Auf einen Blick:
- Einigen Handwerksbetrieben bereitet es noch immer Probleme, wenn Frauen schwanger werden.
- Diese Erfahrung hat auch Malermeisterin Tamina Beckerat gemacht: Sie musste in ihrer Familienplanungsphase mehrfach den Arbeitgeber wechseln.
- Eher aus der Verzweiflung heraus ist sie heute selbst Chefin eines reinen Frauenteams. Die Unternehmerin will ihrem Team das geben, was sie in anderen Betrieben vermisst hat: Offenheit der Familienplanung gegenüber, Flexibilität und die Anerkennung von Handwerkerinnen in ihrem Job.
Was wäre, wenn alle Mitarbeiterinnen von Tamina Beckerat nacheinander schwanger würden? „Kein Problem – wenn man sich offen darüber austauscht“, sagt die Malermeisterin aus Bilshausen. Ihre Tochter ist zwei Jahre alt, abgeschlossen sei ihre Familienplanung mit 27 Jahren noch nicht. Auch von einer Mitarbeiterin weiß sie, dass sie nicht allzu lange auf das erste Kind warten möchte.
Und wie geht Beckerat damit im Betriebsalltag um? „Wir reden ehrlich und vertraulich über unsere Wünsche und Vorstellungen – und versuchen das zeitlich etwas zu entzerren. Natürlich können wir nicht alles zu 100 Prozent planen. Aber da wir alle zwischen 20 und 27 sind, ist das Thema Kinder einfach präsent“, sagt sie. Ihren drei Mitarbeiterinnen könne sie soweit vertrauen, dass sie ihr rechtzeitig Bescheid geben, wenn es soweit ist. Dann habe sie ausreichend Vorlauf.
Noch vor fünf Jahren hätte sich Beckerat nicht vorstellen können, einmal einen eigenen Betrieb zu führen. „Das war gar nicht meine Absicht. Den Meistertitel wollte ich schon gern haben, hätte mir aber gut vorstellen können, als Angestellte weiterzuarbeiten“, sagt die junge Handwerkerin. Doch es kam anders.
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Gekündigt: Familienplanung als Karrierehindernis?
Nachdem Beckerat ihren Meisterabschluss in Vollzeit gemacht hat, arbeitete sie als angestellte Meisterin weiter. Nach einiger Zeit wurde sie schwanger. Nach neun Monaten Elternzeit wollte sie wieder zurückzukommen – so war es mit ihrem Chef vereinbart. Doch daraus wurde nichts: Noch vor dem Wiedereinstieg wurde ihr per Telefon angekündigt, dass sie ihren Job nicht behalten wird – ohne Begründung.
„Danach wollte ich einfach nicht mehr als Angestellte arbeiten“, berichtet Beckerat. Warum einige Betriebe Probleme mit Frauen haben, die im Handwerk arbeiten und gleichzeitig eine Familie gründen wollen, versteht sie bis heute nicht.
Selbstständigkeit mit Hindernissen
Den einzigen „Ausweg“ aus der Situation sah die Malermeisterin in ihrer eigenen Selbstständigkeit. „Mein Mann hat mir Mut zugesprochen und mich unterstützt“, sagt sie. Er sei es auch, der noch heute einen großen Teil der Kinderbetreuung übernimmt, wenn sie sich um den Betrieb kümmert.
Beckerat hat einen Businessplan geschrieben, einen Gründerkredit beantragt, Werkzeug und einen Firmenwagen angeschafft. Sechs Wochen nach ihrer Kündigung startete sie als selbstständige Malermeisterin. „Das erste Jahr war hart“, sagt sie rückblickend. Denn fachlich habe sie zwar viel Ahnung, aber Themen wie die Bearbeitung von Reklamationen oder die Buchhaltung hätten sie viel Kraft gekostet. „Ich hatte auch Zweifel: Wer beauftragt mich? Ruft mich als Malermeisterin überhaupt jemand an? Schaffe ich das mit Haus und Familie?“, berichtet Beckerat.
Doch schon wenige Monate später konnte sie sagen, dass sie bis Ende des Jahres ausgebucht ist. „Es war eine gute Zeit für den Start“, resümiert die Handwerkerin. Andere Betriebe hatten viel zu tun, viele Kunden hätten nach freien Terminen gesucht. Zum Start nahm sie die Werbung für ihren Betrieb „Farbenfroh Malermeisterin“ selbst in die Hand: Flyer, Banner, Zeitungswerbung und Vernetzung im Ort. „Mein Angebot hat sich herumgesprochen, das hat mich bestätigt und mich motiviert“, sagt Beckerat.
„Als Chefin das geben, was ich nicht hatte“
Ein halbes Jahr nach Firmengründung stellte Tamina Beckerat ihre erste Mitarbeiterin ein – eine Gesellin, die sie aus der Schule kannte. „Das hat super geklappt und es war die richtige Entscheidung“, sagt sie. Seit diesem Sommer zählt der Betrieb vier Frauen. „Das war ein wichtiges Etappenziel. Denn jetzt können wir in zwei Teams parallel auf zwei Baustellen arbeiten“, betont sie.
Wichtig sei ihr ein Miteinander auf Augenhöhe, eine freundschaftliche und familiäre Atmosphäre. Die junge Chefin bindet ihr Team mit ein, nimmt es auf Messen mit und macht gemeinsame Ausflüge. „Die Arbeit hier soll auch Spaß machen“, sagt Beckerat. Dass es den vier Frauen Spaß macht, zeigt die Malermeisterin auf ihrem Instagram-Kanal. „Vor allem die Farbe Lila kommt gut an und ist ein guter Wiedererkennungswert.“
Was sie in ihren ersten Berufsjahren an Vertrauen und Wertschätzung vermisst hat, will sie ihrem Team geben - und respektieren, wenn sich jemand für eine Familie entscheidet. „Finanziell bin ich abgesichert, die Krankenkasse zahlt“, sagt Beckerat. Und nach der Elternzeit wolle sie ihre Gesellinnen auch weiter beschäftigen. Um den Ersatz während der Babypause macht sie sich indes keine Gedanken. „Bisher habe ich nicht aktiv Werbung für neue Mitarbeiterinnen gemacht – sie kamen alle von sich aus“, freut sich die Malermeisterin.
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