Wann leert ein Durchschnittsbürger seinen Briefkasten? Wenn mit der Zustellung eines Briefes Fristen beginnen, müssen sich auch Richter über derlei Dinge Gedanken machen.
Der Fall: Ein Angestellter wurde von seinem Arbeitgeber fristlos entlassen. Ein anderer Mitarbeiter des Unternehmens warf am selben Tag die Kündigung, einem Freitag, gegen 13.25 Uhr in den Hausbriefkasten des Gekündigten. Der Mann klagte gegen die Entlassung. Zu spät, argumentierte sein Ex-Arbeitgeber. Denn eine Kündigungsschutzklage muss drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht werden. Diese Frist war verstrichen. Doch der Gekündigte argumentierte, er habe das Schreiben erst am Montag, drei Tage später, im Briefkasten gefunden. Deshalb sei die Klage fristgerecht.
Das Urteil: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied im Sinne des Klägers. Da die Postzustellung im Wohnort des Klägers üblicherweise bis 11 Uhr beendet sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein erst um 13.25 Uhr eingeworfener Brief noch am selben Tag aus dem Briefkasten genommen werde. Das BAG ging davon aus, dass mit einer Leerung des Briefkastens unmittelbar nach Zustellung zu rechnen ist. Dabei müssten Verhältnisse und Gepflogenheiten berücksichtigt werden, zu denen auch die örtlichen Postzustellzeiten zählten. Das Landesarbeitsgericht hatte als Vorinstanz geurteilt, dass ein Briefeinwurf bis 17 Uhr ausreiche. Ein vollzeitbeschäftigter Durchschnittsbürger könne erst dann seinen Briefkasten leeren. Nun muss es erneut verhandeln.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. August 2019, 2 AZR 111/19
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