Auf einen Blick:
- Schnelle Entscheidung anstatt langes Überlegen: Jessica Hansen führte ein neues Arbeitszeitmodell ein, da auch die Schließung ihres Betriebs im Raum stand.
- Ihr machte der massive Personalmangel bei vollen Auftragsbüchern zu schaffen. Die Lösung für diese Probleme fand sie in der 4-Tage-Woche.
- Mit diesem Arbeitszeitmodell warb die Malermeisterin in den sozialen Netzwerken für ihren Betrieb – mit Erfolg: Sie hat so viele Bewerber, dass sie gar nicht alle einstellen kann.
„Ich hatte massive Angst, meine Stammkunden zu verlieren“, erinnert sich Malermeisterin Jessica Hansen. Im Frühjahr noch musste sie ihre Kunden ein halbes Jahr vertrösten, bis sie neue Aufträge annehmen konnte. Denn ihr fehlten Leute im Team, um der Nachfrage gerecht zu werden. Doch die herkömmliche Suche nach Mitarbeitenden fruchtete nicht. Stattdessen wuchs ihre Angst: „Ich wollte einfach nicht, dass Kunden wechseln – auch Neukunden, die gerade hinzugekommen waren“, sagt Hansen.
Mut zur Veränderung: 4- statt 5-Tage-Woche
Die Handwerksmeisterin sah sich im Zugzwang. „Reden half da nicht mehr viel, ich musste mir sofort etwas einfallen lassen.“ Bei der Suche nach einer Lösung habe sie sich vorgestellt, was sie sich als Angestellte mit Kindern wünschen würde. Die Antwort kam prompt: „Mehr Work-Life-Balance.“ Also setzte die Unternehmerin das um, was ihr schon seit Jahren vorschwebte. Sie führte die 4-Tage-Woche für die vier Gesellen ein, die sie bis zu dem Zeitpunkt hatte. Sie arbeiten jetzt wahlweise Montag bis Donnerstag oder Dienstag bis Freitag. „Jeder kann entscheiden, an wie vielen Tagen er seine Wochenstunden arbeitet“, betont Hansen. Manche Mitarbeitende hätten 40- und andere 37,5 Stunden pro Woche im Vertrag stehen. Doch nicht jeder im Team nutze die Möglichkeit zur 4-Tage-Woche.
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Aufruf in sozialen Netzwerken brachte Erfolg
Aber das neue Arbeitszeitmodell war nicht alles, was die Chefin änderte. „Ich habe begonnen, meinem Team die Wege von den Baustellen in den Betrieb und zurück zu bezahlen.“ Das sei auch Arbeitszeit und sie wollte nicht mehr verlangen, dass ihre Mitarbeitenden die Zeit hinten dranhängen. In ihrer Region sei ihr bisher kein Betrieb bekannt, der das auch so handhabe. „Die Leute sollen wieder Lust am Handwerk haben“, begründet die Unternehmerin diesen Schritt.
Mit dieser neuen Ausrichtung ihres Betriebs im schleswig-holsteinischen Osterby hat die Malermeisterin in den sozialen Netzwerken geworben und nach Mitarbeitenden gesucht. „Die Telefone liefen heiß“, sagt Hansen. Ihr Mut sei belohnt worden, innerhalb kurzer Zeit habe sie neue Leute eingestellt: Jetzt zählt ihr Unternehmen 20 Mitarbeitende und „das Betriebsklima stimmt“. Die Entscheidung, wen sie auswählt, fälle sie meist aus dem Bauch heraus – das habe sich bewährt.
Im neuen Jahr will sie nach und nach weitere Handwerker einstellen. „Ich habe alle 30 Bewerber kennengelernt, aber ich kann nicht alle sofort beschäftigen“, sagt Hansen. Aus Fehlern in ihren zehn Jahren Selbstständigkeit habe sie gelernt und gibt jedem neuen Mitarbeitenden eine Art Eingewöhnungszeit. „Die Kollegen lernen sich untereinander kennen und finden in den Betriebsablauf, das möchte ich jedem zugestehen“, sagt die Unternehmerin. „Es ist wie ein Lottogewinn für die Firma, wenn sich alle verstehen und Spaß an der Arbeit haben.“
„Das Handwerk muss sich wandeln“
Was Jessica Hansen aus ihrer mutigen Entscheidung gelernt hat? „Es muss ich was tun im Handwerk. Wenn die Leute Spaß haben sollen, brauchen sie attraktive Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung“, betont sie. Aus Erfahrungen mit Praktikanten weiß sie aber, dass gerade die jungen Manschen nicht immer alleine entscheiden, wie ihr Berufsweg verläuft. „Man muss auch die Eltern kriegen“, ist Hansen sich sicher. Und wenn ihr Modell Schule macht, vielleicht überzeugt das ja noch mehr Menschen und Kollegen.
Hansen jedenfalls hat jetzt ausreichend Personal, um alle Aufträge abzuarbeiten. Ihre Nächte seien wieder ruhiger und auch sie arbeite nicht mehr sieben Tage die Woche von früh bis spät. Das täte auch ihrer Work-Life Balance gut, sagt sie.
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