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Krisencheck

„Es gibt Kunden, die auf pfiffige Angebote warten“

Der erste Fall für den Berater: Einem Dachdeckermeister brechen die Aufträge weg. Das Unternehmen steht auf dem Spiel. „Am liebsten würde ich den Betrieb stilllegen“, schreibt der Unternehmer in dem hier veröffentlichten Brief. Unternehmensberater Torsten Samland hat die Situation analysiert und erste Vorschläge für den Weg aus der Krise entwickelt.

Der erste Fall für den Berater: Einem Dachdeckermeister brechen die Aufträge weg. Das Unternehmen steht auf dem Spiel. Am liebsten würde ich den Betrieb stilllegen, schreibt der Unternehmer in dem hier veröffentlichten Brief.

Unternehmensberater Torsten Samland, Geschäftsführer der Unternehmensberatung deciso Marketing ProzessBegleitung (Hannover) hat die Situation analysiert und erste Vorschläge für den Weg aus der Krise entwickelt.

Das schreibt der Unternehmer:

"Ich bin Dachdeckermeister. Meine Firma hat 5 Mitarbeiter. Wir machen den halben Umsatz mit Neubauten. Die letzten zehn Jahre war das ein gutes Geschäft für uns. Die Gemeinde hat fast 15.000 Einwohner und wächst durch den Zuzug von Städtern seit Jahren an. Für uns lief das immer ganz einfach: Im Gemeinderat war ein Architekt, mit dem wir eng zusammengearbeitet haben. Der hat praktisch für alle Ein- und Zwei-Familien-Häuser hier in der Gegend die Planung gemacht und war mit einem Partner meistens auch Bauträger.

Billigkonkurrenz schnappt Aufträge weg

Letzes Jahr ist der Architekt in Ruhestand gegangen. Seitdem haben Generalunternehmer das Geschäft übernommen, die arbeiten vor allem mit Baukolonnen aus dem Osten. Die sind billiger als wir und können auch schnell mal ein paar Leute mehr ranschaffen, wenn es viel zu tun gibt. Die Kunden sind zwar oft nicht so zufrieden mit der Arbeit, vor allem weil nicht sauber gearbeitet wird. Aber die Preise sind unschlagbar, da kommen wir bei unseren Lohnkosten einfach nicht mit.

Die Kunden werden zwar ziemlich schnell die Zeche zahlen, aber davon haben wir rein gar nichts. Wenn sie unzufrieden sind, geben sie ja dem Handwerk die Schuld, nicht dem Billiganbieter. Und weil das Geld nach so einem Neubau knapp ist, suchen sie sich für die Reparaturen dann Leute, die das schwarz machen.

Dass alle sparen, merken wir leider auch bei unseren Stammkunden. Die verschieben längst fällige Reparaturen oder probieren sich als Heimwerker.

Unser Auftragsbestand ist jedenfalls im Keller. Ich hatte sonst immer so für fast einen Monat Arbeit liegen, jetzt sind wir praktisch bei Null. Die schöne neue Energie-Einsparverordnung bringt uns leider auch nichts, weil das Geschäft noch nicht so richtig anzieht und wir nicht ein paar Jahre auf den nächsten Auftrag warten können.

Kooperation funktioniert noch nicht

Also haben wir uns mit ein paar anderen Firmen zusammengetan, um an Großaufträge heranzukommen. 2 große Aufträge sind uns weggebrochen, weil die Bauherren keine Bankkredite bekommen haben. 3 Mitarbeiter musste ich schon entlassen und am liebsten würde ich den Betrieb stilllegen."

Das empfiehlt der Berater:

1: "... Auftragsbestand im Keller"

In dieser Situation bietet sich eine sofortige Bestandsaufnahme aller nahen und fernen Auftragschancen an, um vorhandene Ressourcen gezielt einsetzen zu können.

Unsere Empfehlung: Arbeiten Sie laufende Angebote nicht spontan ab, sondern überlegen Sie sich vorher Anreize, mit denen Sie einen Kunden von einer kurzfristigen Auftragserteilung überzeugen könnten.

Fassen Sie im zweiten Schritt bei Stammkunden nach. Zur Ansprache eignen sich zum Beispiel die Themen Energie-Einsparverordnung, Inspektion, vorbeugende Wartung und Pflege, um qualifiziert in einen Dialog einzutreten.

Nutzen Sie den Kontakt zu den Stammkunden zudem für Kundenempfehlungen: Warten Sie nicht darauf, dass der Stammkunde Sie empfiehlt, sondern fragen Sie ihn: Wen können Sie mir nennen, für den so ein Angebot noch interessant sein könnte?

Betreiben Sie partnergestützte Neuakquise, das heißt unter Einbeziehung Dritter. Sprechen Sie mit Geschäftspartnern, möglicherweise auch mit Lieferanten, die über ein eigenes Marketing verfügen. Rechnen Sie nicht damit, dass ein Auftrag aus dem Hut gezogen wird', vielmehr liegen die Chancen im größeren Kreativitätspotenzial gemeinsamer Akquise-Aktionen.

2: Baukolonnen aus dem Osten

Billigkonkurrenz wird oft als naturgegeben hingenommen. Dabei bieten deren Schwächen, zum Beispiel bei der Qualität oder der Mängelbeseitigung, Ansatzpunkte für eigene Kundengespräche.

Unsere Empfehlung: Zwar sollte kein Anbieter mit den Ängsten seiner Kunden spielen, aber bei einseitiger Kostenorientierung des Kunden ist es legitim, auf mögliche Nachteile hinzuweisen. Solche Hinweise wirken stärker, wenn Sie Fallbeispiele nutzen. Dazu gibt es verschiedene Quellen, zum Beispiel Erfahrungsberichte aus Verbänden und Innungen. Wichtig ist dabei die positive Selbstdarstellung: Wie arbeiten Sie in solchen Fällen? Ehrlich ist es, zuzugeben, dass dem eigenen Betrieb auch Fehler unterlaufen, um so wichtiger ist Ihr professioneller Umgang mit Reklamationen.

3: "... sich auf den Architekten verlassen"

Neukunden zu gewinnen, ist eine der schwierigsten Marketingaufgaben. Wer sich dabei außeschließlich auf andere verlässt, macht sich sehr abhängig.

Unsere Empfehlung: Stellen Sie gezielt ein Budget zur Direktansprache von potenziellen Neukunden zur Verfügung. Investieren in ein zupackendes Direktmarketing, also ein pfiffiges Mailing oder eine auffällige Marketingaktion. Sie könnten zum Beispiel Gutscheine für eine Cabriofahrt unter dem Motto ohne Dach ist zwar auch schön, aber nur, wenn es nicht regnet einsetzen, die Sie ab einem bestimmten Auftragswert einlösen.

Trotz der allgemein schlechten Stimmung gibt es solche Kunden, die darauf warten, durch pfiffige, innovative und serviceorientierte Angebote überrascht zu werden. So wird die Energie-Einsparverordnung keinen automatischen Zulauf an Kunden bringen, kann aber für Direktmarketing-Aktionen einen fruchtbaren Boden darstellen.

4: "... mit anderen Firmen zusammengetan"

Gut funktionierende Kooperationen sind wertvoll für die beteiligten Partner, brauchen aber zeitlichen Vorlauf, um ihre volle Schlagkraft zu entwickeln. Kooperationen, die auf Großprojekte abzielen oder auf langfristige Erfolge angelegt sind, eigenen sich nur begrenzt als Kriseninstrument.

Unsere Empfehlung: Wenn Sie diese Form der Zusammenarbeit als zusätzlichen Weg aus der Krise wählen, sollten Sie darauf achten, genügend zeitliche und finanzielle Ressourcen für eigene Akquise-Ansätze zu wahren. Sonst fehlt es Ihnen am Ende trotz interessanter Kooperationsideen an der Schnelligkeit und Wendigkeit, um kurzfristig Umsätze zu erzielen.

Ein Ausblick: Marketing lohnt sich auch in der Krise

Ihr Engagement wird sich lohnen, auch wenn die Situation zur Zeit verfahren wirkt: Kunden lassen sich oft viel leichter beeinflussen, als allgemein angenommen wird. Häufig setzen sich Produkt- und Serviceinnovationen durch, die von der Anbieter- und nicht von der Nachfragerseite kommen. Folglich hemmt jedes zu festgefahrene Kundenbild eher als dass es weiterhilft.

Letztendlich erleichtert ein gelebtes Marketingkonzept auch die in solchen Situationen meist sehr schwierigen und unerfreulichen Gespräche mit der Hausbank. Denn die Hausbank kann, wenn ihr nur Zahlen vorgelegt werden, auch nur diese beurteilen. Strategie und Marketingkonzept, möglichst mit ersten Umsetzungserfolgen, bedeuten Chancen und Wettbewerbsvorteile, ein Pfund, mit dem gewuchert werden kann.

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