Restholzfreunde-Gründerin Susanne Witt von der Tischlerei Gilhaus: Die Entsorgung wertvoller Resthölzer „tut mir in der Seele weh“.
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Restholzfreunde-Gründerin Susanne Witt von der Tischlerei Gilhaus: Die Entsorgung wertvoller Resthölzer „tut mir in der Seele weh“.

Inhaltsverzeichnis

Strategie

Restholzfreunde: nachhaltige Lösung für Holzreste

Kostenlos, einfach – und umweltfreundlich: Auf restholzfreunde.de können holzverarbeitende Betriebe Holzreste mühelos verkaufen, statt sie zu entsorgen.

  • Die Online-Böse restholzfreunde.de soll einen Beitrag zur Nachhaltigkeit in holzverarbeitenden Gewerken leisten: Betriebe können hier kostenlos ihre Holzreste verkaufen.
  • Die Idee zum Angebot hatte Susann Witte, Mitgeschäftsführerin einer Tischlerei, weil ihr die Entsorgung wertvoller Hölzer „in der Seele wehtut“.
  • Die Börse ist noch neu, doch positive Erfahrungen hat ein Kollege schon gesammelt: Statt teure Multiplex-Reste gegen Geld zu entsorgen, verkaufte er zwei Tonnen von dem Material online für fast 700 Euro. Umwelteffekt: 3,7 Tonnen CO2 eingespart.

Was tun mit den Materialresten? Handwerksbetriebe stellen die Überbleibsel der laufenden Aufträge vor ein Problem: Durch Lieferengpässe und steigende Materialpreise werden die Reste immer wertvoller. Doch die Lagerkapazitäten sind knapp,  also bleibt oft nur die teure Entsorgung – und das ist alles andere als nachhaltig.

Für eine andere Lösung hat sich Susann Witte, Mitgeschäftsführerin der Tischlerei Gilhaus in Jork,  entschieden: Auf der Website restholzfreunde.de hat sie mit einigen Mitstreitern eine Online-Börse für Restholz gegründet. Dort können holzverarbeitende Betriebe kostenlos ihre Holzreste zum Verkauf anbieten, aber auch andere Materialreste wie Plattenwerkstoffe, Beschläge oder Kanten.

Einfach und nachhaltig: restholzfreunde.de

Restholzfreunde.de funktioniert nach einem einfachen Prinzip: minimaler Aufwand und keine Kosten. Wer hier seine Holzreste anbieten will, muss sich nur registrieren. Die Bestätigungsmail kommt im Handumdrehen und schon kann es losgehen: Foto hochladen, eine kurze Beschreibung und den Preis eingeben, Kontaktdaten für potenzielle Käufer hinterlegen, fertig.

So sehen Interessenten die Angebote auf restholzfreunde.de
Foto: restholzfreunde
So sehen Interessenten die Angebote auf restholzfreunde.de

Kontakt nehmen Interessenten direkt mit dem Anbieter auf und klären untereinander Lieferung und Bezahlung. Potenzielle Käufer sind zum Beispiel Tischlereien, aber auch Verbraucher, Hobbyhandwerker, Schulen und Organisationen wie Behinderten- und Jugendwerkstätten.

„Es fallen keine Gebühren an, weil wir damit kein Geld verdienen wollen“, sagt Susann Witte. „Uns geht es um einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.“ Angenehmer Nebeneffekt: Anbieter sparen sich die Kosten der Entsorgung und können mit den Resten etwas Geld verdienen. Die Käufer auf der anderen Seite können so kurzfristig und günstig Restbestände erwerben. Und beide Seiten leisten einen Beitrag zur CO2-Reduzierung.

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Es klappt: 680 Euro verdient statt 100 Euro verbrannt

Dass sich der Verkauf über restholzfreunde.de ökologisch und wirtschaftlich lohnt, zeigt Witte an einem Beispiel der befreundeten Tischlerei Edgar Ritter Holzdesign. Der Innungsbetrieb aus Hamburg hatte nach einem Auftrag zur Fertigung von 80 Transport- und Lagerkisten aus 18 Millimeter starken Birke Mulitplexplatten 160 Verschnittstücke übrig, fast 140 Quadratmeter mit einem Gesamtgewicht von zwei Tonnen.

Ritter bot die Platten auf restholzfreunde.de an. Es fand sich ein Käufer für die Multiplexstücke– zu 4,86 Euro pro Quadratmeter. Der Käufer kümmerte sich um den Transport und zahlte rund 680 Euro für die Platten. Der Neupreis hätte ihn fast das Fünffache gekostet.

Für Witte ein Win-Win-Win-Ergebnis für Verkäufer, Käufer und die Umwelt. „Die Entsorgung hätte die Tischlerei rund 100 Euro gekostet und bei der anschließenden Verbrennung wären circa 3,7 Tonnen CO2 entstanden“, rechnet sie vor.

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Nicht nur „Reste“ im Angebot

Restholzfreunde.de ist für Witte zunächst einmal ein regionales Angebot für Interessenten in der Nähe von Jork bei Hamburg: „Regionale Kreisläufe sind wichtig für die CO2-Senkungen. Aber auch bei solch kleinen Mengen ist es natürlich wichtig, dass die Wege nicht zu weit sind, sonst würden die Transportkosten schnell den Materialpreis übersteigen.“ Bei großen Restposten könnten sich aber auch längere Wege ökologisch und wirtschaftlich rechnen.

Das Problem mit den Holzresten

Auch die Tischlerei Gilhaus selbst nutzt die Restholzbörse. Tatsächlich ist die Tischlerei derzeit der wichtigste Anbieter auf der Plattform. „Wir sind noch zu wenig bekannt“, sagt Witte. Doch das werde sich ändern, ist sie überzeugt. Das wachsende Umweltbewusstsein, Materialknappheit und steigende Preise würden solchen regionalen Initiativen Aufwind bescheren.

Auf rund 30 Tonnen Restholz pro Jahr kommt die Tischlerei, „je nach Auftragslage“, sagt Witte. Rund 40 Prozent davon seien problemlos wiederverwendbar, schätzt die Betriebswirtin. Durch die gestiegenen Ansprüche der Kunden seien das oft hochwertige Holzreste, welche die Tischlerei wegen der knappen Lagerflächen eigentlich entsorgen müsse. „Das tut mir in der Seele weh, und jeder, der gerne mit Holz arbeitet, kann das nachvollziehen“, sagt Witte.

Nachhaltig aus unternehmerischer Verantwortung

Die Tischlerei Gilhaus tut auch sonst viel für die Nachhaltigkeit: Der Betrieb mit seinen 15 Mitarbeitern verwendet zertifiziertes Plantagenholz, wann immer es geht. Lassen sich lösungsmittelhaltige Lacke nicht vermeiden, trennt das Unternehmen in einem speziellen Destilliergerät die Lösungsmittel aus den Lackresten und reinigt damit Pinsel, Spritzpistolen und verunreinigte Flächen. Die Produktion soll bis 2023 klimaneutral werden und für die Lieferungen leistet das Unternehmen einen CO2-Ausgleich an die Klimaschutzorganisation Atmosfair. Eine Photovoltaik Anlage produziert nahezu sämtlichen Strom, den die Tischlerei im Jahr verbraucht.

Nachhaltigkeit gehört für die Chefs zur unternehmerischen Verantwortung: „Für eine ressourcenschonende und umweltfreundliche Produktionsweise zu sorgen – wo immer es geht – ist eine Pflicht für alle verantwortungsbewussten Unternehmen“, schreiben sie dazu auf ihrer Website.

Nur für die Holzreste fehlte der Tischlerei lange Zeit eine Lösung. „Als Susann die Idee mit der Restholzfreunde-Plattform hatte, wurde mir gleich klar, dass dies die Lösung für nicht mehr benötigte, aber wertige Lagerbestände werden kann, ohne im Chaos zu versinken“, bestätigt Inhaber Friedrich Gillhaus. „Wir - Tischler und Schreiner - müssen nur alle mitmachen, dann können wir in jeder Hinsicht viel gewinnen.“

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