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Zahlungsmoral: Die Erfahrungen der Leser
Zahlungsmoral: Die Erfahrungen der LeserZahlungsmoral: Die Erfahrungen der Leser
Das Thema Zahlungsmoral brennt vielen Handwerkern unter den Nägeln. Und daran hat auch das "Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen" nichts geändert, das zeigen die ersten Leserbriefe. Welche Taktik haben Sie entwickelt, damit der Geldfluss der Auftraggeber nicht ausbleibt? Sie erreichen uns unter redaktion@handwerk.com oder unter Telefon (0511) 85 50-24 17 (Heiner Siefken).
Das Thema Zahlungsmoral brennt vielen Handwerkern unter den Nägeln. Und daran hat auch das "Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen" nichts geändert, das zeigen die ersten Leserbriefe. Welche Taktik haben Sie entwickelt, damit der Geldfluss der Auftraggeber nicht ausbleibt? Sie erreichen uns unter redaktion@handwerk.com oder unter Telefon (0511) 85 50-24 17 (Heiner Siefken).
"Formulare, Formulare"
Der Unternehmer Udo Rostek schildert seine Erlebnisse aus der Praxis.
Nachdem ein in Kunde die Rechnung vom Dezember 2000 nicht gezahlt hatte, fragte ich beim
Amtsgericht Altenkirchen an, ob es ein Insolvenzverfahren gebe. Die Antwort: #8222;Nein, aber es liegt schon einiges vor."
Die Zentrale Mahnabteilung des Amtsgericht (AG) Mayen riet mir, Formulare im
Buchhandel besorgen. #8222;Welche?" fragte ich. Antwort: #8222;Das weiß der Buchhandel." Der Buchhandel hatte zwei verschiedene Formulare, ich habe beide gekauft und vergeblich beim
AG Mayen und AG Neuwied angefragt, welches zu verwenden sei. Danach habe ich viel Kleingedrucktes gelesen und das #8222;richtige" Formular genommen, es sorgfältigst ausgefüllt und ans AG Mayen geschickt.
Nach einem Monat kam es zurück, es sei falsch, ein gültiges Formular war beigfügt. Dies war eine dritte Version des Formulares! Hinweis vom AG Mayen: Das richtige
Formular sei durch "8 Sozialgericht" erkennbar.
Ich habe dann mit dem AG Mayen (sehr häufig) telefoniert und darauf hingewiesen, dass ich
diesen Fall auch zu veröffentlichen beabsichtige.
Rückruf vom AG Mayen: Meine pauschale Mahngebühr von 200 Mark im
Streitfalle werde nicht anerkannt, richtig seien 60 Mark, im Streitfalle hätte
ich dann anteilige Gerichtskosten zu tragen.
Ich bestand trotzdem auf 200 Mark Mahngebühr, weil es für mich den gleichen
Aufwand bedeutet, ob ich 500 Mark oder 50.000 Mark mahnen muss.
Das Gericht sieht das völlig anders.
Nach zwei Wochen bekam ich die Aufforderung die Gerichtskosten (38 Mark) zu
zahlen und dann würde das AG Mayen tätig. Ich zahlte sofort.
Irgendwie wurde das Gericht tätig, es wurde nochmals rückgefragt, ob inzwischen
gezahlt worden sei. Ich sagte #8222;nein" und kreuzte "VOLLSTRECKUNG" an.
Anfang April 2001 war plötzlich der genaue Rechnungsbetrag unserem Konto vom
Kunden gutgeschrieben worden.
Dem AG Mayen teilte ich mit, dass die Rechnung bezahlt wurde, aber weder Mahngebühren
noch Gerichtskosten - #8211; und das ist der Stand heute.
Eines hat meine Erfahrung zum wiederholten Male bestätigt:
Formulare sind das höchste Recht in Deutschland und gelten mehr als
Verfassung/Grundgesetz und BGB.
Meine Vorhaltung, dass #8222;höheres Recht niederes Recht" bricht, wurde als völlig
irrelevant zurückgewiesen.
Gerichte sind an keinerlei Zeiträume gebunden. Wenn im BGB eine 30 Tagesfrist
als Zeitmaßstab gesetzt wird, ist das für Gerichte unverbindlich oder in
keinerlei Zusammenhang zu bringen mit Bearbeitungszeiträumen von Gerichten. Im
vorliegenden Fall waren es zweieinhalb Monate und das ist für Deutsche Gerichte
enorm kurzfristig!
Beim gleichen Kunden hat eine andere Handwerksfirma ein paar Tage nach uns
weitere Arbeiten ausgeführt. Unser Kontakt zu dieser Firma ergab folgenden
Sachstand: Der Handwerker erstattete Anzeige bei der Polizei, er ist perplex, dass wir inzwischen bezahlt
wurden.
Zusammengefasst:
Durch einfaches Ausfüllen eines Formulares hatten wir nach einem angemessenen
Zeitraum unser Geld.
Kein Rechtsanwalt, kein Staatsanwalt und es lief trotzdem.
Der Fehler mit dem Formular wird uns wieder passieren, denn wir kennen erst drei
Verschiedene, und beim nächsten Mal gibt es bestimmt wieder ein neues und dann
hoffentlich wieder direkt vom Amtsgericht mit der Belehrung, wie man das richtige findet.
"Über den Verzugszins wird nur gelacht"
Dass immer weniger Rechnungen fristgerecht beglichen werden, hat Lutz Reimer festgestellt:
#8222;Seit der Einführung des neuen Gesetzes geht die Zahlungsmoral den Bach hinunter. Für meinen kleinen Handwerksbetrieb (ein Meister, ein Angestellter) war bisher der Normalfall, Rechnungen mit 14-tägiger Zahlungsfrist heraus zu schicken. Seit dem letzten Jahr werden immer weniger Rechnungen fristgerecht beglichen, der Kunde wartet seelenruhig die 30 Tage-Frist und anschließend oft noch die erste Mahnung ab. Durch dieses Gesetz werden meine Rücklagen enorm strapaziert, oft sogar völlig aufgebraucht. Über den Verzugszins von 9,26 Prozent wird bei Rechnungssummen von 1500 bis 6000 Mark nur gelacht. Man sollte die Bedürfnisse der Kleinunternehmen wesentlich mehr berücksichtigen.
"Die Erfüllungsgehilfen sind das Problem"
Der Handwerksmeister Michael Glatt ist kaufmännischer Geschäftsführer des bayerischen Familienunternehmens Elektro Wittmann, dessen 28 Mitarbeiter sich überwiegend mit #8222;größeren Elektroinstallationen im kommunalen und industriellen Hochbau" beschäftigen.
#8222;Das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen war ein erster Schritt in
die richtige Richtung. Allerdings ist unsere VOB mit 18 Werktagen und
einer Nachfrist von acht Tagen die zeitlich schnellere Variante. Unser Problem sind doch in Wirklichkeit nicht die Kunden, sondern deren Erfüllungsgehilfen wie
Architekten und Fachplaner, die eine Abschlagsrechnung, an der es laut VOB
nichts Großartiges zu prüfen gibt, erst einmal eine Woche liegen lassen, dann
zwei Wochen irgendwie prüfen und dann erst dem Bauherrn weiterreichen. Der
Bauherr beruft sich jetzt wiederum auf die VOB und zahlt, wenn alles gut
geht, innerhalb von 14 Tagen. Hat man einen guten Fachplaner, hat man in den
meisten Fällen keine Probleme mit der Bezahlung. Aber gute Fachplaner sind
selten.
Wir müssen unsere VOB radikaler durchsetzen und den
trägen Architekten und Ingenieuren Beine machen. Die VOB-Fristen sollten
vielleicht, um auch hier ein Zeichen der Zahlungsbeschleunigung zu setzen, um einige Tage verkürzt werden. Die Teilnahme an VOB-Seminaren #8211; die Innungen bieten sie viel zu selten an #8211; wird meines Erachtens nach immer wichtiger."
"Das Gesetz wird ignoriert"
Burkhard Hahn führt in Lahnstein (Rheinland-Pfalz) ein
mittelständiges Bauunternehmen mit den Schwerpunkten #8222;Hochbauarbeiten, Altbausanierung und schlüsselfertiges Bauen". Bau Hahn beschäftigt 30 Mitarbeiter:
#8222;An der Zahlungsmoral unserer Kunden hat sich nichts geändert. Das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen wird sowohl von Privatkunden als auch von Behörden und
Firmen ignoriert, so dass es wohl unumgänglich sein wird,
säumige Zahler mit Nachdruck und Gewalt dazu zu zwingen,
ihrer Zahlungspflicht nachzukommen."
"Jeder Selbstständige im Handwerk kann sich bedauern"
Dass sich die Zahlungsmoral #8222;sogar noch deutlich verschlechtert" hat, musste Max Bohr feststellen:
#8222;Das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen hat leider überhaupt nichts gebracht.
Es ist zudem dermaßen schwammig formuliert, dass der Auftraggeber trotzdem immer noch Möglichkeiten findet, nicht zu zahlen. Die netten Spielchen von Generalunternehmen, die sich darauf spezialsiert haben, Mängel zu finden, wo eigentlich keine sind, um damit die Baukosten nochmals um 10 bis 20 Prozent zu senken, sind allen Branchen hinlänglich bekannt. Diese Beträge werden ja schon im Voraus in die Finanzierung einkalkuliert.
Der Gesetzgeber schützt die Klein- und Mittelbetriebe eigentlich überhaupt nicht.
Es sieht so aus, als ob es gefördert würde, dass sie vom Markt verschwinden.
Jeder Selbstständige, der heute noch im Handwerk tätig sein muss, kann sich nur noch bedauern.
Fazit: Wir haben feststellen müssen, dass sich die Zahlungsmoral sogar noch deutlich verschlechtert hat."
Gerichtskosten bleiben beim Kläger
Dieter Scharping regt eine #8222;Inkassostelle" an:
"Die Zahlungsmoral ist nicht besser geworden, im Gegenteil.
Schlimm ist auch, dass nach einem gewonnenen Prozess
die Auftraggeber trotzdem nicht bezahlen.
Ganz schlimm ist, dass die Justiz trotz einwandfreier
kaufmännischer Verhaltensweisen des Auftragnehmers
einen langwierigen Prozess führen, auf jeden Pups des
Schuldners eingehen. So vergeht viel Zeit, die
der Schuldner für sich nutzen kann. Die Gerichtskosten
bleiben beim Kläger und Zinsen werden allenfalls
4 Prozent zugesprochen. Ich rege an, eine Inkassostelle wie
bei den Medizinern zu etablieren."
"97 Prozent der Kunden zahlen sofort"
Uli Mundle aus Sindelfingen hat sich mit seinen 25 Mitarbeitern auf Bad-Komplettrenovierungen und Solaranlagen spezialisiert. Seine Meinung zum Thema Zahlungsmoral:
#8222;Leider hat das Gesetz aus unserer Sicht vor allem für das Bauhandwerk nichts
gebracht, da die VOB hier nicht berücksichtigt wurde und diese Bestimmungen
mit dem Gesetz nicht abgestimmt sind.
Nach wie vor werden Rechnungen mit dem Hinweis auf Mängel oder
unvollständige Leistung verzögert. Weiter ist es schwierig, kurzfristig
einen Sachverständigen zu finden, der hier schnell die offenen Punkte
festhält und vermitteln kann. Von einer Beschleunigung kann nicht die Rede sein.
Allerdings (und das will ich hier deutlich festhalten): 97 Prozent der Kunden, zahlen in der Regel sofort oder nach der ersten Mahnung. Es ist nur ein geringer Prozentsatz, der mit den genannten Mitteln Zahlungen verzögert. Der Aufwand, hier zu einer Schlusszahlung zu kommen, ist so groß, dass man oft zähneknirschend auf einen Teil der Forderung verzichtet, da sonst wesentlich höhere Kosten verursacht werden."
"Kreishandwerkerschaft eingeschaltet"
Der Bonner Unternehmer Werner Welter und seine sechs Mitarbeiter sind auf die Sortimentsbuchbinderei spezialisiert:
#8222;Das neue Gesetz für die beschleunigte Zahlung hat sich auf meine Firma
negativ ausgewirkt, da bisherige #8222;Schnellzahler" ihre vierwöchige Zahlpause nun voll ausnutzen. Wie manche Kunden versuchen Geld einzusparen, zeigt ein Beispiel aus den letzten Monaten:
Nach mehreren Anrufen beim Kunden, dass sein Reparaturauftrag fertig sei und
abgeholt werden könne, kam er endlich, holte die Bücher ab und bezahlte vom
geforderten Rechnungsbetrag (cirka 400 Mark) nur 330 Mark.
Nach zweimaligem Mahnen (insgesamt waren nach der Bücherabholung vier Monate vergangen), wurde von mir die Inkassostelle der Kreishandwerkerschaft eingeschaltet, die das restliche Geld innerhalb von 14 Tagen hereinholte.
Ich denke, dass dieser Kunde nicht mit meiner Hartnäckigkeit gerechnet hatte,
welche ihn letzten Endes mehr Geld gekostet hat, da die Gebühren der Kreishandwerkerschaft jetzt
noch hinzugerechnet wurden.
Um den Anreiz zur schnelleren Überweisung des Rechnungsbetrages zu fördern,
wären Rabattstufen eine Möglichkeit:
bei sofortiger Zahlung fünf Prozent Rabatt, innerhalb von 14 Tagen drei Prozent, ab der dritten Woche gibt es keinen Abzug! Ein anderer Anreiz: die noch schnellere Bearbeitung des Folgeauftrages."
Schwierigkeiten mit Architekten und großen Baufirmen
Die Bürokratie ist einem kleinen saarländischen Handwerksbetrieb im Baubereich (11 Mitarbeiter) ein Dorn im Auge:
"Für uns hat sich bisher nichts erkennbar an der Zahlungsmoral geändert. Unsere Privatkunden mit kleinen bis mittleren Rechnungsbeträgen zahlen nach wie vor im relativ zügig und meist im Rahmen der vereinbarten Frist. Es gibt zwar auch Ausnahmen, aber erfreulicherweise bleibt es hier bei Einzelfällen.
Schwieriger ist es, wenn man mit Architekten oder als Subunternehmer mit größeren Baufirmen zu tun hat. Hier werden Rechnungen oft mit teilweise haarsträubender Argumentation gekürzt, die Rechnungsbearbeitung und damit auch die Zahlung deutlich verzögert.
Unverändert ist auch die Zahlungsmoral bei öffentlichen Auftraggebern. Die Rechnungen werden zwar meist vollständig bezahlt, aber der Zeitraum zwischen Rechnungsstellung und -zahlung ist immer noch deutlich zu groß. Wir unterstellen hier durchaus keine Absicht, aber die Bearbeitungskette ist bei Behörden einfach zu lange und umständlich."
"Nichtzahlende Kunden sind für uns tödlich"
Mit einer Art Drei-Stufen-Plan hilft Schmiedemeister Dirk Tietgen der Zahlungsmoral seiner Kunden auf die Sprünge:
"Wir sind ein kleiner Metallbaubetrieb in der Nordheide, mit zwei Gesellinnen
und zwei Auszubildenden. Nichtzahlende Kunden sind für uns tödlich. Aus
diesem Grund sind wir dazu übergegangen, folgende Maßnahmen konsequent
durchzuführen: Jeder Auftrag wird erst begonnen (Materialbestellung), wenn
eine Anzahlung in Höhe von 33 Prozent eingegangen ist. Da viele Objekte nach der
Anfertigung noch verzinkt, gebeizt oder lackiert werden, gibt es eine
Werkstattabnahme, der Kunde kann in diesem Stadium der Fertigung noch
Änderungswünsche kundtun oder zustimmen. Stimmt er zu, ist das zweite
Drittel fällig.
Bei Montage beziehungsweise Lieferung ist das letzte Drittel in bar oder
per Barscheck fällig (nur Bares bringt Wahres). Die Vorteile liegen auf der Hand:
weniger Finanzierungskosten (wovon der Kunde auch profitieren kann),
gleichmäßiger Geldfluß und kein langes Warten auf Geld. Kleinaufträge werden
entweder per Nachnahme versendet oder nur gegen Bares ausgeliefert.
Privatkunden reagieren darauf sehr positiv, besonders auf den Teil mit der
Werkstattabnahme. Firmen wie Baubüros haben da manchmal ihre
Schwierigkeiten, aber das lässt sich meist durch ein Gespräch beheben. Will
ein Kunde sich nicht darauf einlassen, kann man auch getrost auf ihn
verzichten. Auch bei alten Kunden lässt sich diese Änderung gut durchsetzen,
denn eine gute Zusammenarbeit wird man deswegen kaum aufkündigen. Für diese
praktischen Maßnahmen braucht man erstens keine Gesetzesänderung und
zweitens keine Kettensäge."