Der böse Roboterboss – das knifflige deutsche Kündigungsschutzgesetz ist für ChatGPT noch ein Buch mit vielen Siegeln.
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Der böse Roboterboss – das knifflige deutsche Kündigungsschutzgesetz ist für ChatGPT noch ein Buch mit vielen Siegeln.

Inhaltsverzeichnis

Künstliche Intelligenz

Kündigung per ChatGPT: 5 Beispiele, warum das eine schlechte Idee ist

Kann ChatGPT korrekte Kündigungsschreiben verfassen? Das Urteil einer Anwältin fällt deutlich aus!

Auf einen Blick:

  • Wer ein Kündigungsschreiben aufsetzt, kann dabei viel falsch machen. Wie schlägt sich der ChatbotGPT? Kann er rechtssicher helfen?
  • Wir haben ihn getestet und die Ergebnisse einer Fachanwältin für Arbeitsrecht vorgelegt. Das Ergebnis: Die KI ist ein echter Unsicherheitsfaktor.

Medien und Internet sind voll von der neuen künstlichen Intelligenz ChatGPT. Sie kann Gedichte verfassen, Hausaufgaben erledigen, Schreibkram im Büro übernehmen und sogar Mitarbeitende kündigen. Doch ist das wirklich eine gute Idee?

Wir haben es ausprobiert und ChatGPT um Kündigungsschreiben gebeten. Irene Taut, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Laborius, hat die Ergebnisse für uns gecheckt. Ihr klares Urteil: Finger weg! Denn die KI kann die rechtlichen Voraussetzungen und Folgen einzelner Formulierungen nicht überblicken. Es lauern formale Fehler, die eine Kündigung unwirksam machen. Das kann teuer werden: Entweder Sie zahlen dem Mitarbeitenden eine hohe Abfindung oder beschäftigen ihn weiter.

Prüfstand: 5 Musterformulierungen vom Chatbot

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Beispiel 1: Die fristgemäße Kündigung

Unsere Aufforderung an ChatGPT lautet: Bitte schreib mir die Kündigung eines Mitarbeiters.

Die Antwort der KI:

Sehr geehrte/r [Name des Mitarbeiters],

hiermit kündige ich Ihr Arbeitsverhältnis fristgerecht zum [Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses].

Mit freundlichen Grüßen, [Dein Name]

Das sagt die Anwältin: „Das große Problem dieses Schreibens liegt darin, dass die KI nur ein fixes Datum für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsieht und keine weitere Formulierung anbietet.“ Zwar müsse ein Datum für das Ende des Arbeitsverhältnisses genannt werden, doch die Berechnung der Kündigungsfrist sei eine fehleranfällige Aufgabe, warnt Taut: „Es gibt gesetzliche, tarif- und arbeitsvertragliche Fristen. Welche gilt im konkreten Fall?“ Insbesondere tarif- und gesetzliche Kündigungsfristen für den Arbeitgeber richten sich nach der Betriebszugehörigkeit, die vorher geklärt sein muss.

Das Problem: Ist die Kündigungsfrist falsch berechnet, ist die Kündigung unwirksam.

Rechtssicher sei die Angabe zur Kündigungsfrist, wenn der Satz lautet: „Hiermit kündigen wir Ihr Arbeitsverhältnis ordentlich fristgemäß zum nächstzulässigen Zeitpunkt, das ist nach unseren Berechnungen der X.Y.20XX“, sagt Taut. Eventuelle Fehler bei der Berechnung würden so „ausgeglichen“, die Kündigung wird dann zum nächstzulässigen Zeitpunkt ausgelegt und wirksam.

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Beispiel 2: Die fristlose Kündigung

Unsere Aufforderung an ChatGPT lautet: Schreib mir eine fristlose Kündigung.

Die Antwort der KI:

Sehr geehrte/r [Name des Mitarbeiters],

hiermit kündige ich Ihr Arbeitsverhältnis fristlos zum [Datum der Kündigung].

Grund für die fristlose Kündigung ist [Begründung für die fristlose Kündigung, z.B. Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, schwerwiegendes Fehlverhalten etc.].

Mit freundlichen Grüßen, [Dein Name]

Bitte beachten Sie, dass eine fristlose Kündigung ein schwerwiegender Schritt ist, der nur in besonderen Fällen gerechtfertigt ist. Es wird dringend empfohlen, vor einer fristlosen Kündigung eine fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um mögliche rechtliche Folgen zu vermeiden.

Das sagt die Anwältin: „Hier gibt es drei massive Probleme“, sagt Taut. Zum einen fordere die KI ein Datum. „Eine außerordentliche fristlose Kündigung aber bedeutet zu sofort.“

Außerdem ist die fristlose Kündigung an hohe Hürden geknüpft. Der Arbeitnehmer muss schon massiv gegen seine Pflichten verstoßen haben, damit sie gerechtfertigt ist. „Um in einem Rechtsstreit nicht zu scheitern, sollte man immer den Halbsatz: ,hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Zeitpunkt, dies ist nach unseren Berechnungen der …‘ aufnehmen“, sagt Taut.

Das dritte Problem: Chat GPT nennt einen Kündigungsgrund. „Das ist rechtlich - bis auf wenige Ausnahmen - nicht erforderlich und sollte deshalb unterbleiben“, betont die Anwältin.

Immerhin: Die KI empfiehlt selbst, fachlichen Rat in Anspruch zu nehmen.

Beispiel 3: Die Kündigung in der Probezeit

Unsere Aufforderung an ChatGPT lautet: Schreib mir eine Kündigung in der Probezeit.

Die Antwort der KI:

Sehr geehrte/r [Name des Mitarbeiters],

hiermit kündige ich Ihr Arbeitsverhältnis zum [Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses] während der Probezeit.

Begründung: [Beschreibung des Grundes für die Kündigung während der Probezeit, z.B. Unzufriedenheit mit der Leistung des Mitarbeiters, mangelnde Passung zur Stelle etc.]

Mit freundlichen Grüßen, [Dein Name]

Bitte beachten Sie, dass eine Kündigung während der Probezeit regelmäßig weniger formalen Anforderungen unterliegt als eine Kündigung nach Ablauf der Probezeit. Es empfiehlt sich jedoch trotzdem, die Kündigung schriftlich zu dokumentieren.

Das sagt die Anwältin: „Hier ist neben den schon bekannten Problemen bei der Formulierung des Kündigungszeitpunktes und der nicht erforderlichen Nennung des Kündigungsgrundes noch etwas gefährlich“, sagt Taut. Die KI empfiehlt, die Kündigung schriftlich zu fixieren. „Eine Kündigung, egal, ob in der Probezeit oder nicht, bedarf immer der Schriftform, sonst ist sie unwirksam.“

Beispiel 4: Besonderer Kündigungsschutz: Kündigung einer Schwangeren

Unsere Aufforderung an ChatGPT lautet: Bitte verfasse mir ein Kündigungsschreiben für Frau Mustermann. Mein Dachdeckerbetrieb hat 15 Mitarbeiter. Frau Mustermann ist seit 10 Jahren bei mir beschäftigt. Sie ist schwanger.

Die Antwort der KI:

Sehr geehrte Frau Mustermann,

hiermit kündige ich Ihnen Ihre Anstellung bei meinem Dachdeckerbetrieb fristgemäß zum nächstmöglichen Termin.

Ihre jahrelange Treue und Ihr Engagement waren für uns von großem Wert, aber aufgrund der Geschäftsentwicklung müssen wir uns von Ihnen trennen.

Bitte beachten Sie, dass Ihnen aufgrund Ihrer Schwangerschaft eine Sonderkündigungsschutzregelung gemäß Paragraf 17 Mutterschutzgesetz zusteht. Wir bitten Sie, uns mitzuteilen, ob Sie von dieser Regelung Gebrauch machen möchten.

Ich danke Ihnen für Ihre Mitarbeit und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen,

[Name und Unterschrift des Absenders]

Das sagt die Anwältin: „Hier ist zwar die Formulierung ‘zum nächstmöglichen Termin‘ enthalten, es fehlt aber der berechnete Kündigungstermin. Die KI hätte auf etwaige vertragliche, tarifliche oder gesetzliche Kündigungsfristen verweisen können.“ Das erhebliche Problem liegt hier aber im Sonderkündigungsschutz. ChatGPT weise zwar auf § 17 des Mutterschutzgesetzes (Kündigungsverbot) hin, suggeriere jedoch, dass die Mitarbeiterin hiervon erst Gebrauch machen müsse. „Das ist falsch: Wenn die Schwangerschaft bekannt ist, ist die Kündigung unzulässig“, betont Taut.

Nur in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Frau in der Schwangerschaft in Zusammenhang steht, könne die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. „Die Kündigung muss dann den Kündigungsgrund angeben“, sagt die Anwältin.

„Das Kündigungsschreiben ist in der Regel das Ende eines je nach Sachverhalt langen Vorbereitungsprozesses“, sagt Anwältin Irene Taut.
Foto: Laborius
„Das Kündigungsschreiben ist in der Regel das Ende eines je nach Sachverhalt langen Vorbereitungsprozesses“, sagt Anwältin Irene Taut.

Beispiel 5: Die Kündigung wegen Alkohol bei der Arbeit

Unsere Aufforderung an ChatGPT lautet: Bitte schreib mir eine Kündigung von Herr Mustermann. Er kommt betrunken zur Arbeit. Mein Betrieb hat 19 Mitarbeiter. Die Kündigungsfrist beträgt 4 Wochen zum Quartalsende.

Die Antwort der KI:

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit kündige ich das Arbeitsverhältnis von Herrn Mustermann fristgerecht zum nächstmöglichen Quartalsende. Grund für die Kündigung ist das unzumutbare Verhalten von Herrn Mustermann, indem er betrunken zur Arbeit erschienen ist.

Mit freundlichen Grüßen,

[Dein Name]

Das sagt die Anwältin: „Dieses Schreiben ist völlig daneben“, lautet das vernichtende Urteil. Denn die KI hat

  • die Kündigung nicht an Herrn Mustermann gerichtet,
  • den Kündigungsgrund genannt,
  • kein Datum genannt, an dem das Arbeitsverhältnis enden soll,
  • den Arbeitgeber nicht darauf hingewiesen, dass rechtliche Probleme lauern könnten.

„Eine Kündigung wegen Alkohol am Arbeitsplatz ist grundsätzlich eine sehr komplexe Angelegenheit, sollte das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sein“, betont Taut. Wenn ein Mitarbeitender einmal betrunken zur Arbeit erscheine, sei dies ohnehin zunächst eher ein Abmahnungs- als ein Kündigungsgrund. Sollte er regelmäßig betrunken sein, stelle sich die Frage nach einer Alkoholkrankheit. „An eine krankeitsbedingte Kündigung sind ganz andere Voraussetzungen geknüpft als an eine verhaltensbedingte“, erläutert Taut.

Warum das Kündigungsschreiben nur die Spitze des Eisbergs ist

„Das Kündigungsschreiben ist in der Regel das Ende eines je nach Sachverhalt langen Vorbereitungsprozesses“, sagt Taut. Bevor ein Arbeitgeber einen Mitarbeitenden entlassen könne, müsse er sich eine Reihe von Fragen stellen.

  • Gilt das Kündigungsschutzgesetz für meinen Mitarbeitenden, weil ich unter anderem mehr als zehn Mitarbeitende beschäftige?
  • Gilt eventuell ein besonderer Kündigungsschutz, etwa für schwangere oder schwerbehinderte Mitarbeitende?
  • Welche Kündigungsfrist muss ich einhalten?
  • Welchen Kündigungsgrund habe ich? Habe ich die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt und dokumentiert, zum Beispiel Mitarbeitergespräche geführt, Abmahnungen erteilt oder ein Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement angeboten?

„Es lauern zahlreiche rechtliche Fallstricke im gesamten Kündigungsprozess, insbesondere wenn das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung kommt“, betont Taut. „Arbeitgeber sollten daher immer rechtzeitig einen Anwalt konsultieren.“

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