Dachdeckerbetrieb unterbreitet Angebot für Reparatur: Weil der Kunde das erst nach einem Tag Bedenkzeit annimmt, hat er laut BGH kein Widerrufsrecht.
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Dachdeckerbetrieb unterbreitet Angebot für Reparatur: Weil der Kunde das erst nach einem Tag Bedenkzeit annimmt, hat er laut BGH kein Widerrufsrecht.

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Recht

Auftragsbestätigung am nächsten Tag: Kein Widerrufsrecht!

Wenn Handwerker mit Kunden um das Widerrufsrecht streiten, ziehen Betriebe oft den Kürzeren. Doch in diesem Fall hat der BGH zu Gunsten eines Dachdeckers entschieden.

Auf einen Blick:

  • Ein Dachdeckerbetrieb arbeitet auf einer Baustelle, dabei bemerkt er einen Defekt am Dach des Kunden. Er unterbreitet ihm daraufhin ein Zusatzangebot, dass der Mann nach einem Tag Bedenkzeit annimmt. Später widerruft der Kunde den Vertrag und fordert sein Geld zurück.
  • Vor dem Bundesgerichtshof kommt er damit nicht durch. Begründung der Richter: In diesem Fall liege kein Außergeschäftsraumvertrag vor, weil der Kunde einen Tag Bedenkzeit hatte.
  • Für Handwerker, die mit Kunden einen Außergeschäftsraum-, Fernabsatz- oder Verbraucherbauvertrag schließen, bleibt Aufklärung weiterhin wichtig – am besten schriftlich.

Beim Abschluss bestimmter Verträge genießen Verbraucher besonderen Schutz. „Deshalb müssen Handwerker, die mit Privatkunden einen Außergeschäftsraum-, Fernabsatz- oder Verbraucherbauvertrag schließen, über das 14-tägige Widerrufsrecht aufklären“, sagt Tobias Hullermann, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Die Crux daran: Kommen Handwerker ihren Aufklärungspflichten nicht oder nicht ausreichend nach, verlängert sich die Widerrufsfrist um 12 Monate. Diese Regelung hat schon so manchen Kollegen um den Werklohn gebracht – trotz mangelfrei erbrachter Leistung. Gerecht fühlt sich das nicht immer an. Doch der Schutz der Verbraucher hat beim Widerrufsrecht durchaus Grenzen. Das zeigt zumindest der Fall eines Dachdeckerbetriebs, mit dem sich der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich beschäftigen musste.

Worum geht es in dem Fall?

Der Dachdeckerbetrieb hatte einen Vertrag mit dem Besitzer eines Reihenhauses geschlossen. Er sollte die Dachrinnen erneuern und Abdichtungsarbeiten durchführen. Während der Bauarbeiten bemerkte ein Mitarbeiter, dass der Wandanschluss des Daches defekt war. Er rief im Betrieb an und der unterbreitete dem Kunden telefonisch ein Zusatzangebot für die Reparatur. Der Kunde bestätigte dem Mitarbeiter auf der Baustelle einen Tag später den Auftrag über rund 1.200 Euro.

Daraufhin erbrachten die Dachdecker alle Arbeiten und der Kunde zahlte den Werklohn. Doch ein Jahr und 14 Tage nach Vertragsschluss widerrief der Hauseigentümer beide Verträge und forderte sein Geld zurück. Er überreichte den Dachdeckern zudem noch einen Flyer mit der Überschrift „Der Handwerker-Widerruf – schützen Sie sich vor unseriösen Handwerkern“. Bei der Übergabe erklärte der Kunde, er habe „daraus ein neues Geschäftsmodell“ entwickelt.

Daraufhin verweigerte der Betrieb die Rückzahlung des Werklohns und der Kunde zieht vor Gericht. Das Amtsgericht Hameln entscheidet zunächst zu Gunsten des Betriebs, der Kunde habe das Widerrufsrecht „rechtsmissbräuchlich“ ausgeübt. Das Landgericht Hannover gibt dem Kunden zumindest bezüglich des Zusatzauftrags Recht. Damit will sich der Betrieb nicht abfinden und legt Revision beim BGH ein.

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Was hat der BGH entschieden?

Die Karlsruher Richter (Urteil vom 6. Juli 2023, Az. VII ZR 151/22) entscheiden schließlich, dass der Kunden keinen Anspruch auf die Rückzahlung der rund 1.200 Euro für den Zusatzauftrag hat. Begründung: Der Vertrag sei kein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag, wie es gemäß § 312b Abs. 1 BGB erforderlich ist.

Laut dieser Regelung müssen bei Vertragsschluss beide Vertragspartner gleichzeitig anwesend ein. Zudem ist es erforderlich, dass bei dieser Gelegenheit sowohl das Angebot als auch die Annahme erklärt werden. Doch diese beiden Voraussetzungen waren nach Auffassung der BGH-Richter in diesem Fall nicht erfüllt, weil der Kunde das Angebot erst am nächsten Tag angenommen habe.

„Der Kunde hatte dadurch Zeit zu überlegen“, erläutert Hullermann die Gerichtsentscheidung. Aus Sicht des BGH sei er bei Vertragsabschluss somit keiner Druck- und Überraschungssituation ausgesetzt gewesen. „Der Verbraucher soll beim Außergeschäftsraumverträgen davor geschützt werden, dass er Vertragsverhandlungen an Orten führt, an denen er damit nicht rechnet und überrumpelt werden könnte“, erläutert der Jurist, der Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für Bau und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein ist.

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Was können Handwerker lernen?

Auch nach dem BGH-Urteil bleibt Aufklärung weiter wichtig: „Beim Abschluss von Außergeschäftsraum-, Fernabsatz- und Verbraucherbauvertrag sollten Handwerker ihre Kunden grundsätzlich schriftlich über das Widerrufsrecht aufklären, um ihr finanzielles Risiko zu minimieren“, sagt Hullermann Entsprechende Musterformulierungen seien im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) beziehungsweise dem BGB zu finden.

Das Widerrufsrecht sei zwar auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht vollständig vom Tisch: „Die Frist für den Widerruf verringert sich aber durch die Aufklärung deutlich“, sagt der Jurist. Dann könnten Kunden den Vertrag nur 14 Tage lang widerrufen.

Für Handwerker, die mit den Bauarbeiten schon vor dem Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist anfangen, hat Hullermann einen Tipp: „Bei Außergeschäftsraum- und Fernabsatzverträgen können Sie den Kunden belehren, dass er Wertersatz zu leisten hat, wenn Sie vor Ablauf der Widerrufsfrist mit den Arbeiten beginnen.“ Bei einem Widerruf müsse der Kunde dann zumindest für die bis dahin erbrachten Leistungen bezahlen.

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