- Ein Meister und zwei Gesellen arbeiten in Nürnberg in einem Kollektivbetrieb als gleichberechtigte Geschäftsführer: gleiche Arbeitszeit, gleicher Lohn, gleiches Mitspracherecht.
- Die SHK-Handwerker betreuen ihre Kunden von Auftragseingang bis zur Schlussrechnung und unterstützen sich, wo es nur geht. Alle tragen die gleiche Verantwortung.
- Ihr Ziel: Nicht mehr als 30 Wochenstunden arbeiten, solidarische Projekte unterstützen, die Freizeit genießen und vor allem Spaß bei der Arbeit haben, die sich auf mehreren Schultern verteilt.
- Das Konzept geht auf: Die Nachfrage ist riesig, vielleicht kommt bald eine neues Kollektivmitglied hinzu.
Die Auftragsbücher sind voll: „So ausgebucht wie derzeit waren wir noch nie“, sagt Installateurmeister Jakob Schröder. Er und seine beiden Mitstreiter der Plewa Installationen GmbH in Nürnberg könnten noch mehr Aufträge annehmen – doch die drei Geschäftsführer der GmbH haben sich bewusst dagegen entschieden. Ihr Ziel: nicht mehr als 30 Stunden pro Woche arbeiten, sich gegenseitig zu unterstützen und Spaß bei der Arbeit zu haben. Die jungen Handwerker wollen Zeit für andere Projekte haben und Freizeit ist ihnen wichtig.
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Alleiniger Chef: Zu viel Stress und Verantwortung
Wie es im Handwerk als alleiniger Entscheider aussieht, hat Schröder schon erlebt. Sein ehemaliger Chef hatte ihn Schritt für Schritt als Betriebsinhaber aufgebaut, ihm immer mehr Verantwortung übertragen und sich zurückgezogen. „Es hat mich belastet, permanent erreichbar zu sein. Das hat enorm viele Nerven gekostet“, berichtet der 27-Jährige. Zudem habe er in dieser Zeit nie das Gefühl gehabt, „mal richtig frei zu haben“.
Die Übergabe stand kurz bevor, als Jakob Schröder den Entschluss fasste, dass er den SHK-Betrieb nicht allein übernehmen will. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dieses Pensum jahrelang Tag für Tag zu stemmen“, sagt der Mann aus Nürnberg. Stattdessen schwebte ihm vor, gemeinsam mit zwei Kollegen, mit denen er schon länger zusammenarbeitete, die Geschäfte zu führen. Seine Idee überraschte sowohl seinen Chef, als auch das Umfeld. „Das Konzept des Kollektivs, in dem man regelt, für welche Ziele und unter welchen Voraussetzungen man arbeiten möchte, war einfach niemandem bekannt. Außerdem war die Übergabe ja anders geplant“, sagt Schröder.
Kollektivbetriebe im Handwerk – eher eine Seltenheit
Als Schröder seine Kollegen einweihte, fassten sie seine Idee als Wertschätzung auf. Auch sie wollen mit Engagement solidarisch arbeiten, aber dabei die Freizeit nicht aus den Augen verlieren. Schnell steht fest, dass sie einen Kollektivbetrieb gründen wollen. „Uns war klar, dass das Projekt nur funktionieren kann, wenn wir nach den gleichen Zielen streben“, sagt Schröder.
Bei der Vorbereitung der Übernahme fanden Jakob Schröder, Nico Schreiber und Philipp Köchel nicht viele Betriebe dieser Art. Doch bei einer Schreinerei in München, die seit den 80er Jahren als Kollektiv arbeitet, wurden sie fündig. „Wir haben uns vor Ort intensive Anregungen geholt. Ihr Kollektivvertrag ist die Vorlage für unseren geworden“, berichtet Schröder. Der Kollektivvertrag ist eine Ergänzung zum GmbH-Vertrag der Unternehmer, der die Grundlagen der Zusammenarbeit regelt. Die drei SHK-Installateure starteten im September 2020 unter dem neuen Namen. „Plewa“ steht für einen gleichnamigen gelernten Klempner, der gleichzeitig Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten war.
Jeder weiß, was der andere tut
Viele Kunden, vor allem Stammkunden, sind den Handwerker aus ihrem „alten“ Betrieb erhalten geblieben. Hinzu gekommen sind Kunden, die durch die Berichterstattung auf das außergewöhnliche Konzept des Betriebs aufmerksam geworden sind oder von Bekannten und Freunden empfohlen wurden.
Auf einem Flipchart pinnen die aktuellen Aufträge, Transparenz ist dem Team wichtig. Wöchentlich treffen sich die Unternehmer: Sie besprechen die Aufträge, klären offene Fragen und ob jemand Unterstützung braucht. Warum ist das so wichtig? „Jeder von uns betreut seine Kunden von der Auftragsannahme bis zur Schlussrechnung“, sagt Jakob Schröder. „Sollte etwas haken, sind wir alle im Bilde.“ Je nach Auftrag werde entschieden, wer ihn übernimmt. Bei der Auswahl komme es auch darauf an, wer welche fachlichen Erfahrungen hat. „Unser Ziel ist es dennoch, dass wir alle gleich gut werden und uns in allen Bereichen ergänzen können“, sagt Schröder.
Solidarität anstatt Profit
Eine der Grundlagen ihrer Zusammenarbeit sei deshalb die Solidarität – und die fange bei der täglichen Arbeit an. „Benötigt jemand Hilfe bei der Installation einer neuen Heizungsanlage oder beim Ausfüllen von Förderanträgen für Solaranlagen und ist noch nicht so erfahren mit der Materie, hilft ein Kollege aus. Wir fahren auch mal zu zweit zur Baustelle“, berichtet Schröder. Dafür nehmen sie sich Zeit und schaffen in der Wochenplanung bewusste Puffer. „Parallel an einem anderen Auftrag zu arbeiten wäre mit Sicherheit profitabler, aber darauf kommt es uns nicht an“, stellt er klar.
Solidarität wird aber auch im Kollektivvertrag groß geschrieben: Jeder Handwerker stellt seine Arbeitskraft einmal im Jahr einem solidarischen Projekt zur Verfügung – bezahlt und während der normalen Arbeitszeit. „In der Zeit realisieren wir mit Freunden Herzensprojekte und engagieren uns für einen guten Zweck“, sagt der Handwerksmeister.
Von wegen Romantik: Das Geld muss reichen
Und wie viel Lohn landet bei den Dreien am Ende des Monats auf dem Konto? „Jeder bekommt das gleiche Gehalt. Mit 2000 Euro pro Monat sind wir eingestiegen, momentan sind es 2500 Euro brutto – 2022 soll es nochmal steigen“, sagt Schröder. Das ließen Auftragsvolumen und Einnahmen zu. Auf die Frage, ob die Unternehmer damit zufrieden sind, antwortet Schröder mit einem klaren Ja.
Dennoch stellt er klar: „Man darf sich das hier auch nicht zu romantisch vorstellen. Wir leben nicht von Luft und Liebe, nur weil wir im Kollektiv arbeiten.“ Auch er und seine Kollegen müssten laufende Kosten decken und wollten privat nicht jeden Cent umdrehen. Daher sei die Entwicklung des Betriebs erfreulich: Dafür, dass die Handwerker quasi keine Akquise machen müssen, verdienen sie genug Geld und sind zufrieden, unterstreicht Schröder.
Herausforderung: Teamerweiterung und Preiskampf
Also ist das Konzept Kollektivbetrieb aus Sicht des Initiators aufgegangen? „Absolut“, findet Jakob Schröder, wie auch seine Kollegen Nico Schreiber und Phillip Köchel. Mit der gegenseitigen Entlastung des Dreier-Teams sei es möglich, zu guten Bedingungen und mit „höllenguter“ Stimmung zu arbeiten. „Alle haben Bock und engagieren sich, es fühlt sich gut an“, sagt Handwerksmeister Schröder.
Einzig das Ziel, nicht mehr als 30 Stunden pro Woche zu arbeiten, erreichen sie nicht immer. „Wir müssen noch besser lernen, die Arbeitszeit zu organisieren“, sagt Schröder. Einige Male hätten ihn seine Mitstreiter schon erfolgreich „ausgebremst“ und darauf gedrungen, den einen oder anderen Auftrag nicht noch „reinzuquetschen“.
Herausforderungen werde es vor allem in der Zukunft geben: Beispielsweise dann, wenn das Team größer wird und jemand Neues Mitspracherecht bekommt. Das Kollektiv stehe einer Erweiterung prinzipiell offen gegenüber – genug Arbeit gibt es. „Wer hier mitmacht, der muss schon die gleiche Arbeits- und Lebenseinstellung haben“, betont Schröder. Und noch ein Fragezeichen sieht Schröder: „Bislang ist die Nachfrage nach Handwerkern ungebrochen. Ich hoffe nicht, dass wir uns in einigen Jahren in Preiskämpfe mit der Konkurrenz begeben müssen.“
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