Auf einen Blick:
- Weil an der Berufsschule mehr als ein Drittel des Fachunterrichts ausfiel, bildet Tischlermeister Danny Perkampus zum ersten Mal seit 14 Jahren nicht mehr aus.
- Ohne das theoretische Wissen aus der Schule könne er die Qualität der Ausbildung nicht garantieren.
- Die Handwerkammer befürchtet eine weitere Verschärfung der Situation, weil in den kommenden Jahren viele Lehrer in Rente gehen. Von einem detaillierten Berufsschulkonzept sei nur wenig umgesetzt worden.
Es ist das erste Mal, seit sich Tischlermeister Danny Perkampus vor 14 Jahren selbstständig machte: Zum 1. August hat kein neuer Azubi in seiner Halberstädter Werkstatt angefangen. Nicht, weil Perkampus niemanden gefunden hätte, nicht wegen der Corona-Krise, sondern weil der Tischlermeister frustriert über die Qualität der Berufsschule ist. „Von 580 erforderlichen Fachstunden sind in den vergangenen drei Jahren wegen Lehrermangel 193 ausgefallen“, so Perkampus. In weiteren Stunden seien andere Inhalten unterrichtet worden. „Wie sollen die Azubis dann das nötige theoretische Wissen erwerben?“
Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, aber im Ausbildungsvertrag verpflichte er sich, für die praktische und theoretische Ausbildung zu sorgen, sagt der Tischlermeister. „So wie es seit Jahren an der Berufsschule läuft, kann ich das mit meinem Anspruch an die Qualität der Ausbildung nicht vereinbaren.“
Hinzu kommen weitere Probleme: Wegen des Lehrermangel würden Klassen zusammengelegt, etwa Tischler und Holzmechaniker, die unterschiedliche Lerninhalte hätten. Die Ausstattung der Schulen sei zudem veraltet, kritisiert Perkampus. „Wir zeichnen im Betrieb digital – in der Berufsschule gibt es viel zu wenig Rechner zum Üben.“ So könne die Ausbildung nicht attraktiv für kreative junge Leute sein, die im Tischlerhandwerk gebraucht würden. Lange habe man sich um Lösungen bemüht, zum Beispiel die Zusammenlegung der Standorte vorgeschlagen, aber ohne Erfolg.
Handwerkskammer befürchtet künftig noch mehr Unterrichtsausfall
In der Handwerkskammer Magdeburg kennt man die Probleme. „Es ist tatsächlich Unterricht in erheblichem Umfang ausgefallen“, bestätigt Hauptgeschäftsführer Burghard Gruppe. Das betreffe nicht nur die Tischler in Halberstadt, sondern auch andere Gewerke und viele Berufsschulstandorte. „Unter den Ausfällen leidet die Qualität der Ausbildung. Angesichts der Überalterung der Lehrer befürchten wir, dass das in Zukunft noch schlimmer wird.“ Seit geraumer Zeit fordere die Handwerkskammer Maßnahmen zur Sicherung der Unterrichtsversorgung. etwa die Bildung von Schwerpunkten an einigen Standorten. Von einer detaillierten Standortanalyse, die vor zwei Jahren mit konkreten Vorschlägen erstellt wurde, sei aber von der Politik bislang nur ein kleiner Teil umgesetzt worden, kritisiert Gruppe.
Auch in Niedersachsen ist Unterrichtsausfall an der Berufsschule ein Thema
Im benachbarten Niedersachsen ist die Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen (LHN) ebenfalls nicht glücklich mit der Situation an den Berufsschulen: Landesweit lag die Unterrichtsversorgung im Schuljahr 2018/19 zwar bei 90,7 Prozent, aber damit immer noch „längst nicht auf dem Niveau, das wir uns wünschen“, sagt Tobias Roeder, Referent für Recht und Bildung bei der LHN. „Es ist daher aus unserer Sicht wichtig, den Lehrerberuf in Niedersachsen – auch im Vergleich zu anderen Bundesländern – attraktiver zu gestalten und stärker zu bewerben.“ Kurz- bis mittelfristig müssten mehr Quereinsteiger aus anderen Studienrichtungen gewonnen werden. So könne es gelingen, mehr Lehrkräfte zu gewinnen – ohne die Absolventinnen und Absolventen der Universitäten erst abwarten zu müssen.
Danny Perkampus will nun erstmal abwarten, wie es weitergeht. Dass er wieder ausbildet, schließt er nicht aus: „Schließlich geht es um die Zukunft unseres Berufes.“
Ihre Meinung ist gefragt: Ein Drittel Unterrichtsausfall an der Berufsschule - würden Sie unter solchen Umständen auch nicht mehr ausbilden? Wie sind Ihre Erfahrungen? Schreiben Sie uns einen Kommentar!
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