen“, berichtet der Magdeburger. Die Berufsgenossenschaft (BG) Bau verlangte hingegen 100 Euro von ihm – als Mindestbeitrag. Wagenknecht platzte der Kragen: 2003 und 2004 war ihm das auch schon passiert, noch einmal wollte er das nicht akzeptieren. Ein jahrelanger Rechtstreit war die Folge.

Die BG sagt: Verwaltungsaufwand!
Denn die BG habe seine Beschwerden einfach ignoriert, stattdessen mit Verwaltungsaufwand argumentiert. „Welcher Verwaltungsaufwand?“, fragt sich Wagenknecht. „Die haben doch eh alles elektronisch erfasst und können den Beitrag auf Knopfdruck genau berechnen.“ Das habe er auch der BG so gesagt. Erfolglos.

Der Handwerker sagt: Wucher!
„Eine Frechheit“, findet der Handwerker. „Wenn ich bei einem Kunden für fünf Euro einen Wasserhahn repariere und dann wegen Verwaltungsaufwand 100 Euro verlangen würde, würde mich der Kunde anzeigen – wegen Wucher.“

Das Gericht sagt: Zurückzahlen!
Also zog Wagenknecht vor Gericht: Das zuständige Sozialgericht Magdeburg schmetterte ihn ab, ebenso das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt. Vor dem Bundessozialgericht (BSG) ging die Sache Ende 2014 anders aus: Die BG habe den Mindestbeitrag zu Unrecht erhoben, nicht nur in Wagenknechts Fall. Den Betroffenen eröffnete das Gericht zugleich die Möglichkeit, zu Unrecht erhobene Mindestbeiträge zurückzufordern.

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Jahre – und der Mindestbeitrag ab 2015 doch wieder zulässig ist.

BG-Satzung war fehlerhaft

Ein Sieg für den Handwerksmeister , wenn auch mit einem aus seiner Sicht bitteren Beigeschmack. Denn das Bundessozialgericht hat den Mindestbeitrag nicht grundsätzlich verboten.

Vielmehr haben die Richter einen kleinen formalen Fehler in der bisherigen Satzung der Berufsgenossenschaft entdeckt: Dort stand nämlich, es werde „ein einheitlicher Mindestbeitrag erhoben, dessen Höhe der Vorstand festsetzt“. Doch genau das sei nicht Sache des Vorstands, sondern der Vertreterversammlung, sagen die Richter. Die Vertreterversammlung müsse den Mindestbeitrag schon selbst festlegen und dann die genaue Höhe in der Satzung veröffentlichen. (Urteil vom 4. Dezember 2014, Az. B 2 U 16/13 R)

Geld zurück – rückwirkend für vier Jahre
Also: Geld zurück für alle Jahre, in denen das nicht der Fall war. Betroffene könnten jetzt die Beiträge der letzten vier Jahre zurückfordern, „in der Regel für die Jahre 2011 bis 2014, unter Umständen auch noch für das Jahr 2010“, sagt Malte Krieg. Der Fachanwalt für Sozialrecht hat das Urteil vor dem Bundessozialgericht erstritten.

Mindestbeiträge ab 2015: 100 Euro, aber diesmal rechtssicher
Ab dem Beitragsjahr 2015 sind die Mindestbeiträge der BG Bau hingegen nicht mehr angreifbar. Sie hat ihren Fehler in der Satzung korrigiert. In der neuesten Fassung steht jetzt: „Es wird ein einheitlicher Mindestbeitrag erhoben. Er beträgt 100,00 EUR jährlich“. So hat es die Vertreterversammlung Anfang März beschlossen.

Ungerecht findet Wilfried Wagenknecht diesen nun rechtlich korrekten Mindestbeitrag immer noch. Und zahlen werde er ihn ganz bestimmt nicht: „Ich beschäftige seit 2007 keine Aushilfen mehr, weil mich das so ärgert.“ Immerhin hat er inzwischen einen neuen Bescheid der BG: insgesamt 185,04 Euro Beitragsrückerstattung für die Jahre 2003, 2004 und 2006. Und die Prozesskosten muss die BG zahlen.



(jw)

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