- Bei Meinungsverschiedenheiten können sich sowohl Handwerker als auch deren Kunden an die Handwerkskammern wenden, denn die bieten sogenannte Vermittlungs- beziehungsweise Güteverfahren an.
- Doch wer bei der Kammer anruft, setzt nicht gleich ein Verfahren in Gang. Die Kammermitarbeiter versuchen zunächst, mit allgemeinen Hinweisen weiterzuhelfen.
- Lässt sich der Konflikt dadurch nicht lösen, kann ein Verfahren eine Option sein – vorausgesetzt der Fall eignet sich für diese Form der außergerichtlichen Streitbeilegung und beide Parteien sind bereit, ihre Sicht zu schildern.
- Wie das Verfahren konkret abläuft, hängt vom Einzelfall ab. Ziel ist die gütliche Einigung.
- Eine Gebühr für das Verfahren müssen weder Handwerker noch Verbraucher zahlen. Womöglich fallen aber Kosten für ein Gutachten an.
Konflikte mit Kunden kommen immer mal wieder vor: Wer keine Einigung findet, muss aber nicht gleich vor Gericht ziehen, denn es gibt Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung. Ein Beispiel: die Verbraucherschlichtung. Verbraucher, die einen Konflikt mit einem Unternehmen haben, können seit 2016 bei der Universalschlichtungsstelle des Bundes ein Schlichtungsverfahren beantragen.
Nachteil für Unternehmen: Sie tragen die Gebühren für die Schlichtung. So wundert es nicht, dass von den knapp 7.500 beantragten Verfahren laut einem Gutachten des Bundesjustizministeriums nur etwa ein Prozent vollständig durchgeführt wurde. Die Gebührenpflicht war laut Gutachten ein Grund, dass sich Unternehmen nicht an dem Verfahren beteiligten.
Für Handwerksbetriebe gibt es eine günstigere Alternative zur Verbraucherschlichtung: Vermittlungs- beziehungsweise Güteverfahren bei den Handwerkskammern.
Wer bringt das Verfahren ins Rollen?
Sowohl Handwerker als auch deren Kunden können sich bei Meinungsverschiedenheiten an die Handwerkskammer wenden. „In etwa drei Viertel der Fälle sind es allerdings die Verbraucher, die sich bei uns zuerst melden“, sagt Sören Janke, der bei der Handwerkskammer Braunschweig Lüneburg Stade die Vermittlungsstelle leitet.
Im vergangenen Jahr sind dort insgesamt rund 1.000 Anrufe eingegangen. Doch nicht jeder Anruf mündet auch in einem Verfahren: 2020 seien waren es etwa 150 schriftliche Verfahren gewesen.
Dem Juristen zufolge liegt es daran, dass in vielen Fällen schon ein Telefonat hilft. „Wir geben beim Erstkontakt immer nur allgemeine Information. Wir beraten weder Verbraucher noch Handwerker zu ihren individuellen Ansprüchen“, betont er.
Beschwert sich beispielsweise ein Kunde über die nach seiner Ansicht „zu hohen“ Fahrzeugpauschalen in der Rechnung, weist Janke beispielsweise darauf hin, dass die tatsächlichen Kosten der Anschaffung und Unterhaltung Grundlage für die Berechnung der Fahrzeugkosten seien und dass die aus den Werbungskosten der Einkommenssteuer bekannten 30 Cent keine Rolle spielen. Aus Erfahrung weiß er, dass solche einfachen Hinweise oft schon für einen Aha-Effekt beim Anrufer sorgen können.
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Wie läuft das Vermittlungsverfahren bei der Handwerkskammer ab?
Ist das Problem nach dem Anruf nicht geklärt, kann das Vermittlungsverfahren bei der Handwerkskammer eine Option sein. Laut Janke läuft das Verfahren in der Regel wie folgt ab:
- Der Anrufer wird darum gebeten, uns den Fall schriftlich zu schildern und alle für den Streitfall relevanten Dokumente zur Verfügung zu stellen (z.B. Kostenvoranschlag oder Abnahmeprotokoll).
- Die Kammer macht dann eine Eingangsprüfung. „Wir können nicht in jedem Fall vermitteln“, erläutert der Jurist. So müsse der beteiligte Unternehmer Mitglied der vom Verbraucher eingeschalteten Handwerkskammer sein. Auch könne es für den Streitfall geeignetere Stellen für die außergerichtliche Streitbeilegung geben, zum Beispiel die Kfz-Schiedsstelle oder die Bauschlichtungsstelle.
- Kommt der Fall für das Vermittlungsverfahren in Frage, dann gehen die gesamten Unterlagen an die Gegenseite, damit diese ebenfalls schriftlich Stellung nehmen kann. Macht sie das, kann das Verfahren starten.
Eine Geschäfts- und Verfahrensordnung gibt es laut Sören Janke hierfür nicht: „Wie es weitergeht, hängt deshalb immer vom Einzelfall ab.“ In einigen Fällen unterbreitet die Kammer einen Einigungsvorschlag, in anderen Fällen akzeptiert eine der Streitparteien bereits den Lösungsvorschlag der anderen und in wiederum anderen Verfahren liegen die Vorstellungen einfach zu weit auseinander. „Das Ziel des Verfahrens ist zwar immer eine gütliche Einigung. Es gibt aber keine Pflicht, einen Lösungsvorschlag anzunehmen“, betont der Jurist. 2020 konnte er in etwa einem Drittel der Fälle eine Einigung zwischen den Streitparteien herbeiführen also in etwa 50 Fällen.
Was kostet das Verfahren bei der Handwerkskammer?
Weder Verbraucher noch Handwerksunternehmer müssen für die Vermittlung bei der Kammer eine Gebühr zahlen. Laut Janke wird die Arbeit der Vermittlungsstelle der Handwerkskammer durch die Beiträge der Mitgliedsbetriebe finanziert. Das heißt jedoch nicht, dass den Streitparteien gar keine Kosten entstehen können: Soll etwa ein Sachverständiger eingeschaltet werden, um technische Fachfragen in einem sogenannten Schiedsgutachten zu klären, müssen die Parteien dessen Kosten tragen.
Allerdings weist Janke darauf hin, dass das Schiedsgutachten nur in Auftrag gegeben werden sollte, wenn sich die Streitparteien vorher auf die zu klärende Fachfrage und die Folgen der Feststellungen des Experten verständigt haben.
Mit welchen Problemen melden sich Verbraucher und Handwerker?
Bei Konflikten zwischen Handwerker und Kunden geht es nach Erfahrungen von Sören Janke meist um drei Themen:
- Die Erforderlichkeit von abgerechneten Leistungen: Als Beispiel nennt der Jurist die Reparatur einer Heizung, deren Ausfallursache nicht eindeutig zu lokalisieren ist und die erst beim dritten Anlauf wieder funktioniere. Hier sähen Kunden mitunter nicht ein, dass sie für die ersten beiden (erfolglosen) Versuche auch zahlen müssen, selbst wenn der Handwerker sein Vorgehen plausibel darlegt habe.
- Die fachgerechte Ausführung der Arbeiten: Manche Kunden seien der Meinung, dass sie zum Beispiel durch das Internet genau wüssten, wie ein Handwerker seine Arbeiten zu erledigen hätte oder wie das fertige Werk aussehen müsse. Das erweise sich in der Praxis oft als problematisch.
- Die Abrechnung: Dem Juristen zufolge drehen sich Streitigkeiten häufig um Abweichungen vom Kostenvorschlag, erfasste Mengen oder auf der Baustelle in Auftrag gegebene Zusatzleistungen und Rechnungsbestandteile wie Anfahrtskosten.
Praxistipp: So lassen sich viele Konflikte vermeiden!
Mangelnde Kommunikation ist laut Janke häufig die Ursache für die Streitereien: „Je weniger die Parteien bei der Auftragsvergabe über die Werkleistung sprechen, desto höher ist meist das Konfliktpotenzial bei der Abnahme.“ Sein Tipp für Handwerker: „Halten Sie im Vorfeld schriftlich fest, welche Leistung Sie beim Kunden erbringen und welche Gegenleistung (Vergütung) Sie dafür bekommen werden.“ Das gelte insbesondere bei Zusatzleistungen und Änderungen, die der Bauherr während der Ausführung der Werkleistung wünscht.
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