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Verbriefte Bio-Qualität

Ökologischer Anbau: Verbriefte Bio-Qualität

Seit Jahren befinden sich Bäckereien und Fleischereien, die Rohstoffe aus ökologischem Anbau verarbeiten, auf Wachstumskurs. Verbraucherschutzministerin Renate Künast will den Anteil an Bioprodukten auf 20 Prozent erhöhen. Eine Chance für das Handwerk?

Seit Jahren befinden sich Bäckereien und Fleischereien, die Rohstoffe aus ökologischem Anbau verarbeiten, auf Wachstumskurs. Es entstehen Biosupermärkte mit Frischtheken für Fleisch und Käse oder Auslagen für Backwaren. Diese Produkte kommen meist aus Handwerksbetrieben.

Der Deutsche Fleischerverband (DFV) schätzt, dass derzeit etwa 250 der insgesamt 20.000 Fleischer-Fachgeschäfte Bioware anbieten. In Zukunft wird es noch mehr Biofleischer geben, meint Dr. Wolfgang Lutz, Referent beim Deutschen Fleischerverband. Die Organisation unterstützt ihre Mitglieder bei der Umstellung auf einen Bio-Handwerksbetrieb. Das ist ein langwieriger und komplizierter Prozess, weiß Lutz aus Erfahrung. Die Betriebe müssen entscheiden, ob sie parallel auf der Bioschiene fahren, ob sie nach und nach auf Bio umstellen oder ob sie sofort ein komplettes Biosortiment anbieten wollen. Die Glaubwürdigkeit sei am höchsten, wenn die Fleischerei ausschließlich Bio anbietet. Allerdings erhöhe es die Erfolgschancen, so der Experte, wenn sukzessive umgestellt würde.

Ökologische Ware aus dem Handwerk

Mit einer neuen Marke will der Verband diese Biofleischer unterstützen. Das Qualitätssiegel, die Bio-f-Marke, soll den Verbrauchern zeigen, dass es sich um ökologische Ware aus einem Handwerksbetrieb handelt. Die Kriterien werden derzeit mit den Anbauverbänden Bioland und Naturland sowie mit der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau erarbeitet. Fest steht aber für Lutz: Diese Marke steht für mehr Qualität als das Biosiegel, das Bundesverbraucherministerin Renate Künast Anfang des Jahres vorgestellt hat. Zu den Biokriterien kämen noch die handwerklichen Qualitätskriterien hinzu, argumentiert der DFV- Referent.

Was bedeutet Handwerk? Karl Ludwig Schweisfurth, der 1945 seine Fleischerlehre absolviert hat, erinnert sich: Bei der Wurstherstellung gab es keinen einzigen Zusatzstoff außer Pökelsalz. Die Lebensmittelerzeugung war Handwerk, so der Fleischermeister, der den langen Weg vom Handwerker über den industriellen Großunternehmer zum ökologisch wirtschaftenden Lebensmittelhersteller zurückgelegt hat.

Auch Bio-Backwaren im Trend

Auch der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks reagiert auf die Nachfrage nach Biobackwaren. Noch in diesem Jahr soll es laut Geschäftsführer Rainer Gassen Seminare bei der Bundesfachschule für das Bäckerhandwerk geben.

Es gibt viele Beispiele für erfolgreiche Handwerksbetriebe im Biobereich. Allen gemeinsam ist, dass sehr engagierte Betriebsinhaber jahrelange Aufbauarbeit geleistet haben. Klaus Kaleske, Mitinhaber der Vollkornbäckerei Sartorius in Schöningen, bringt es auf den Punkt: Bio kann man nicht nebenbei machen.

Schweisfurth: Ein Visionär in Sachen Ernährung

Tue alles, um das Leben in den Lebensmitteln zu schützen, lautet das Motto von Karl Ludwig Schweisfurth. Dass dies kein leerer Vorsatz ist, wird dem Besucher der Hermannsdorfer Landwerkstätten immer wieder eindrucksvoll vor Augen geführt. Dabei hatte Schweisfurth zunächst ganz andere Prioritäten für seinen beruflichen Werdegang gesetzt.

Nach dem Krieg absolvierte der heute 71-Jährige eine Lehre als Fleischer, um den elterlichen Betrieb in Herten in Westfalen zu übernehmen. Nach einer Amerika-Reise Mitte der fünfziger Jahre war er so beeindruckt von den Schlachthöfen und Fabrikanlagen in den Vereinigten Staaten, dass er davon träumte, Ähnliches in Deutschland aufzubauen.

Mit Herta-Fleischfabriken zum Erfolg

Aus seiner Vision wurde Wirklichkeit. Gemeinsam mit seinem Vater schaffte er es, aus dem familieneigenen Handwerksunternehmen einen spezialisierten und durchrationalisierten Industriebetrieb aufzubauen. Die bis heute weithin bekannten Herta-Fleischfabriken wuchsen unter seiner Leitung zu einem der größten Lebensmittelunternehmen in Europa.

In seiner Fabrik wurde zwar Wurst produziert, es gab aber keine Handwerker mehr in diesem Industriebetrieb. Statt dessen beschäftigte Schweisfurth Wissenschaftler, Ingenieure und Vorarbeiter. Den Rest übernahmen Maschinen Vor etwa 20 Jahren kamen mir Zweifel, ob das, was ich tue, richtig ist, erinnert sich der Unternehmer. Die Qualität des Fleisches wurde immer schlechter. Außerdem musste er sich kritischen Diskussionen mit seinen Kindern stellen. Sie waren die ersten, die meine Philosophie von immer mehr und immer schneller in Frage gestellt haben. Daraufhin besichtigte Schweisfurth einige der landwirtschaftlichen Betriebe, von denen er seine Tiere bezog. Das sei für ihn ein Schock gewesen. Und ich spürte diese Zweifel im Bauch, dass das was ich tue, nicht richtig ist.

Neubeginn mit 53

Die Meisterprüfung, die er im Alter von 53 Jahren absolvierte, war für ihn ein Schlüsselerlebnis. Ich habe meinen Beruf wieder schätzen gelernt. Kurz darauf hatte er die Vision, noch einmal von vorne anzufangen. Und er tat es: Schweisfurth verkaufte die Herta-Fleischfabriken und gründete die Hermannsdorfer Landwerkstätten in Hermannsdorf bei Glonn in Oberbayern.

Seitdem setzt er nicht nur auf ökologische Landwirtschaft, sondern auch auf die ökologische Lebensmittelverarbeitung. Ein Anliegen ist für ihn, die gute alte Handwerkskunst mit den modernen Maschinen und dem heutigen Wissen zu verbinden. In den Hermannsdorfer Landwerkstätten wird nicht das alte Handwerk, das oft eine Plackerei war, kultiviert, sondern es hat sich ein neues Handwerk entwickelt, betont der Visionär.

Lebensmittel im wahrsten Sinne des Wortes

Als Fleischer hat sich Karl Ludwig Schweisfurth besonders dem Aufbau seiner Schlachterei gewidmet. Diese Arbeit hat mir eine Lebensmittelqualität beschert, die ich schon nicht mehr kannte. Wir haben es geschafft, dass wieder Mittel zum Leben entstehen, erläutert der Aussteiger aus der Herta-Fleischfabrik das Wort Lebensmittel.

Seit 1999 gibt es nun auch ein zweites Hermannsdorf vor den Toren Hannovers. Hier entstand in unmittelbarer Nachbarschaft zum Expo- und Messe-Gelände eine weitläufige Hofanlage mit verschiedenen Stallungen, einer Schlachterei, Hofladen und Restaurant.

Weitere Pläne gibt es mittlerweile für ein drittes Hermannsdorf im Rhein-Main-Gebiet. Doch damit nicht genug: Schweisfurths Vision lautet 1000 Hermannsdörfer.

Seine Berufskollegen im Handwerk versucht er zudem von seiner Arbeit zu überzeugen. Sie sollten sich auf ihre Traditionen besinnen. Hier sehe ich eine Chance für die Renaissance des Handwerks.

Das Schweisfurth-Imperium im Überblick

Ludwig und Hermine Schweisfurth gründen 1897 eine Metzgerei im westfälischen Herten. Zum 50-jährigen Firmenjubiläum hat Karl Schweisfurth, der Sohn des Firmengründers, eine originelle Idee: In Anlehnung an den Firmensitz wird Herta der Name des Familienunternehmens.

Das Unternehmen wächst unter Leitung von Karl und Karl Ludwig Schweisfurth (Enkel des Firmengründers) zu einem der größten Lebensmittelkonzerne in Europa heran.

1985 verkauft Karl Ludwig Schweisfurth das Unternehmen an Nestlé und gründet die Schweisfurth-Stiftung. Außerdem verwirklicht er seine Vision und baut die Hermannsdorfer Landwerkstätten in Oberbayern und vor den Toren Hannovers auf.

Mittlerweile hat sein Sohn Karl das Unternehmen übernommen. Die Hermannsdorfer Landwerkstätten bieten ihre Produkte mittlerweile in fast 20 Verkaufsstellen und eigenen Märkten an.

Der Zwillingsbruder von Karl, Georg Schweisfurth, gründete im Jahr 1998 zusammen mit drei Freunden den ersten Biosupermarkt basic in München. Das Motto lautete Bio für alle. Mittlerweile gibt es drei basic, in diesem Jahr sollen noch zwei weitere Geschäfte hinzukommen. Außerdem gründete Georg Schweisfurth zusammen mit seiner Frau das Seminarhotel Gut Sonnenhausen.

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