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Diesel-Finale: Handwerker kämpft vor Bundesgerichtshof

Handwerksmeister Harald Götze zieht in der VW-Dieselaffäre vor Deutschlands höchstes Gericht. Hat er Erfolg, könnte das auch anderen Betroffenen helfen.

Auf einen Blick:

  • Handwerksmeister Harald Götze hat in der VW-Dieselaffäre den Bundesgerichtshof (BGH) erreicht.
  • Zweieinhalb Jahre hat sein Weg bisher gedauert: Götze forderte Nachbesserung des Mangels beim Autohändler, erklärte dann seinen Rücktritt vom Kaufvertrag. Nun soll der BGH klären, ob er einen Rücktrittsanspruch hat.
  • Götzes Anwalt erwartet zudem, dass der Bundesgerichtshof in dem Verfahren zentrale Streitfragen der VW-Dieselaffäre klären wird.
  • Ein Urteil zugunsten des Handwerkers hätte somit Einfluss auf laufende Klagen anderer VW-Kunden.

Harald Götze will sein Geld zurück. Seit zweieinhalb Jahren streitet der Handwerksmeister darum vor verschiedenen Gerichten. Jetzt liegt seine Klage beim Bundesgerichtshof. Eine Entscheidung zu seinen Gunsten könnte nicht nur ihm helfen, sondern auch anderen Geschädigten in der sogenannten VW-Abgasaffäre.

Worum geht es in dem Rechtsstreit?

2014 hat der Stuttgarter Handwerker für sein Unternehmen einen VW Tiguan 2.0 TDI gekauft. Der Wagen ist eines jener Dieselfahrzeuge, die werkseitig mit einer unzulässigen Manipulationssoftware ausgestattet wurden und daher im Straßenverkehr mehr Stickstoffoxide ausstoßen als zulässig. Das hält Götze für einen Mangel. Vom Autohändler verlangte der Handwerker die Beseitigung des Mangels und setzte dem Händler eine zweiwöchige Frist – die dieser verstreichen ließ und stattdessen auf ein von VW geplantes Software-Update verwies. Darauf wollte sich Götze nicht einlassen. Er hielt es für fraglich, ob das Update den Mangel beseitigen würde. Stattdessen trat er im April 2016 vom Kaufvertrag zurück, forderte die Erstattung des Kaufpreises. Dafür kämpft er seitdem vor Gericht. „Ohne meine Rechtsschutzversicherung, die die Kosten bisher übernommen hat, wäre das alles nicht möglich gewesen“, sagt Götze.

OLG bestätigt Mangel-Vorwurf

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg stellte schließlich fest: „Die Verwendung einer unzulässigen Abschaltsoftware, die dazu führt, dass die Stickoxidwerte eines Fahrzeugmotors im realen Fahrbetrieb gegenüber dem Prüfstandlauf (NEFZ) verschlechtert werden, ist als Sachmangel anzusehen.“ Es handle sich bei der Abschalteinrichtung zudem um einen erheblichen Mangel, da er zur Entziehung der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs führen kann. Volkswagen sieht das anders: Die Kunden hätten keine Schäden erlitten.

Von Bedeutung ist die Schwere eines Mangels. Nur ein erheblicher Mangel erlaubt einen Rücktritt vom Kaufvertrag. Das sah das OLG Nürnberg als gegeben an. Die Nachbesserungsfrist jedoch, die Harald Götze dem Autohaus gelassen hat, hielt das Gericht nicht für angemessen: Knapp acht Wochen vergingen zwischen seiner Aufforderung zur Nachbesserung beim Autohaus und dem Zeitpunkt zu dem die Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrags beim Autohändler eingegangen war. Laut dem Oberlandesgericht war das zu kurz. Götze verlor. Doch das Urteil wurde zur Revision zugelassen.

Drei Klagen liegen beim Bundesgerichtshof

Nun liegt die Autohaus-Klage beim Bundesgerichtshof. Es ist eine von drei Klagen, die im Zuge des VW-Abgasskandals inzwischen beim obersten Gericht der Bundesrepublik anhängig ist. Die Hürden dafür sind hoch: „Oft lassen die Oberlandesgerichte keine Revision vor dem Bundesgerichtshof zu“, erklärt Rechtsanwalt Andreas Sautter, der Götze gegen das VW-Autohaus vertritt.

Obwohl die BGH-Klage von Harald Götze nicht gegen VW geführt wird, habe die Entscheidung der obersten Richter laut Einschätzung von Rechtsanwalt Andreas Sautter Auswirkungen auf andere VW-Kunden. Denn zur Beurteilung des Falls werde der BGH auch grundsätzliche Fragen höchstrichterlich klären müssen. Das wären zum Beispiel:

  • Handelt es sich bei der Manipulationssoftware um einen Mangel der Fahrzeuge?
  • Wie viel Zeit muss ein Kunde Volkswagen oder seinen Händlern tatsächlich zur Beseitigung des Mangels geben?

Unabhängig von Götzes Fall setzt auch Volkswagen eine gewisse Erwartung an ein BGH-Urteil. Der Konzern erwarte „mehr Klarheit darüber, ob Kunden in ganz bestimmten Fallkonstellationen Ansprüche aufgrund der Diesel-Thematik haben.“ Insgesamt sind oder waren 22.600 Verfahren im Zuge des VW-Abgasskandals anhängig, erklärt Volkswagen gegenüber handwerk.com.

Welche Tragweite hat das BGH Urteil?

Welche Auswirkungen hätte eine Entscheidung zu Gunsten von Harald Götze? Rechtsanwalt Sautter sieht in diesem Szenario große Vorteile für andere VW-Kunden: Entscheide der BGH, dass es sich beim manipulierten Diesel um einen erheblichen Mangel handelt und dass wenige Wochen Nachbesserungsfrist ausreichen, dann „können andere Landgerichte nicht an diesem Urteil vorbei entscheiden.“ Zumindest Kläger mit ähnlichen Fällen wie dem des Handwerkers – Nachbesserung verlangt, Klage auf Rücktritt vom Kaufvertrag, bisher keine Umsetzung des Software-Updates – dürften somit direkt vom BGH-Urteil profitieren.

Wer seinen Wagen bereits hat umrüsten lassen, dem könnte so ein Urteil nach Einschätzung des Anwalts den Rechtsweg für Schadenersatzforderungen ebnen: Sieht auch der BGH in der Manipulation einen wesentlichen Mangel, dann könnten andere Betroffene in einem nächsten Schritt klären lassen, ob dieser Mangel durch das Update adäquat beseitigt wurde.

Volkswagen zeigt sich von der Wirksamkeit des Updates überzeugt: „Den Kunden entstehen keine Nachteile durch die technischen Maßnahmen“, teilt der Konzern mit. „Lediglich bei einigen Promille aller umgerüsteten Fahrzeuge kommt es nach dem Software-Update zu Beanstandungen, wobei nicht nachgewiesen werden konnte, dass diese in einem Zusammenhang mit den technischen Maßnahmen stehen.“

Wann ist ein Urteil realistisch?

Für Handwerker Harald Götze gilt es nun, noch bis zum Urteil des BGH durchzuhalten. Das erfordert noch etwas Ausdauer. Persönliche Einschätzung seines Anwalts: Vor Ende des ersten Quartals 2019 werde das Urteil nicht fallen. Macht Volkswagen dem Handwerker in der Zeit ein Angebot – zum Beispiel eine volle Kaufpreiserstattung oder den Tausch gegen einen Neuwagen seiner Wahl – und Götze schlägt ein, wäre das Verfahren am Bundesgerichtshof nichtig. „Die vielen privaten Zuschriften in den letzten Tagen sind für mich ein Ansporn durchzuhalten“, sagt der Unternehmer. Sein persönlicher Ärger über Volkswagen tut das Übrige. „Wenn ich als Handwerksmeister so mit meinen Kunden umgehen würde, hätte ich keine mehr.“

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