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Ausbildungsprämie

„Der Schuss ging nach hinten los“

Scharfe Kritik an der Ausbildungsprämie: Zu wenig Wertschätzung, zu hohe Hürden bemängelt ein Kollege. Und steht damit nicht alleine.

Auf einen Blick:

  • Die Ausbildungsprämie in der Corona-Krise soll ausbildende Betriebe motivieren. Bei Walter Tapken funktioniert das nicht: Alle gäben ihr Bestes, das sollte anerkannt werden und nicht nur bei jenen, die besonders stark unter der Krise leiden, sagt der Handwerker.
  • Die Antragszahlen in Handwerk sind tatsächlich überschaubar.
  • Die Handwerksorganisationen fordern Nachbesserungen: weniger hohe Hürden und weniger bürokratischen Aufwand.

Viel Zustimmung kam aus dem Handwerk, als die Bundesregierung im Sommer eine Ausbildungsprämie in Höhe von 2.000 Euro ankündigte. Das Geld sollten Ausbildungsbetriebe erhalten, die unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden. Doch die Ernüchterung folgte schnell, als es konkret wurde: Die Voraussetzungen für den Erhalt der Prämie erfüllen im Handwerk nur relativ wenige Unternehmen.

Ausbildungsprämie? „Nicht motivierend“

So ging es auch Walter Tapken: „Wenn diese Prämie der Motivation dienen soll, dann ist der Schuss nach hinten losgegangen“, sagt der Chef der Meinardus + Tapken Stahl- und Metallbau GmbH in Brake. Denn nach seiner Einschätzung sei die Prämie eher als Ausdruck von Wertschätzung gedacht und weniger als Anreiz. Finanziell würden die 2.000 Euro bei der Entscheidung über Ausbildungsplätze in kaum einem Handwerksbetrieb eine Rolle spielen, ist sich der Obermeister der Metall-Innung Wesermarsch sicher. Er selbst habe jedenfalls zwei neue Azubis ohne die Prämie eingestellt, wie fast jedes Jahr, da er die Voraussetzungen dafür nicht erfülle.

Der 56-Jährige ärgert sich dennoch „über die großen Ankündigungen der Politik und wie sie diese dann umgesetzt hat“. Das sei „nicht motivierend“ für jene Betriebe, die die Förderbedingungen nicht erfüllen, weil sie „sich selbst durch die Krise manövriert haben, keine Kurzarbeit angemeldet haben und aufgrund von Umstrukturierung auch keine 60 Prozent Umsatzrückgang hatten“.

Die Herausforderungen seien für alle „sehr groß, und wir geben alle unser Bestes, um Arbeits- und Ausbildungsplätze zu sichern. Das sollte anerkannt werden“, sagt Tapken. Es sei „nicht nachvollziehbar, dass ein Betrieb wirtschaftlich erst fast in die Knie gehen muss, um von der Politik ein Zeichen der Wertschätzung für seine Ausbildungsleistung zu erhalten“.

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Antragszahlen: gering

Die Ausbildungsprämie sei zwar eine gute Idee, sagt Tobias Roeder von der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen (LHN). Doch „die Voraussetzungen dafür erfüllen viele Handwerksbetriebe nicht“.

Das belegen zum Beispiel Zahlen aus den Handwerkskammern in Niedersachsen und in Magdeburg. Die Kammern haben einen guten Überblick, weil Handwerker für den Antrag auf die Prämie eine Bestätigung ihrer Kammer benötigen, wie viele neue Azubis ihr Betrieb in den letzten drei Jahren eingestellt hat. Die sechs niedersächsischen Kammern hätten bis Ende Oktober 749 Bescheinigungen ausgestellt, berichtet Roeder. In Magdeburg waren es nach Angaben der Handwerkskammer 78 Bescheinigungen. Macht zusammen 827 Anfragen – von mehr als 93.000 Betrieben.

Antragsaufwand: zu hoch

Ein weiterer Grund für die geringen Zahlen könnte der Aufwand für den Antrag sein: Betriebe müssen die Ausbildungszahlen und Ausbildungsvergütungen der letzten drei Jahre nachweisen und ihre Umsatzzahlen oder einen Leistungsbescheid über Kurz­arbeitergeld vorlegen. Zudem müssen sie eine zweiseitige sogenannte De-minimis-Erklärung über eventuell schon erhaltene andere Förderungen ausfüllen.

„Ich kann den Verdruss aufgrund der nicht klaren Kommunikation in dem einen oder anderen Betrieb verstehen“, sagt Roeder. Die Prämie sei als Zeichen der Wertschätzung eine gute Idee. Doch die „Erschwernisse bei der Antragstellung und die restriktiven Förderkriterien“ schreckten eher ab. Hier müsse nachgebessert werden.

Ebenso sieht das Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg: Es gelte, das Förderprogramm „zügig nachzujustieren. In seiner jetzigen Form entfaltet es nicht die notwendige Wirkung, da weiterhin viele Ausbildungsbetriebe im Handwerk aufgrund der hohen Anforderungen hier nicht partizipieren können.“

ZDH fordert Nachbesserungen

Konkrete Vorschläge, wie das Förderprogramm zu überarbeiten sei, hat der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) vorgelegt. Der Verband ruft die Bundesministerien dazu auf, die Förderkonditionen nachzubessern und „an die Betroffenheit der Betriebe anzupassen“. Sie sollten den Bürokratieaufwand verringern, bei den Förderkriterien die Voraussetzungen senken und auf alle neuen Ausbildungsverhältnisse ausweiten.

Die Ausbildungsprämie sei eine „wichtige Anerkennung“ für das Ausbildungsengagement in der Krise, so der ZDH. Doch die derzeitige Ausgestaltung führe dazu, dass das „bildungspolitische Ziel nur bedingt erreicht“ werde. Viele Unternehmen, zum Beispiel in den Bau- und Ausbaugewerken, hätten den ersten bundesweiten Shutdown relativ gut überstanden, „in dem vorhandene Auftragspuffer abgearbeitet werden konnten“. Doch nun sähen sich auch diese Betriebe „mit entsprechenden Umsatzrückgängen konfrontiert“.

Sonderweg in Niedersachsen

Das Land Niedersachsen hat dieses Problem ebenfalls erkannt und eine eigene Ausbildungsprämie aufgelegt – für Betriebe, die beim Bund leer ausgehen. 500 Euro erhalten Betriebe für Azubis, deren Ausbildungszeit sich verlängert, 1.000 Euro gibt es für die Schaffung eines zusätzlichen Ausbildungsplatzes wie auch für die erstmalige Einstellung eines Azubis. Die Landesprämie sei nicht an Umsatzrückgänge oder Kurzarbeit als Fördervoraussetzung gebunden, betont Tobias Roeder von der LHN.

Auch der bürokratische Aufwand ist nach seiner Einschätzung deutlich geringer: Ein Nachweis der Kammer sei beim Antrag bei der NBank nicht erforderlich, auch sonst seien die auszufüllenden Formulare deutlich weniger umfangreich. Walter Tapken wird dennoch leer ausgehen. Für die Landesförderung hätte er drei statt seiner nun zwei neuen Azubis einstellen müssen. „Ich bin froh, dass ich überhaupt zwei habe“, sagt der Maschinenbau­mechanikermeister. „Da haben wir in diesem Jahr Glück gehabt“, denn das sei „aufgrund der schwachen Bewerberzahlen“ nicht immer möglich. Ob mit oder ohne Prämie: „Für uns bleibt es auch in dieser Ausnahmezeit wichtig auszubilden, denn es wird auch eine Zeit nach Corona geben“, so Tapken.

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