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Gleichstellung

Teurer Fehler: Diskriminierung bei der Stellenbesetzung

Wenn abgelehnte Bewerber bei einer Stellenbesetzung diskriminiert werden, können sie auf Entschädigung klagen – und das kann teuer werden.

Auf einen Blick:

  • Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung in Stellenanzeigen und Bewerbungsverfahren.
  • Bewerber, die aus diskriminierenden Gründen abgelehnt wurden, können auf Entschädigung klagen.
  • Arbeitgeber sollten daher Stellenanzeigen und Absagen sorgfältig und möglichst allgemein formulieren.
  • Die Beweislast, dass nicht diskriminiert wurde, liegt beim Arbeitgeber. Das gilt auch, wenn sich der Bewerber nur bewirbt, um bei einer Ablehnung zu klagen.

Diskriminierung kann teuer werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet, Benachteiligungen wegen ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität. „In Paragraf 2 ist dabei ausdrücklich das Einstellungsverfahren für abhängige Beschäftigung als Anwendungsgebiet des Gesetzes genannt“, sagt Ina Jähne, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Hannover. Was also müssen Arbeitgeber berücksichtigen – und welche Strafen können drohen? Ina Jähne beantwortet die wichtigsten Fragen.

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Wie kann ich Stellenanzeigen diskriminierungsfrei formulieren?

Um schon in der Stellenanzeige die Diskriminierungsfalle zu vermeiden, ist Sorgfalt bei der Formulierung wichtig – vor allem, wenn es um die Eigenschaften geht, die ein Bewerber mitbringen soll. „Gerade im Handwerk, wo viel körperlich gearbeitet wird, sollten Arbeitgeber Formulierungen vermeiden, die auch nur einen Hauch von Diskriminierung enthalten können“, sagt Jähne und nennt eine Beispiel: Ein Betrieb suchte einen „körperlich voll belastbaren“ Mitarbeiter. „Von Seiten des Betriebes ist das verständlich. Es diskriminiert aber mittelbar alle behinderten Bewerber“, so Jähne. Sie rät in so einem Fall zu unverfänglicheren Formulierungen wie „flexibel und belastbar“.

Eine weitere Falle kann sich bei Diskriminierung wegen des Alters auftun. Stellenanzeigen, in denen Bewerber mit ein bis zwei Jahren Berufserfahrung gesucht werden, könnten ältere Bewerber diskriminieren, so Jähne. Besser sei es in diesem Fall einfach Berufserfahrung als Kriterium zu nennen. Ebenfalls diskriminierend ist die Formulierung „junges Team“, wie das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschied.

Relativ einfach kann Diskriminierung wegen des Geschlechts oder der sexuellen Identität vermieden werden: „Hier reicht die Angabe m/w/d nach dem Jobtitel, um niemanden zu benachteiligen“, sagt die Arbeitsrechtlerin.

Sollte ich im Ablehnungsschreiben einen Grund nennen?

Wenn ein Bewerber nicht überzeugt oder ein anderer einfach besser ins Unternehmen passt, muss er eine Absage erhalten. „Hier reicht ein einfacher Satz, dass sich der Arbeitgeber für jemand anderen entschieden hat und ein freundlicher Wunsch für die Zukunft“, sagt Jähne. „Nennen Sie keinen Grund, denn das kann diskriminierend sein.“

Muss ich jetzt damit rechnen, dass jeder abgelehnte Bewerber eine Entschädigung will?

Wer mehr als eine Bewerbung auf eine offene Stelle bekommt, muss Bewerbern absagen. „Damit ein Verfahren wegen Diskriminierung beginnt, muss ein abgelehnter Bewerber erstmal klagen“, sagt Jähne. „Das ist in der Praxis nur ein Bruchteil der Fälle.“ Vor allen in Branchen, in denen wie im Handwerk ein Mangel an Arbeitskräften besteht, fänden abgelehnte Bewerber auch woanders einen Job. „Vorsicht ist im Handwerk vor allem bei den Themen Alter und Behinderung geboten, denn diese beiden Bewerbergruppen finden unter Umständen nicht leicht eine Stelle“, so die Anwältin.

Wie kann ich beweisen, dass ich bei der Stellenbesetzung nicht diskriminiert habe?

Der schlimmste Fall ist eingetreten – Sie haben eine Stelle besetzt und ein abgelehnter Bewerber hat Sie wegen Diskriminierung verklagt. „Es ist nicht einfach zu beweisen, dass nicht diskriminiert wurde“, sagt Jähne. „Die Daten der anderen Bewerber unterliegen dem Datenschutz. Sie können sie also nicht in aller Ausführlichkeit vor Gericht ausbreiten und erklären, warum Sie sich wie entschieden haben.“ Bleibt nur, die objektiven Kriterien der Stellenbesetzung hervorzuheben, die der abgelehnte Bewerber nicht erfüllt hat.

Allerdings komme es vor Gericht es immer auf den Einzelfall an, betont Jähne. So wurde die Formulierung „junges, dynamisches Unternehmen“ anders als das „junge Team“ nicht als diskriminierend gewertet.

Steht diskriminierten Bewerbern eine Entschädigung zu?

Das AGG regelt in Paragraf 15 Ansprüche von Bewerbern, die aufgrund von Diskriminierung eine Arbeitsstelle nicht bekommen haben. „Zunächst müssen die Kosten ersetzt werden, die dem Bewerber durch die Bewerbung entstanden sind. Das kann von Porto über Fahrtkosten bis hin zu Ersatz für Urlaubstage gehen, die der Bewerber beim aktuellen Arbeitgeber nehmen musste“, erläutert Ina Jähne.

Darüber hinaus steht dem diskriminierten Bewerber eine Entschädigung zu. „Eine solche Entschädigung kann bis zu drei Brutto-Monatsgehälter der versagten Stelle betragen. Das gilt, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der Bewerber aus in einem benachteiligungsfreien Verfahren die Stelle nicht bekommen hätte“, erläutert Jähne. Gibt es diese Gründe nicht, kann die Entschädigung auch höher ausfallen.

Was ist, wenn sich jemand nur bewirbt, um hinterher zu klagen?

Es kommt vor, dass sich jemand nur auf eine Stelle bewirbt, um bei Ablehnung wegen Diskriminierung zu klagen. „Hier hat aber das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass so genannte rechtsmissbräuchliche Bewerbungen keinen Anspruch auf Entschädigung erwirken können“, stellt Jähne klar. Ob allerdings eine solche pro-forma-Bewerbung vorliegt, müsse der Arbeitgeber beweisen. „Auch hier kommt es auf den Einzelfall an“, sagt Jähne. Indizien könnten sein:

  • Der Bewerber verdient in seiner aktuellen Stelle mehr als in der zu besetzenden.
  • Die Arbeitsbedingungen, zum Beispiel Arbeitszeiten und Kündigungsschutz, sind in der aktuellen Stelle besser.
  • Die Bewerbung ist schlampig und enthält geforderte Unterlagen nicht.
  • Der Bewerber stellt Forderungen, um eine Absage zu provozieren.
  • Der Bewerber erfüllt die geforderten Grundqualifikationen nicht.

„Auch hier gilt: Diese rechtsmissbräuchlichen Bewerbungen kommen vor allem in Branchen vor, in denen es schwer ist, eine Stelle zu bekommen“, betont Jähne. „Im Handwerk dürfte das eher nicht der Fall sein.“

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