Auf einen Blick:
- Im Projekt Conweardi arbeiten Forschung, Industrie und Handwerk an der digitalen Baustellenrevolution.
- Ein zentraler Punkt des Projekts sind Wearables, tragbare Computer wie Smart Glasses und Smart Watches, die ihre Träger unterstützen und bestimmte Bereiche kontrollieren können.
- Handwerksmeister Frank Oswald hat einige der Tools bereits mit seinem Team getestet. Und findet manche Entwicklung ziemlich hilfreich.
- Die digitale Baustelle wird das Handwerk aber auch herausfordern. Ziel ist letztlich eine umfassende Echtzeitkontrolle zur Fernsteuerung der Baustellenprozesse.
Dieser Artikel wurde am 03.09.2018 aktualisiert.
Die Prozesse der Bauunternehmen werden immer digitaler, die Planung von Bauprojekten zieht langsam nach. Die Bauausführung aber ist in Sachen Digitalisierung noch eine offene Flanke der Branche. „Die konkrete wertschöpfende Arbeit auf der Baustelle wird weiterhin von analogen Medien und Prozessen dominiert“, schreiben die Projektverantwortlichen von Conweardi. Ihre Aufgabe ist es, das zu ändern: Conweardi steht für „Construction Wearables Digitization“ und hat das Ziel Baustellen, zum Beispiel unter Einsatz von Sensorik und tragbaren Computern, zu digitalisieren. Das Internet der Dinge erreicht die Baustelle.
Handwerker testen die Entwicklungen
Initiator und Leiter des Projekts ist das E-Business-Kompetenzzentrum für Planen und Bauen. Conweardi verbindet Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer Institut mit Partnern der Bauindustrie, dem Handwerkssoftwareunternehmen Winworker und Handwerksbetriebe verschiedener Gewerke. Einer der Handwerks-Partner ist die Adam Oswald GmbH aus dem hessischen Rheingau. Malermeister Frank Oswald und seine Mitarbeiter sollen die Conweardi-Entwicklungen im Handwerkeralltag testen. Einige nützliche Innovationen hatte der Unternehmer dabei schon in den Händen.
Ein Beispiel stammt aus dem Conweardi-Vorgängerprojekt Smartwerk. Hier wurde ein Helm konstruiert, der unter anderem Thermografieaufnahmen macht sowie Luftfeuchtigkeit und Raumtemperatur misst. Eine weitere Funktion hat es Frank Oswald besonders angetan: die eingebauten Laserabstands- und Bewegungssensoren. „Man macht ganz normal seine Baustellenbegehung und der Helm misst währenddessen den Einsatzort aus“, sagt Oswald. So entsteht ganz beiläufig ein dreidimensionaler Grundriss, aus dem sich etwa die benötigten Mengenangaben zum Streichen der Wände ableiten lassen. „Das steckt noch in den Kinderschuhen, ist für das Aufmaß aber sehr hilfreich“, sagt Oswald.
Wearables erkennen Arbeiten und Belastung
Auch bekannte Wearables sollen im Rahmen des Projektes für den Baustelleneinsatz weiterentwickelt werden. Darunter mit diverser Sensorik ausgestattete Smartwatches für das Handgelenk. Die können beispielsweise erkennen, was für ein Baustellengerät gerade verwendet wird. Peter Hevesi, Forscher beim Conweardi-Projektpartner Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, sieht darin zum Beispiel Vorteile für den Arbeitsschutz: „Die Uhr kann die Arbeitszeit mit stark vibrierenden Geräten messen und Alarm schlagen, wenn die gesundheitlich unbedenkliche Nutzungszeit überschritten wird“, erklärt Hevesi.
Controlling durch Messdaten
Frank Oswald sieht darüber hinaus auch betriebswirtschaftliche Einsatzmöglichkeiten so einer schlauen Uhr. Etwa zur besseren Kalkulation seiner Angebote. Für ein realistisches Angebot muss Oswald wissen, wie lange sein Team voraussichtlich zum Druckstrahlen der Fläche oder zum Streichen einer Fassade braucht. „Diese Werte kann ich schätzen, aber ich kenne sie nicht wirklich“, sagt Oswald. Zwar erfassen seine Mitarbeiter die Zeiten für die Verrichtung einzelner Tätigkeiten, aber das ist zum einen bürokratischer Mehraufwand für das Team, zum anderen mit Ungenauigkeiten behaftet. „Die Uhr könnte die Tätigkeiten automatisch erkennen und die Zeiten vom Streichen, Hämmern und anderen Arbeiten erfassen“, sagt der Unternehmer.
Doch lassen sich die Mitarbeiter solche Überwachungsmaßnahmen gefallen? „Wenn man sie damit überfällt, wird es natürlich schwierig“, sagt Oswald. „Aber wir erklären ganz transparent, wozu solche Datenerfassung dient, gehen offen damit um und dann ist das gar kein Problem.“ Und die Mitarbeiter hätten Spaß daran, die neuen Baustellenspielzeuge auszuprobieren.
Hololens: Erweiterte Realität erreicht die Baustelle
Beeindruckt haben Frank Oswald auch die Einsatzmöglichkeiten der Microsoft Hololens auf der Baustelle. Die Mixed-Reality-Brille des Softwareriesen scannt Räume und Einrichtung und erzeugt eine Art dreidimensionale Karte ihrer Umgebung. Die kann der Mensch nutzen, um virtuell Hinweise zu platzieren: So lässt sich an einer gefährlichen Stelle beispielsweise der Hinweis zu einer fehlenden Absturzsicherung hinterlegen. Passiert nun jemand mit der Hololens den kritischen Ort, wird ihm der Hinweis automatisch angezeigt. „Man kann wichtige Punkte auch selbst markieren“, berichtet Frank Oswald. Anwendungsbeispiel: Der Meterriss kennzeichnet im Rohbau die Oberkante des späteren Fußbodens und wird als Referenzhöhe zur einheitlichen Installation von Türen, Elektro- oder Sanitärinstallation benötigt. Problem: Er ist selten gut sichtbar. „Jeder sucht den Meterriss“, sagt Frank Oswald. „Die Hololens kann helfen, ihn problemlos zu finden.“
Digitalisierungsziel: ferngesteuerte Bauprozesse
Bei diesen hilfreichen Baustellen-Gadgets endet das Conweardi-Projekt aber nicht. Über Sensornetzwerke soll letztlich der Zustand der Baustelle in Echtzeit überwacht werden. Dokumentation inklusive. Selbst ein Tracking der Baustellenfahrzeuge zur Optimierung ihrer Routen sowie Be- und Entladezeiten zählt zu den Forschungsinhalten. Ziel: Wenn alle Prozesse in Echtzeit erfasst werden, kann eine Baustelle per Fernmanagement überwacht und gesteuert werden. Damit verändert sich auch die Arbeit für Handwerker. „Ich glaube da kommen sehr große Veränderungen auf uns zu“, sagt Frank Oswald. Er sieht darin Vorteile für Unternehmen bei großen wie bei kleinen Projekten, denn die Digitalisierung der Baustelle erlaube standardisierte, schlanke Abläufe. So erfordere etwa die Steuerung von 20 kleinen Baustellen viel Organisation. „Nur wenn die stimmt, kann ich Qualität, Termintreue und damit unsere Wirtschaftlichkeit garantieren“, sagt der Unternehmer.
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