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Closes up Human hand is holding Electric Car Charging connect to Electric car

Inhaltsverzeichnis

Fuhrpark

Reichweite Elektrofahrzeug: Wie weit kommen Sie wirklich?

Harte Fakten zur Reichweite: Lesen Sie, was Sie von Prüfstandmessungen erwarten dürfen und wie die Elektrofahrzeuge auf der Straße abschneiden.

Auf einen Blick:

  • Wie viele Kilometer Reichweite schafft dieses Elektrofahrzeug wirklich? Kann ich den Herstellerangaben trauen? Das sind zwei der zentralen Fragen beim Kauf eines E-Mobils.
  • Einen ersten Richtwert, wie realistisch die Reichweitenangabe des Herstellers ist, liefert das Prüfverfahren, das der Verbrauchs- und Reichweitenmessung zu Grunde liegt: NEFZ oder WLTP.
  • Achtung: Fahrzeug-Händler sind derzeit noch verpflichtet Ihnen beim Kraftstoff- oder Stromverbrauch eines Fahrzeugs die unrealistischeren NEFZ-Daten zu präsentieren.
  • Wie realistisch ist die WLTP-Messung? Auskunft darüber gibt ein Vergleich mit dem strengeren ADAC Ecotest und realen Fahrzeugmessungen.
  • Machen Sie sich selbst ein Bild: Wir haben die Ergebnisse aus WLTP-Daten, Ecotest-Messungen und reale Fahrdaten für Sie anschaulich gegenübergestellt.

Wer vor dem Kauf eines Elektro-Nutzfahrzeugs oder eines Elektroautos steht, dem wird eine entscheidende Frage durch den Kopf gehen: Wie viele Kilometer fährt dieses Fahrzeug mit einer Batterieladung wirklich?

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Eine verlässliche Antwort darauf zu finden ist selten einfach. Im Dschungel von Prüfverfahren, Kennzeichnungspflichten und den variablen äußeren Einflüssen auf die echte Reichweite eines Elektroautos bleibt der Überblick schnell auf der Strecke.

Hier erfahren Sie, worauf es ankommt, wenn Sie die Reichweite Ihres Wunsch-Elektro-Fahrzeugs richtig bewerten wollen.

Reichweite: Was Sie über NEFZ und WLTP wissen sollten

Für Verbrenner wie für Elektromobile gilt: Die vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerte und Reichweiten sind nur so realitätsnah, wie die Prüfverfahren (Fahrzyklen), in denen sie ermittelt wurden. Da gibt es aktuell zwei Verfahren, die für dasselbe Fahrzeug sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern: NEFZ und WLTP.

Das NEFZ-Verfahren ist inzwischen 28 Jahre alt und wurde in den letzten Jahren vielfach kritisiert, weil er sehr positive Messergebnisse produziert, die vom Realbetrieb sehr stark abweichen. 2018 hat die Forschungsorganisation ICCT bei 1,3 Millionen Fahrzeugen untersucht, wie stark diese Abweichung ist. Ergebnis: Der reale Verbrauch der Fahrzeuge war im Schnitt 39 Prozent höher, als bei der NEFZ-Messung ermittelt wurde.

Mit dem WLTP-Verfahren hat die United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) daher ein Testverfahren entwickelt, das bei PKW und leichten Nutzfahrzeugen bis 3,5 Tonnen realitätsnähere und international vergleichbare Testergebnisse liefern soll. Laut Verband der Automobilindustrie erhöht sich der Verbrauch eines Fahrzeugs im WLTP-Test gegenüber dem NEFZ-Test um etwa 20 Prozent. Mit diesem Mehrverbrauch nähern sich die Messwerte im WLTP-Zyklus dem realen Verbrauch eines Fahrzeugs an.

Dennoch kann auch der WLTP nur Näherungswerte liefern. Das liegt zum einen an individuellen Faktoren, wie Gelände und Fahrstil. Zum anderen liegt es auch daran, dass große Verbraucher wie Heizung und Klimaanlage im WLTP-Zyklus – ebenso wie im NEDZ-Verfahren – nicht getestet werden.

Achtung: Sie bekommen vor allem NEFZ-Daten zu sehen

Obwohl die Reichweitenangaben des WLTP-Zyklus wesentlich näher am realen Verbrauch sind als die des NEFZ-Zyklus, werden Ihnen in Deutschland aktuell vor allem NEFZ-Daten der Fahrzeuge präsentiert. Dabei hat der WLTP-Zyklus bereits 2018 den NEFZ-Zyklus als Testverfahren für neuzugelassene Fahrzeuge ersetzt.

Warum bekommen Sie vor allem NEFZ-Daten zu sehen? Die Ursache liegt nicht bei Fahrzeughändlern oder der Automobilindustrie, sondern in der Politik. Autohändler sind aktuell verpflichtet, Ihnen die realitätsferneren NEFZ-Zahlen zu präsentieren: Auf dem Pkw-Label, das Autokäufer transparent über den Kraftstoff- und Stromverbrauch ihres Fahrzeugs informieren soll, dürfen die realitätsnäheren WLTP-Angaben derzeit überhaupt nicht aufgeführt werden.

Erst wenn die Bundesregierung ihre Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung novelliert hat – geplant ist das laut Deutsche Energieagentur für das zweite Halbjahr 2020 –, dürfen die Händler auf WLTP-Messergebnisse umstellen. Zuvor sind lediglich freiwillige Angaben in Form von separaten Hinweisen gestattet.

Das unterscheidet NEFZ- und WLTP-Messung

NEFZ-Zyklus auf einen Blick: Der sogenannte „Neue europäische Fahrzyklus“ NEFZ (englisch: NEDC) wurde 1992 zur Ermittlung von Schadstoffemissionen bei leichten Kraftfahrzeugen ins Leben gerufen. Das sind die wichtigsten Eckpunkte der NEFZ-Messung:

  • Simulierte Testfahrt auf einem Rollenprüfstand mit einer Dauer von knapp 20 Minuten.
  • Gefahren werden zwei Testzyklen: Ein Stadtzyklus (wird viermal gefahren) und ein Überlandzyklus mit sehr kurzer Autobahnfahrt.
  • Die kurzzeitig erreicht Höchstgeschwindigkeit liegt bei 120 km/h, die Durchschnittsgeschwindigkeit über des gesamten Test bei 34 km/h.
  • Sonderausstattungen, die den Verbrauch erhöhen können, werden im NEFZ nicht berücksichtigt.
  • Link: Offizielles Dokument zum NEFZ-Testzyklus bei Elektro-Fahrzeugen (siehe S. 50 ff).

WLTP-Zyklus auf einen Blick: Das WLTP-Verfahren soll laut Bundesregierung, die Lücke zwischen Prüfstandswerten und realen Kraftstoffverbräuchen weitest möglich zu schließen. Das sind seine wichtigsten Eckdaten:

  • Simulierte Testfahrt auf einem Rollenprüfstand mit einer Dauer von knapp 30 Minuten bei einer Streckenlänge von gut 23 Kilometer.
  • Vier Testzyklen, die Fahrten in der Stadt, Außerorts auf Schnellstraße und Autobahn simulieren.
  • Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 131,3 km/h, die Durchschnittsgeschwindigkeit des Tests beträgt 46,6 km/h.
  • Es werden Sonderausstattungen berücksichtigt, die Einfluss auf Gewicht, Aerodynamik sowie Bordnetzbedarf und somit auf den Verbrauch haben. Beispiele hierfür sind andere Bereifung, Karosserieanbauten oder eingebaute Unterhaltungselektronik.
  • Link: Offizielles Dokument zum WLTP-Testzyklus bei Elektro-Fahrzeugen.

Wie realitätsnah sind die Ergebnisse des WLTP-Zyklus?

Um einzuschätzen, wie nah der WLTP-Testzyklus an die realen Verbräuche heranreicht, lohnt ein Vergleich mit einem noch strengeren Testzyklus. Zum Beispiel mit dem ADAC Ecotest. Der Automobilverband prüft im Ecotest fortwährend Verbrenner und Elektrofahrzeuge auf eigenen Prüfständen nach definierten Standards.

Im ADAC-Testverfahren fahren Elektrofahrzeuge den WLTP-Zyklus Version 5.3 ab und anschließend eine verkürzte Version des vom ADAC zusätzlich entwickelten Autobahnzyklus. Dabei verschärft der ADAC die Testkriterien gegenüber dem WLTP insbesondere um einen Punkt: Die Klimaanlage ist eingeschaltet (die Umgebungstemperatur liegt dabei konstant bei 20°C).

Für insgesamt 16 Elektrofahrzeuge hat der ADAC so aktuell Vergleichsdaten zwischen WLTP und Ecotest-Messung ermittelt (Stand: August 2020). Ergebnis: Im Durchschnitt verbrauchen die getesteten Fahrzeuge im Ecotest 18 Prozent mehr als im WLTP-Test, wodurch sie im Mittel 85 Prozent der WLTP-Reichweite erreichen. Die Abweichungen gehen jedoch je nach Fahrzeug weit auseinander. Beim Nissan e-NV200 Evalia, dem VW e-Golf und dem Renault Zoe etwa liegt der Mehrverbrauch im Ecotest unter zehn Prozent. Bei Hyundai, Tesla und Jaguar hingegen liegt der Mehrverbrauch mehr als 25 Prozent über der WLTP-Messung (siehe Tabelle: Verbrauchs- und Reichweitenvergleich zwischen WLTP, ADAC Ecotest und Realfahrt).

Reichweite: Vergleich Ecotest mit Straßenmessung

Wie genau sind diese Ecotest-Messungen im Vergleich zur Straßenmessung? Das britische Portal whatcar.com hat 22 Elektro-Fahrzeuge getestet. Whatcar.com nutzt dafür eine transparente Methode, die eine gute Reproduzierbarkeit ermöglichen soll.

  • Vor dem Test stehen die Fahrzeuge über Nacht in einem Raum mit 18 Grad Celsius.
  • Die Testfahrten finden ausschließlich in einem Temperatur-Fenster von 10 bis 15 Grad Außentemperatur statt.
  • Die Klimaanlage wird auf 21 Grad Celsius eingestellt. Diese Innenraumtemperatur liegt an, wenn der Wagen vollgeladen für die Testfahrt von der Steckdose genommen wird.
  • Auf einer privaten Teststrecke legt der Wagen einen Fahrzyklus von 31,2 Kilometer Länge zurück, wobei städtische, ländliche und Autobahnszenarien gefahren werden. Je nach Ladekapazität der Batterie wird der Zyklus ein, zwei oder drei Mal gefahren.

Dreizehn der von whatcar.com getesteten Modelle finden sich auch im ADAC Ecotest. Resultat: Im Durchschnitt erreichten die Fahrzeuge im realen Test 98 Prozent der Reichweite des ADAC Ecotest. Im Mittel scheint der Ecotest damit eine realistische Einschätzung auf die reale Reichweite eines Fahrzeugs zu geben. Allerdings ist die Streuung der Ergebnisse groß: Mal lagen die Ergebnisse aus Testfahrt und Ecotest tatsächlich sehr nah beieinander. Bei anderen Fahrzeugen aber gab es mitunter große Abweichungen. Die reichten in Extremfällen von bis über 15 Prozent geringeren Reichweiten als auf dem ADAC-Prüfstand bis über 15 Prozent höheren Reichweiten.

Vergleichbarkeit WLTP, Ecotest, Fahrtmessung

Die realen Reichweiten in den whatcar.com-Messungen lagen gegenüber den WLTP-Reichweitenangaben der jeweiligen Fahrzeuge im Durchschnitt bei 84 Prozent. Bestenfalls erreichte die reale Reichweite bis zu 95 Prozent der WLTP-Angabe. Im schlechtesten Fall lag die reale Reichweite fast 30 Prozent unter dem WLTP-Wert.

Obwohl im WLTP-Zyklus, dem ADAC Ecotest und den Realmessungen von whatcar.com jeweils Wert auf gleichbleibende Testbedingungen gelegt wurde, weichen ihre jeweiligen Messergebnisse abhängig vom Fahrzeug unterschiedlich stark voneinander ab. Bei manchem Fahrzeug liegen WLTP-Messung, Ecotest-Ergebnis und Realmessung jeweils sehr nahe beieinander, bei manch anderem gehen sie weit auseinander.

Wie können Sie mit den WLTP-Angaben Ihres Wunschfahrzeugs also am besten umgehen? Die fahrzeugabhängig große Streuung der verschiedenen Messergebnisse lässt keine pauschalen Aussagen zur Zuverlässigkeit der WLTP-Messung zu. Eine persönliche Testfahrt mit prüfendem Blick auf die Verbrauchsdaten des Bordcomputers liefert auch bezogen auf das individuelle Fahrverhalten womöglich die zuverlässigsten Ergebnisse.

Zur groben Schätzung bleibt nach dem Vergleich von WLTP, Ecotest-Daten und Realwerten allenfalls die Daumenmethode: Von der angegebene WLTP-Reichweite 15 Prozent abziehen und abschätzen, ob die so entstandene Reichweite für die gewünschten Zwecke gut ausreicht. Mit einem reichweitenschonenden Fahrprofil lassen sich in der Praxis dann noch ein paar Prozente herausholen.

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