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Neuer Beitrag für Handwerker

Zahlen Sie bald für Touristen?

Mit einer neuen Abgabe wollen immer mehr Bundesländer ihren Kommunen neue Einnahmequellen verschaffen. Zahlen soll auch das Handwerk. Für Dachdeckermeister Matthias Fricke ist das schon Realität.

Hätte das Geld lieber investiert
Dachdecker Matthias Fricke Tourismusbeitrag

Rund 2500 Euro und ein halber Tag Arbeit. Diesen Bonus zahlt Dachdeckermeister Matthias Fricke jährlich an seine zwei Gemeinden. Eine Wahl hat Fricke nicht. Die Zusatzbeiträge sind Pflicht. „Das Geld hätte ich lieber in den Betrieb gesteckt“, sagt der Chef von 19 Mitarbeitern.

Sein Schicksal könnten dieses Jahr viele Handwerker in Niedersachsen teilen, fürchtet Michael Koch, Hauptgeschäftsführer der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen (LHN). Der Grund: Ein Gesetzesentwurf des niedersächsischen Innenministeriums zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes. Ein sogenannter Tourismusbeitrag soll es vielen Kommunen ermöglichen, Handwerker zusätzlich zur Kasse zu bitten. Er dient zur Finanzierung der touristischen Anstrengungen der Kommunen. Das wäre kein Einzelfall: In Bundesländern wie Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg gebe es diese Möglichkeit bereits, berichtet der Deutsche Tourismusverband, der sich für diese Abgabe stark macht.

Auch in Sachsen-Anhalt hat sich das Innenministerium mit dieser zusätzlichen Einnahmequelle 2015 befasst. Die Handwerkskammer Magdeburg hat sich dagegen per Resolution gewehrt. Aktuell verfolgt Sachsen-Anhalt nun keine Pläne zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes. Ob es auf die Ausweitung der Fremdenverkehrsbeiträge auch in Zukunft verzichten wird, ließ das Ministerium auf Anfrage offen.

Tourismusabgabe flächendeckend?
Zurzeit können nur Kur- und Erholungsorte diesen Beitrag von Unternehmern verlangen. Hier heißt er noch Fremdenverkehrsabgabe. Matthias Fricke zahlt sie, weil seine Dachdeckerbetriebe im Landkreis Goslar in zwei Luftkurorten liegen. 106 Gemeinden dürfen die Abgabe in Niedersachsen aktuell erheben. Freiwillig. „Etwa die Hälfte macht davon Gebrauch“, erklärt Michael Koch von der LHN.

Die Zahl könnte nun explodieren: Denn künftig sollen nach Plänen der Landesregierung schon minimale Tourismusangebote genügen, damit Gemeinden die Abgabe verlangen dürfen. Voraussetzung ist eine Sehenswürdigkeit oder ein besonderes Freizeitangebot – also zum Beispiel ein Denkmal, ein Naturpark oder ein Erholungsgebiet. „Es wird kaum eine Kommune in Niedersachsen geben, die die Voraussetzung nicht erfüllt“, sagt Koch. So fürchtet er eine beinahe flächendeckende Einführung der Tourismusabgabe. „Die Kommunen suchen zurzeit dringend neue Einnahmequellen.“

Was da auf das Handwerk zukommt, lesen Sie auf Seite 2.

Mehr Bürokram, mehr Kosten.

Ein Denkmal genügt
Möve

Die Stadt Goslar setzt sich seit Langem für den Beitrag ein. Im Sommer 2013 hat der Stadtrat die grundsätzliche Einführung der Abgabe im Stadtgebiet beschlossen. Aktuell kann sie die Abgabe nur im Stadtteil Hahnenklee einfordern. Aber Goslar will mehr. In einer Einladung zu einer Informationsveranstaltung erklärt ihr Oberbürgermeister: Beiträge sollen „von jeder selbstständig tätigen Person und von allen Unternehmen im Stadtgebiet, die durch den Tourismus direkt oder indirekt einen wirtschaftlichen Vorteil haben, erhoben werden“.

Wie stark Handwerker vom Tourismus profitieren, weiß Dachdeckermeister Matthias Fricke aus eigener Erfahrung. Er hat seinen Sitz im Luftkurort Hahnenklee. Bringt ihm das Vorteile? „Ja klar. Und morgen ist wieder Weihnachten“, sagt er. „Die Wahrheit ist: Wir haben nicht einen Auftrag mehr.“ Dafür hat Fricke mehr Papierkram.
 
Im Stadtteil Hahnenklee wird die Fremdenverkehrsabgabe nach dem Umsatz berechnet, den er vor Ort generiert hat. „Das dauert einen halben Arbeitstag, bis die Rechnungen sortiert sind“, sagt Fricke. Einfacher hat er es mit seinem Zweitbetrieb im Luftkurort Clausthal-Zellerfeld. Da wird der gesamte Umsatz des Betriebs für die Ermittlung der Abgabe herangezogen – egal ob der Dachdecker seine Umsätze über Aufträge in Clausthal, Hannover oder Braunschweig erarbeitet hat. Die Berechnung der Abgabe funktioniert hier ähnlich wie bei der Gewerbesteuer.
  
Wie eine zweite Gewerbesteuer 
Für Uwe Zinkler, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Süd-Ost-Niedersachsen, kommt der flächendeckende Tourismusbeitrag in Goslar einer zusätzlichen Gewerbesteuer gleich. „Dabei hat die Stadt Goslar die Gewerbesteuer 2013 schon erheblich angehoben“, sagt Zinkler.
 
Er kritisiert vor allem die Ungleichbehandlung, je nach Herkunft der Handwerker. „Nur der ortsansässige Betrieb zahlt. Er ist im Nachteil gegenüber Unternehmen von außerhalb, die in der Stadt Arbeiten verrichten.“ Zinkler hofft auf ein Einlenken der politisch Verantwortlichen.
 
LHN-Geschäftsführer Michael Koch hat wenig Hoffnung, dass der flächendeckende Fremdenverkehrsbeitrag in Niedersachsen noch verhindert wird. Seit drei Jahren diskutiert die Landesregierung den Beitrag bereits – einmal wurde er auch auf Drängen der Handwerkskammern gekippt. Doch nun steht der Gesetzesentwurf. Koch rechnet damit, dass das Gesetz bis April verabschiedet wird.

Berechnungsbeispiel
Die Stadt Goslar zeigt mit Hahnenklee, wie die Tourismusabgabe berechnet werden kann. Verschiedene Gewerke zahlen hier einen unterschiedlich hohen Anteil an ihrem Umsatz. Der Friseur zahlt einen höheren Anteil als der Dachdecker, der Gebäudereiniger zahlt mehr als der Friseur. Der Beitrag orientiert sich an den unterschiedliche Mindestgewinn- und Vorteilssätzen, den die Stadt für unterschiedliche Gewerke festlegt. Hinzu kommt ein Beitragssatz, der für alle gleich ist. Die Formel für die Abgabe lautet: Umsatz x Mindestgewinnsatz x Vorteilssatz x Beitragssatz. Ein Dachdecker mit 500.000 Euro Jahresumsatz zahlt demnach rund 928 Euro Fremdenverkehrsbeitrag. Ein Friseur mit gleichem Jahresumsatz zahlt 1855 Euro und eine Gebäudereinigung zahlt rund 3363 Euro. Die aktuellen Sätze sind hier tabellarisch aufgelistet.

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