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Betriebsprüfung: Wann droht die Hinzuschätzung?

Betriebsprüfungen enden häufig mit einer Hinzuschätzung. Das liegt teilweise an der Digitalisierung – aber oft auch an ganz altmodischen Fehlerquellen.

Auf einen Blick

  • Eine Hinzuschätzung bei der Gewinnermittlung kann zu satten Steuernachzahlungen führen.
  • Auslöser sind unter anderem Fehler in der Buchführung. Vor allem formelle Verstöße gegen die GoBD sorgen immer öfter für Ärger. Fündig werden die Prüfer aber auch an vielen anderen, teilweise überraschenden Stellen: beim Wareneinsatz, dem privaten Lebensstil oder auch dem Datum der Kontoauszüge.
  • Die gute Nachricht: Nicht jeder Fehler in der Buchführung ist ein Grund für eine Hinzuschätzung.

Hinzuschätzungen sind eine der gefürchtetsten Waffen der Finanzverwaltung: Wird der Fiskus bei einer Betriebsprüfung fündig, so kann er abweichend von der Steuererklärung den Gewinn eines Unternehmens ermitteln. Für die Betroffenen ist das in der Regel mit erheblichen Nachzahlungen und Strafzinsen verbunden.

Wo greifen die Betriebsprüfer an?

Hinzuschätzungen sind schmerzhaft – und das nicht erst seit der Einführung der Grundsätze der ordnungsgemäßen digitalen Buchführung (GoBD). Zwar würden sich die Hinzuschätzungen und Urteile wegen formeller Verstöße gegen die GoBD häufen, berichtet Steuerberater André Strunz von der Kanzlei Ecovis in Hannover. Doch mindestens ebenso gravierend seien die vielen anderen Fehler, die die Prüfer in Buchführung und Kassenaufzeichnungen finden. „Kaum eine Buchführung ist perfekt“, warnt der Steuerberater.

Fehler #1: Keine zeitnahe Buchung

Unternehmen sind verpflichtet, alle Buchungen zeitnah vorzunehmen. Ob das passiert, erkennen Betriebsprüfer oft schon an den Kontoauszügen. Strunz: „Wenn jemand seine Kontoauszüge nur einmal im Monat zieht und die Belege dahinter heftet, dann ist das für das Finanzamt eindeutig nicht mehr zeitnah.“

Fehler #2: Barbelege werden am Monatsende gebucht

Wenn Quittungen für Geschäftsessen und Parkuhren erst am Monatsende oder gar erst am Jahresende aufgezeichnet und gebucht werden, ist auch das zu spät. Das Finanzamt erkennt an der Buchungsnummer, wann der Unternehmer den Beleg gebucht oder bei seinem Steuerberater eingereicht hat. „Da kann man auch nicht tricksen, das ist viel zu kompliziert“, warnt der Experte. Zudem erkenne das Finanzamt auch an der Umsatzsteuervoranmeldung, wenn etwas später eingereicht wurde.

Fehler #3: Wareneinsatzquote ist nicht schlüssig

Einen besonderen Blick haben die Prüfer auf die Wareneinsatzquote. Bei Abweichungen von Durchschnittswerten liegt der Verdacht nahe, dass jemand im Betrieb Geschäfte an der Kasse vorbei macht.

Doch ein zu hoher Wareneinsatz kann auch andere Ursachen haben. „Wenn ein Tischler einen vergleichsweise hohen Verschnitt hat, kann auch das zu einer hohen Wareneinsatzquote führen, da kann man mit dem Finanzamt schon verhandeln“, sagt der Steuerberater.

Schwieriger wird es, wenn der Chef den hohen Materialeinkauf mit Diebstählen begründet: Einen Diebstahl muss das Unternehmen anzeigen und den Verlust entsprechend aufzeichnen und buchen. „Ohne eine offizielle Anzeige wird das Finanzamt diese Begründung nicht akzeptieren“, warnt Strunz.

Fehler #4: Chaotische Kassenführung

In der Kassenführung gibt es zahlreiche Fehlerquellen, die Betriebsprüfern auffallen, auch bei einer Kassennachschau. Dazu zählen:

  • häufige Überschreibungen und nachträgliche Änderungen im Kassenbuch,
  • erhebliche Rechenfehler im Kassenbuch,
  • gerundete Tageseinnahmen bei offenen Ladenkassen statt centgenaue Beträge und
  • Kassenfehlbeträge.

Fehler #5: Einnahmen und Zahlungen ohne Belege

Erfolgen Bareinzahlungen in die Kasse oder auf das Firmenkonto ohne Beleg, so ist das verdächtig: Woher stammt das Geld? Wer nicht in den Verdacht der Steuerhinterziehung und der Schwarzarbeit oder Geldwäsche geraten will, sollte gute Argumente haben – und sie beweisen können.

Ähnlich sieht es auf der Ausgabenseite aus: Wer Rechnungen bar bezahlt, muss sich ebenfalls unbequemen Fragen stellen. „Da sollte man nicht lügen, das fliegt eh auf, da praktisch jede legale Herkunft von Geldern für den Fiskus lückenlos nachvollziehbar ist“, sagt Strunz. „Selbst wenn die 1.000 Euro ein Geschenk der Schwiegermutter zu Weihnachten waren, wird das Finanzamt das nachvollziehen und am Ende prüfen, woher sie das Geld hatte.“

Fehler #6: Privateinlagen und -entnahmen sind nicht schlüssig

Ein wichtiges Kontrollinstrument jedes Prüfers sind die Geldverkehrsrechnung und die Vermögenszuwachsrechnung.

Beim Geldverkehr geht es um die laufenden Einnahmen und Ausgaben im Monat: Wie viel zahlt der Unternehmer in den Betrieb ein, wie viel entnimmt er – und kann er davon leben? Wer offiziell nur 500 Euro im Monat entnimmt und davon eine dreiköpfige Familie ernähren will, kommt in Beweisnöte. „Dann wird hinzugeschätzt: Wie hoch ist der private Bedarf im Monat und welcher Gewinn ist dafür erforderlich?“, sagt Strunz.

Bei der Vermögenszuwachsrechnung prüft das Finanzamt, ob die Gewinne und der Vermögenszuwachs zueinander passen. Auch hier kommt es leicht zu Hinzuschätzungen: „Selbst wenn der Handwerker die zwei Eigenheime angeblich in Eigenleistung gebaut hat, bleibt eine Frage: Woher stammt das Material?“

Fehler # 7: Formelle Mängel nach GoBD

Doch auch die formellen Mängel in der digitalen Buchführung können Hinzuschätzungen auslösen. Hier seien aber zwei Fälle zu unterscheiden, betont André Strunz:

  • Formelle Mängel, die alleine für eine Hinzuschätzung nicht genügen: Wenn Handbücher, Programmieranleitungen oder die Verfahrensdokumentation der digitalen Buchführung fehlen, dann gilt das als formeller Mangel. Das alleine genügt jedoch nicht für eine Schätzung. Vielmehr muss der Betriebsprüfer nachweisen, dass tatsächlich materielle Mängel vorliegen – und dass diese Mängel keine Einzelfälle sind. „Er muss also den materiellen Nachweis erbringen, dass der Umsatz nicht stimmt, zum Beispiel durch Betriebsvergleiche“, sagt Strunz.
  • Formelle Mängel, die sofort eine Hinzuschätzung erlauben: Wenn Protokolldateien fehlen, die Veränderungen in den Buchungsvorgängen wie auch an der Software selbst dokumentieren, dann ist das ein ausreichender Grund für eine Hinzuschätzung. Denn ohne diese Protokolldateien haben die Steuerprüfer keine Chance, überhaupt noch nachzuvollziehen, wie aussagekräftig die vorhandenen Aufzeichnungen sind oder ob sie einfach komplett manipuliert wurden. Das betrifft sowohl elektronische Kassen wie auch jede andere steuerrelevante Software.

Allerdings darf die Hinzuschätzung in beiden Fällen nicht willkürlich erfolgen: Der Prüfer muss die Höhe der Schätzung begründen. Dafür kann er verschiedene Schätzverfahren nutzen, aber auch Vergleichsdaten von Betrieben gleicher Größe in derselben Branche heranziehen.

Was tun, wenn Hinzuschätzung droht?

Der wichtigste Rat von André Strunz: „Unternehmer sollten alles vermeiden, was auch nur im Ansatz nach systematischen, sich wiederholenden oder gravierenden Fehlern aussieht“, sagt der Steuerberater. Denn dann stehe der Verdacht der Steuerhinterziehung im Raum, also einer Straftat mit gravierenden Folgen. „Dann sollte man nichts mehr sagen und einen Anwalt einschalten.“

Über alles andere könne man verhandeln, auch über die Höhe einer Hinzuschätzung.

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