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Inhaltsverzeichnis

Einkommensvergleich

Lohnt sich die Selbstständigkeit?

Was ist dran an dem Gerücht, dass sich Selbstständigkeit nicht lohnt? Ernüchternde Erkenntnis eines Forschers: Ein Gerücht ist es nicht – aber auch nicht die ganze Wahrheit.

Auf einen Blick:

  • Wer verdient mehr - Selbstständige oder Angestellte? Diese Frage hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung versucht mithilfe einer breit angelegten Studie zu beantworten.
  • Eine wichtige Erkenntnis: Selbsstständigkeit lohnt sich schon - es kommt darauf an, was man daraus macht und wie risikobereit man ist, erklärt einer der Autoren der Studie.
  • Was wenig überrascht: Unternehmer, die Mitarbeiter beschäftigen, verdienen mehr als Solo-Selbstständige.
  • Doch es gibt auch andere Faktoren, von denen das Einkommen abhängt.

"Verdienen Selbstständige tatsächlich weniger als Angestellte?" lautet der vielsagende Titel eines Berichts, den das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) jüngst veröffentlicht hat. „Wir hatten den Eindruck, dass in der Öffentlichkeit zurzeit die Meinung vorherrscht, dass sich Selbstständigkeit nicht lohnt“, begründet Prof. Alexander Kritikos die Wahl der Überschrift. Kritikos leitet am DIW Berlin die Forschungsgruppe Entrepreneurship. Für den Bericht haben er und seine beiden Mitautoren die Angaben von rund 27.000 Selbstständigen und 235.000 Beschäftigten aus dem Jahr 2009 ausgewertet und miteinander verglichen.

Die Daten stammen aus einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes namens Mikrozensus. Der Wirtschaftsprofessor geht davon aus, dass sich die Verteilung der Einkünfte seither kaum verändert hat. Bestenfalls hat sich ihm zufolge das Einkommensniveau bei allen Erwerbsformen (Solo-Selbstständige, Unternehmer mit eigenen Mitarbeitern und Angestellten) etwas nach oben verschoben. Im Interview erläutert er, wie es um die Einkommen der Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland steht. Hier die wichtigsten Aussagen:

Wer verdient mehr: Selbstständige oder Angestellte?

Ob Solounternehmer, Arbeitgeber oder Angestellter: Sie finden sich in allen Einkommensgruppen, ganz an der Spitze und auch ganz weit unten. Doch es gibt einen Trend: Wer Mitarbeiter hat, verdient wahrscheinlich mehr als ein Angestellter, wer Einzelkämpfer ist, wahrscheinlich weniger.

Um die zehn Euro verdient ein Angestellter mit mittlerem Einkommen pro Stunde. Fasst man alle Selbstständigen zusammen, dann kommen sie auf einen in etwa gleichen Wert. Allerdings fällt dieser Stundenlohn bei Selbständigen mit eigenen Mitarbeitern höher aus (+ 22 %), bei Solounternehmern niedriger (-6 %).

Im Vergleich zu Angestellten haben Selbständige am unteren Ende der Einkommensverteilung geringere Einkünfte. Hier verdienen 60 Prozent aller Solo-Selbstständigen und 10 Prozent aller Chefs weniger pro Stunde als Angestellte. Am oberen Ende verdienen sie hingegen deutlich mehr.

Wovon hängt das Unternehmereinkommen ab?

Die Höhe des Unternehmereinkommens hängt wesentlich von Ausbildung, beruflicher Erfahrung und Persönlichkeit ab. Hinzu kommt ein Vorteil, den Chefs gegenüber Solounternehmern haben: Wer nicht alles selbst machen muss und spezialisierte Mitarbeiter einsetzen kann, wird produktiver sein.

Sie möchten es genauer wissen? Dann lesen Sie das folgende Interview mit Prof. Alexander Kritikos, Leiter der Forschungsgruppe Entrepreneurship am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin.

Was ist das Ergebnis Ihrer Studie? Verdienen Selbstständige mehr oder weniger als Angestellte?

Alexander Kritikos: Das hängt zunächst von der Art der Selbstständigkeit ab. Wir haben in der Studie zwischen Solo-Selbstständigen und Selbstständigen mit eigenen Mitarbeitern unterschieden.

Unsere Schätzungen zeigen, dass es für Unternehmer mit eigenen Mitarbeitern sehr wahrscheinlich ist, mehr zu verdienen als die abhängig Beschäftigten. Für Solo-Unternehmer ist das hingegen weniger wahrscheinlich.

Dazu ein Beispiel: Rund 18 Prozent der Solo-Selbstständigen nahmen 2009 fünf Euro netto und weniger pro Stunde ein. Bei den Angestellten waren es hingegen zehn Prozent.

Und wer verdient dabei wie viel?

Alexander Kritikos: Beim Vergleich der Einkommen pro Arbeitsstunde fällt zunächst auf, dass Solo-Selbstständige im Durchschnitt knapp drei Euro pro Stunde mehr verdienen als abhängig Beschäftigte. Bei den Selbstständigen mit Beschäftigten sind es etwa sechs Euro mehr.

Ein Vergleich mit den mittleren Einkommen – den sogenannten Median-Einkommen – verdeutlicht aber, wie sehr die Durchschnittswerte durch die Einkommen der Top-Verdiener beeinflusst sind. [Zur Erläuterung: Das Median-Einkommen beschreibt dasjenige Einkommen, bei dem 50 Prozent der Erwerbspersonen weniger und 50 Prozent mehr als den angegebenen Medianwert verdienen.]

Der Median-Selbstständige verdient in etwa den gleichen Nettostundenlohn wie der Median-Angestellte, nämlich um die zehn Euro. Das Median-Einkommen pro Stunde von Selbstständigen mit eigenen Mitarbeitern liegt allerdings um 22 Prozent höher als das der abhängig Beschäftigten. Demgegenüber fällt es in der Gruppe der Solo-Selbstständigen um sechs Prozent geringer aus als bei den Angestellten.

Wer Mitarbeiter beschäftigt, verdient mehr

Wie erklären Sie sich den höheren Verdienst von Selbstständigen, die Mitarbeiter beschäftigen?

Alexander Kritikos: Eine naheliegende Erklärung ist, dass Selbstständige, die Mitarbeiter einstellen, insgesamt risikobereiter und deshalb auch erfolgreicher sind. Außerdem sind sie im Vorteil, weil sie im Unterschied zum Einzel-Selbstständigen nicht alles allein machen. Sie haben spezialisierte Leute, die bestimmte Aufgaben produktiver und effizienter erledigen können.

Ein Fliesenleger kann als Solo-Unternehmer nicht dieselben Spezialisierungsvorteile für sich herausschlagen wie einer, der einen Einkäufer hat, drei gute Fliesenleger und einen Organisator. Der Selbstständige muss seinen Angestellten nur den Marktlohn zahlen und kann den Ertrag der Spezialisierung für sich verbuchen.

Wie sind die Einkommen jeweils verteilt?

Alexander Kritikos: Im Vergleich zu den abhängig Beschäftigten müssen Selbstständige am unteren Ende der Einkommensverteilung relativ geringe Einkommen in Kauf nehmen. Am oberen Ende verdienen sie hingegen deutlich mehr.

Die untersten zehn Prozent der Selbstständigen mit Beschäftigten bekommen einen niedrigeren Stundensatz als die Angestellten. Die übrigen 90 Prozent verdienen hingegen mehr. Bei den Solo-Selbstständigen haben hingegen nur 40 Prozent einen höheren Stundensatz zu verzeichnen.

Wie genau sieht es in den unteren Einkommenskategorien aus?

Alexander Kritikos: Rund 18 Prozent der Solo-Selbstständigen, aber auch etwa zehn Prozent der Selbstständigen mit Beschäftigten nehmen nicht mehr als fünf Euro netto pro Stunde ein. Bei den abhängig Beschäftigten sind es ebenfalls zehn Prozent. Die Stundensätze der 42.000 Selbstständigen mit den geringsten Einkommen liegen sogar nur im Cent-Bereich.

Diese Zahlen sollten aber vorsichtig interpretiert werden, weil sie lediglich eine Momentaufnahme und keine fortlaufende Beobachtung darstellen. Viele Selbstständige fahren gerade in der Anfangsphase erst einmal Verluste ein, andere beenden gerade deshalb ihre Selbstständigkeit, weil sie eben kaum Erträge erzielen.

Selbstsständigkeit kann sich lohnen

Welche Faktoren beeinflussen die Einkommen der Selbstständigen?

Alexander Kritikos: Besonders wichtige Faktoren sind Ausbildung, berufliche Erfahrung und Persönlichkeit. Je höher die Ausbildung, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man als Selbstständiger mehr verdient.

Handwerksmeister erwirtschaften dabei ähnlich hohe Einkünfte wie Selbstständige mit einer akademischen Ausbildung ­ es gibt da nur ein kleines Gefälle.

Wichtig ist auch, dass man schon vorher in der jeweiligen Branche Erfahrungen gesammelt hat, also kein Branchenwechsler ist. Bei der Persönlichkeit spielt unter anderem die Risikobereitschaft eine wesentliche Rolle.

Was ist das Fazit Ihrer Studie? Lohnt sich Selbstständigkeit überhaupt?

Alexander Kritikos: Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass sich Selbstständigkeit durchaus lohnen kann. Um herauszufinden, ob einem das Unternehmertum liegt, muss man es eben ausprobieren.

Die größte Hürde dafür ist in Deutschland die Bürokratie. Hierzulande ist eine Firmengründung immer noch wesentlich komplizierter als in anderen Ländern, und das muss anders werden. In Singapur zum Beispiel kann man online innerhalb von einer Stunde seinen Betrieb anmelden.

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