Foto: Firma V - stock.adobe.com
young man is annoyed about a letter

Inhaltsverzeichnis

BGH-Urteil

Individuelle Bauteile: Verbraucher darf Werkvertrag widerrufen

Ein Kunde widerruft einen Vertrag vier Monate nach Vertragsschluss. Das geht, entschied der Bundesgerichtshof – obwohl der Betrieb dafür maßgefertigte Bauteile bestellen musste.

Auf einen Blick:

  • Verbraucher haben immer dann ein Widerrufsrecht, wenn sie Verträge außerhalb von Geschäftsräumen abschließen. Diese Regelung gilt laut BGB aber nicht, wenn es in den Verträgen um die Lieferung nicht vorgefertigter Waren geht.
  • Der Bundesgerichtshof (BGH) musste jetzt entscheiden, ob ein Verbraucher auch einen Vertrag nach vier Monaten widerrufen kann, wenn dafür individuell gefertigte Bauteile benötigt werden.
  • Ja, befanden die Karlsruher Richter. Der Kunde hat ein Widerrufsrecht, weil es bei dem Werkvertrag nicht in erster Linie um die Lieferung einer Ware ging sondern um ein funktionierendes Werk.
  • Folge für den Betrieb: Ihm steht kein Ersatz für die Leistungen zu, die er bis zum Widerruf erbracht hat.

Das Widerrufsrecht für Verbraucherverträge birgt einige Tücken für Unternehmer. Es sieht vor, dass Verbraucher Verträge innerhalb von zwei Wochen immer dann widerrufen können, wenn sie die Verträge außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen haben. Es gibt aber eine ganze Reihe von Verträgen, für die dieses Widerrufsrecht nicht gilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste nun entscheiden, ob Verbraucher Verträge auch dann widerrufen können, wenn dafür individuell gefertigte Bauteile benötigt werden.

Individuelle Bauteile: Kunde widerruft Vertrag nach vier Monaten

Der Fall: Ein Betrieb schließt mit einem Verbraucher einen Werkvertrag. Darin verpflichtet sich das Unternehmen zum Preis von 40.600 Euro einen Lift beim Kunden zu montieren – etwa zehn Wochen nach Aufmaß und Bestellung der maßgefertigten Bauteile.

Den Vertrag unterschreibt der Verbraucher im Mai 2015 zu Hause. Kurze Zeit später erhält er die Planungsunterlagen und begleicht eine Vorschussrechnung in Höhe von 12.435 Euro. Wegen Unstimmigkeiten tritt der Kunde Anfang Juni zunächst mündlich vom Vertrag zurück. Ende September widerruft er den Vertrag dann schriftlich und fordert vom Betrieb die gezahlte Summe zurück. Der Streit landet vor Gericht.

BGH: Der Kunde hat ein Widerrufsrecht

Das Urteil: Der Kunde hat ein Widerrufsrecht, entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Zwar haben Verbraucher nach Paragraf 312g Absatz 2 Satz 1 kein Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die individuell auf die Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Doch diese Regelung greift in diesem Fall nicht, so die Karlsruher Richter. Grund: Der geschlossene Vertrag ist kein Vertrag über die Lieferung von Waren. Werkverträge sind per Definition nicht auf die Lieferung von Waren ausgerichtet. Dabei schuldet der Unternehmer nach Rechtsprechung des BGH in der Regel ein funktionierendes Werk. So auch in diesem Fall: Denn Schwerpunkt des Vertrages war nicht der Warenumsatz, sondern die Planung und funktionstaugliche Einpassung des Lifts.

Warum der Widerruf auch vier Monate nach Vertragsschluss wirksam ist

Die BGH-Richter befanden zudem, dass der Kläger sein Widerrufsrecht auch wirksam ausgeübt hat. Denn der Kunde hat spätestens Ende September seinen Widerruf in eindeutiger Weise erklärt. Zu diesem Zeitpunkt hat er die 14-tägige Widerrufsfrist, die grundsätzlich mit Vertragsabschluss beginnt, eingehalten. Grund dafür ist, dass das Unternehmen den Verbraucher nicht über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts aufgeklärt hatte. Daher endet die Widerrufsfrist in diesem Fall erst nach 12 Monaten und 14 Tagen.

Aus diesem Grund entschieden die Karlsruher Richter auch, dass das Unternehmen keinen Anspruch auf Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen hat. Der Betrieb muss den vom Kunden gezahlten Vorschuss in voller Höhe zurückzahlen.

BGH, Urteil vom 30. August 2018, Az. VII ZR 243/17

Auch interessant: [embed]https://www.handwerk.com/widerrufsrecht-fuer-verbrauchervertraege[/embed]

Neue Falle beim Widerrufsrecht!

Wer einen Verbraucherbauvertrag abschließt, muss seine Kunden immer über das Widerrufsrecht informieren. Wo der Vertrag abgeschlossen wird, spielt keine Rolle mehr. Wird das nicht beachtet, kann der Kunde noch nach über einem Jahr widerrufen.
Artikel lesen

Bauvertragsrecht: Das Widerrufsrecht wird auf Neubauten ausgeweitet

Bei vielen Verträgen haben Verbraucher schon seit 2014 ein Widerrufsrecht. Doch das wird 2018 mit dem neuen Bauvertragsrecht noch deutlich ausgeweitet. Was für Handwerksbetriebe deshalb noch wichtiger wird: die richtige Aufklärung.
Artikel lesen

Frustriert von der Mitarbeitersuche?

handwerk.com und die Schlütersche helfen Ihnen Ihre offenen Stellen einfach, zeit- und kostensparend mit den richtigen Kandidaten zu besetzen! Mehr als 500 Betriebe vertrauen uns bei der Mitarbeitersuche!

Jetzt Bewerber finden!

Wir haben noch mehr für Sie!

Praktische Tipps zur Betriebsführung und Erfahrungsberichte von Kollegen gibt es dienstags und donnerstags auch direkt ins Postfach: nützlich, übersichtlich und auf den Punkt.
Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an - schnell und kostenlos!
Wir geben Ihre Daten nicht an Dritte weiter. Die Übermittlung erfolgt verschlüsselt. Zu statistischen Zwecken führen wir ein anonymisiertes Link-Tracking durch.
Shop mit Stil: Maik Gerecke im Ladengeschäft des Magdeburger Schuhmachermeisterbetriebs Schuh Gerecke.

Digitalisierung + IT

Kreatives eCommerce: Individuelle Dienstleistung, online bestellt

Machen Online-Shops im Bau und Ausbau wenig Sinn – oder fehlt es nur an Ideen? Dieser Kollege aus einem anderen Gewerk zeigt eine kreative Lösung.

    • Digitalisierung + IT
"Ich will mein Geld!" Diese 6 Optionen haben Sie, um Ihr Geld vom Auftraggeber einzufordern. 

Unternehmensfinanzierung

6 Optionen: So schützen Sie sich vor Zahlungsausfall

Sie wollen sich vor zahlungsunwilligen Auftraggebern schützen – und zwar richtig? 6 Optionen gibt es. Welche ist die beste?

    • Unternehmensfinanzierung
Verbraucher widerruft Haustürgeschäft rechtmäßig: Laut EuGH muss der Betrieb die Kosten tragen, die ihm während der Widerrufsfrist entstanden sind.

EuGH-Urteil

Widerrufsbelehrung fehlt: Handwerker erhält kein Geld

Bei Haustürgeschäften müssen Handwerker über das Widerrufsrecht aufklären. Versäumen sie das, steht ihnen laut EuGH kein Geld zu – auch wenn die Leistung voll erbracht ist.

    • Recht, Baurecht
Dachdeckerbetrieb unterbreitet Angebot für Reparatur: Weil der Kunde das erst nach einem Tag Bedenkzeit annimmt, hat er laut BGH kein Widerrufsrecht.

Recht

Auftragsbestätigung am nächsten Tag: Kein Widerrufsrecht!

Wenn Handwerker mit Kunden um das Widerrufsrecht streiten, ziehen Betriebe oft den Kürzeren. Doch in diesem Fall hat der BGH zu Gunsten eines Dachdeckers entschieden.

    • Recht, Baurecht