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Personalführung

Krank ohne Grund: So zweifeln Sie ärztliche Atteste an

Haben Sie Zweifel an der Krankschreibung eines Mitarbeiters? Dann können Sie sein Attest überprüfen lassen. Wie das geht, lesen Sie hier.

  • Viele Unternehmer hadern mit häufigen Krankschreibungen einzelner Mitarbeiter.
  • Für Fälle, in denen Arbeitgeber die Rechtmäßigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzweifeln, gibt es den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK).
  • Der MDK prüft, ob eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Dazu kann er unter anderem mit dem behandelnden Arzt reden und den Mitarbeiter zur Begutachtung einladen.
  • Für eine Überprüfung muss der Arbeitgeber sich bei der Krankenkasse des Mitarbeiters melden. Sind die Zweifel aus deren Sicht berechtigt, beauftragt sie den MDK mit der Prüfung.

Der letzte Arbeitsunfähigkeits-„Knaller“ ist Tischlermeister Peter Koch gut im Gedächtnis geblieben. Sein Lehrling hatte einen Pickel am Ohr. Er kam – den Übeltäter am Hörorgan großzügig zugepflastert – in den Betrieb und reichte das Attest des Arztes ein: „Wegen Infektionsgefahr durch Holz hat der Arzt ihn zwei Wochen lang krankgeschrieben“, erzählt der Geschäftsführer der Schreinerei Koch. In dieser Zeit habe auch Blockunterricht in der Schule stattgefunden, einem Ort frei von Holzspänen. Aber natürlich setzte mit der Arbeitsunfähigkeit auch die Pflicht zum Schulbesuch aus.

Fälle wie diese ärgern den Tischlermeister aus Wuppertal. „Wer krank ist, ist krank und hat ein Recht auf Genesung“, stellt der Chef von fünf Mitarbeitern klar. Häufige Krankschreibungen wegen Kleinigkeiten würden aber nicht nur der Leistung des Unternehmens schaden, sondern auch den Teamspirit gefährden. „Darunter leiden alle Mitarbeiter und es schadet dem Betriebsklima.“

Koch wünscht sich von den behandelnden Ärzten mehr Augenmaß – etwa, dass sie vor einer Krankschreibung auch einen Blick auf die Arbeitsunfähigkeitshistorie des Mitarbeiters werfen. Der Tischlermeister will Krankschreibungen, die er für unangemessen hält, nicht wortlos hinnehmen. „Wenn eine Krankschreibung zum Himmel stinkt, muss man auch mal Fragen danach stellen dürfen“, sagt Koch.

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So können Handwerker Atteste überprüfen lassen

Die gute Nachricht für alle ausfallgeplagten Unternehmen: Das dürfen Sie auch. Für Fälle, in denen Arbeitgeber Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung haben, gibt es den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Fachärzte des MDK können ein ärztliches Attest begutachten und gegebenenfalls die Arbeitsunfähigkeit aufheben.

Hat ein Unternehmer Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Schein) eines Mitarbeiters, hat er das Recht, sie anzuzweifeln. Dazu meldet er sich zunächst bei der Krankenkasse des Mitarbeiters.

Bei der Innungskrankenkasse IKK classic ist das beispielsweise auf dem informellen Weg möglich. „Es genügt ein Anruf oder eine E-Mail“, sagt Michael Förstermann, Pressesprecher der IKK classic. Stuft die Krankenkasse die Zweifel des Arbeitgebers an der Krankschreibung als berechtigt ein, beauftragt sie den MDK mit einer Überprüfung.

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Voraussetzungen für eine Überprüfung

Zu den typischen Fällen für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung zählen laut Förstermann Szenarien wie dieses: Ein Mitarbeiter ist längere Zeit krankgeschrieben und wird dann bei einer Tätigkeit beobachtet, die nicht ins Bild der Krankschreibung passt. „Zum Beispiel wird er auf dem Volksfest gesehen oder dabei beobachtet, wie er Säcke beim Nachbarn schleppt“, sagt Förstermann. Die Innungskrankenkasse lasse aber auch Fälle prüfen, die nicht so eindeutig seien. „Es genügt, wenn der Arbeitgeber den Eindruck hat, dass der Mitarbeiter nicht wirklich krank ist und den Verdacht mit plausiblen Beobachtungen begründen kann“, sagt ihr Sprecher.

Eine Vorschrift, wie lange ein Mitarbeiter mindestens krankgeschrieben sein muss, um für eine Überprüfung infrage zu kommen, gibt es nicht. Die Krankenkasse könne auch Fälle von Versicherten zur Begutachtung vorlegen, die häufig kurze Zeit arbeitsunfähig sind, teilt dazu der MDK Sachsen-Anhalt mit. Einige Tage sollte die AU-Bescheinigung allerdings dauern, damit die Überprüfung ein wirksames Resultat hervorbringen kann. Denn innerhalb eines Tages lässt sich der Überprüfungsprozess eher nicht realisieren.

So überprüft der MDK AU-Fälle

Zur Überprüfung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung benötigt der MDK einen Auftrag der zuständigen Krankenkasse, schreibt der MDK Sachsen-Anhalt. Der Auftrag soll die Diagnose zur Arbeitsunfähigkeit und ein Anschreiben des Arbeitgebers enthalten.

Der MDK prüft die vorgelegten Unterlagen und entscheidet anhand dieser Informationen über das weitere Vorgehen. Bei Bedarf hält er Rücksprache mit dem behandelnden Arzt des Mitarbeiters. Und: Er kann den Mitarbeiter persönlich begutachten. Dafür gebe es auch eine zeitliche Empfehlung: Innerhalb von drei Tagen nachdem der MDK den Auftrag der Krankenkasse erhalten hat, soll der Patient zu einer persönlichen Begutachtung eingeladen werden.

Das passiert, wenn der MDK die Zweifel bestätigt

„Ist die Arbeitsunfähigkeit nicht (mehr) begründet, wird sie taggleich beendet“, heißt es beim MDK Sachsen-Anhalt. Der MDK teilt dann dem behandelnden Arzt und der Krankenkasse mit, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgehoben wurde. Die Krankenkasse informiert ihrerseits den Arbeitgeber.

Einen Haken hat die Beurteilung aus Arbeitgebersicht: Sie erfolgt niemals rückwirkend. „Das Beenden einer Arbeitsunfähigkeit durch den MDK beweist aber lediglich, dass zum Begutachtungszeitpunkt die Kriterien für eine Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorlagen“, schreibt der MDK Sachsen-Anhalt. Ob diese Kriterien schon am ersten Tag der Krankschreibung nicht vorlagen, sei nicht nachweisbar.

Somit kann der Arbeitgeber aus der Begutachtung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den MDK keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen ableiten. Das bestätigt auch IKK-classic-Sprecher Michael Förstermann: „Arbeitsrechtlich ist die Entscheidung des MDK nicht gehaltvoll.“

Grundsätzlich rät Förstermann Unternehmen, Überprüfungen durch den MDK erst als letztes Mittel in Betracht zu ziehen. „Zuvor sollten Arbeitgeber das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen und das Problem gezielt ansprechen“, sagt er. Befindet sich der Mitarbeiter noch in der Ausbildung, könne man ihn beispielsweise über die Folgen des häufigen Fehlens auf den Ausbildungserfolg und die mögliche Übernahme aufklären.

MDK-Fälle: Das sagt die Statistik

Bei der IKK classic ist die Zahl der AU-Fälle, die vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüft wurden, in den letzten Jahren zurückgegangen. Wurden 2014 noch 915 Fälle beim MDK angezeigt, sank die Zahl kontinuierlich bis auf 620 Fälle im Jahr 2018. Zur Einordnung: 2018 zählte die Innungskrankenkasse gut 2,1 Millionen Arbeitsunfähigkeitsfälle. Damit landeten nur rund 3 von 10.000 AU-Fällen, die bei ihr eingingen, auf den Schreibtischen des MDK.

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