- Ein kleiner Handwerksbetrieb erhöht die Preise und stellt fest: Es macht keinen Unterschied, die Kunden kommen und bleiben, auch wenn sie mehr zahlen müssen.
- Erhöht hat André Kirchhoff die Stundenverrechnungssätze und Materialaufschläge schon vor der Corona-Krise. Davon profitiert auch sein Team.
- Leicht gemacht hatte sich der Handwerksmeister die Entscheidung jedoch nicht.
Ich zerbreche mir nicht mehr den Kopf darüber, was ein Kunde ausgeben möchte“, sagt André Kirchhoff, „man unterschätzt die Zahlungsbereitschaft von Kunden und bremst sich damit unnötig selbst aus.“ Selbstbewusst klingt der Schreinermeister aus dem hessischen Örtchen Malsfeld bei diesem Satz. Den kleinen Familienbetrieb mit vier Gesellen, einer Auszubildenden und einer Sekretärin führt er seit 2011 in sechster Generation. Doch das Selbstbewusstsein für Preiserhöhungen musste sich der 42-Jährige erst erarbeiten
Schritt 1: Alte Glaubenssätze ablegen
Wie lange haben Sie sich den Kopf zerbrochen, bevor Sie Ihre Preise erhöht haben, Herr Kirchhoff?
Kirchhoff: Das hat sehr lange gedauert. Aber den Gedanke, dass wir als Tischlerei höherer Preise nehmen müssten, den hatte ich schon viel früher. Arbeit hatte unser Familienbetrieb immer genug, aber es war irgendwie nie Geld auf dem Konto, es blieb nichts übrig. Preiserhöhungen hätten geholfen, aber die kamen nicht infrage, aus Sorge, dass dann die Kunden wegblieben. „Das war schon immer so und das wird sich auch nicht ändern“ waren typische Glaubenssätze in meiner Familie. Diese Glaubenssätze abzulegen, das war harte Arbeit für mich.
Und wie haben Sie es geschafft, sich zu Preiserhöhungen durchzuringen?
Kirchhoff: Dazu gehört Selbstbewusstsein und das kam nicht von alleine. Mir war schon lange klar, dass es so wie bisher nicht funktionieren kann. Ich habe ja gesehen, was dabei herauskommt, als mein Vater vor 18 Jahren plötzlich Mitarbeiter entlassen und mit Gläubigern am Runden Tisch verhandeln musste. Ich habe dann Seminare und Fortbildungen besucht. Und ich habe von Kollegen gelernt, die ihre Preise erhöht hatten, ohne Kunden und Aufträge zu verlieren. Dann habe ich kalkuliert, was ich brauche. Wenn man dann merkt, dass es funktioniert, dann lässt man auch nicht mehr los.
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Schritt 2: Stundensätze und Materialaufschläge erhöhen
Wann haben Sie die Preise erhöht – und um wie viel?
Kirchhoff: Das war vor zwei Jahren. Da haben wir den Stundenverrechnungssatz um rund 8 Prozent erhöht und die Materialaufschläge um gut 10 bis 20 Prozent, abhängig vom Einkaufspreis. Die Materialaufschläge sind für uns sehr wichtig, da wir viel mit halbfertigem Material arbeiten. In lohnintensiveren Betrieben muss man das sicherlich anders kalkulieren.
Haben Sie experimentiert und erst einmal ausprobiert, zum Beispiel wie Neukunden reagieren?
Kirchhoff: Nein, da haben wir keinen Unterschied gemacht. Man kann die Preise nicht nur bei einem Teil der Kunden erhöhen und die anderen lassen, wie sie sind. Ich wusste ja, wie viel ich brauche, damit es uns gut geht. Und als ich soweit war, habe ich den Schalter umgelegt.
Wie viel brauchen Sie denn, wie haben Sie die Preisehöhungen kalkuliert?
Kirchhoff: Ich brauche so viel, dass es uns allen gut geht – den Mitarbeitern und dem Unternehmen. Ich muss Rücklagen für Investitionen bilden, nicht nur für den notwendigen Ersatz, sondern auch für Anschaffungen, die uns nach vorne bringen und neue Möglichkeiten eröffnen. Aber hauptsächlich meine ich die Mitarbeiter. Ich bezahle gut, die Mitarbeiter haben bei uns weit mehr als den normalen Stundenlohn. Und von der Erhöhung des Stundensatzes habe ich auch gleich die Hälfte an sie weitergegeben.
Kunden interessieren sich für gute Arbeit, nicht für Preise
Wie haben die Kunden reagiert?
Kirchhoff: Die hat das nicht interessiert. Die Materialkosten werden so akzeptiert. Und die Personalkosten fallen nicht so stark ins Gewicht. Wenn wir an einem größeren Auftrag mit zwei Leuten eine Woche arbeiten, geht es bei den Stundensätzen um einen kleineren dreistelligen Betrag. Für mich ist das schon viel Geld. Aber für die Kunden macht das keinen Unterschied.
Also sind Preiserhöhungen eigentlich überhaupt kein Problem, man muss es einfach nur tun?
Kirchhoff: So einfach ist es nicht. Die Kunden kommen ja nicht zu uns, weil sie keinen anderen gefunden haben, sondern weil sie von uns gehört haben und wir uns entsprechend präsentieren. Man muss sich auf seine Kunden einstellen und sich ein Image aufbauen.
Als erstes müssen die Basics stimmen, also grundlegend gute Arbeit, Termintreue, Freundlichkeit, Sauberkeit – beim Chef und im Team. Und man muss heute mehr für die Kunden tun als früher: Der Aufwand für Beratung und Angebote ist größer, man muss immer erreichbar sein und ein Netzwerk an anderen Gewerken in der Hinterhand haben. Dieses Image muss man nach außen gut darstellen, im Internet, auf den Autos, in der Arbeitskleidung. Ganz wichtig war für mich auch die Eröffnung unseres Studios: Da sehen die Kunden, was sie bekommen, wenn ich Ihnen das Angebot in der Ausstellung überreiche.
Keine Angst vor der Zukunft
Bei hoher Auslastung sind Preiserhöhungen leichter durchzusetzen. Fürchten Sie nicht, dass Sie mit den Preisen irgendwann wieder runter müssen?
Kirchhoff: Ich weiß, dass sich die ersten Kollegen schon Sorgen machen, wie es nach der Corona-Pandemie weitergeht, dass dann nicht mehr alle Arbeit haben und die Preise sinken. Davor habe ich keine Angst. Wir haben uns schon vorher über viele Jahre etwas aufgebaut, das nimmt uns so schnell keiner weg. Die Preise haben wir deutlich vor Corona erhöht und die Kunden werden auch danach weiter zu uns kommen.
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