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Ghosting: Mitarbeiter verschwinden spurlos wie ein Geist.

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Personal

Ghosting: Wenn neue Mitarbeiter sich in Luft auflösen

Wenn neue Mitarbeiter plötzlich nicht mehr zur Arbeit kommen oder die Stelle nicht antreten, spricht man von Ghosting. Als Arbeitgeber müssen Sie reagieren.

Auf einen Blick

  • Ghosting: Im Bewerbungsprozess, am ersten Arbeitstag oder in den ersten Wochen taucht ein Bewerber plötzlich nicht mehr auf und ist – wie ein Geist - nicht erreichbar.
  • Wenn bereits ein Arbeitsvertrag unterschrieben wurde, müssen Sie als Arbeitgeber kündigen, denn das Ghosting löst den Vertrag nicht auf.
  • Eine Klage auf Schadenersatz ist theoretisch denkbar. Die Erfolgschancen sind jedoch gering.
  • Finanzielle Entschädigung können Sie verlangen, wenn Sie eine Vertragsstrafe für Nichtantritt des Arbeitsplatzes in den Arbeitsertrag aufnehmen.

Das Vorstellungsgespräch lief gut, der Arbeitsvertrag ist unterschrieben, am nächsten Ersten soll der neue Kollege anfangen. Aber: Er kommt nicht und ist weder telefonisch noch auf anderen Wegen zu erreichen.

Dieses Phänomen nennt man Ghosting. Der Begriff ist eher aus Dating-Portalen bekannt, aber meint auch im Job das Gleiche: Eine Person, zu der schon ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde, verschwindet spurlos wie ein Geist.

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Ghosting ist kein neues Phänomen, scheint aber zuzunehmen. Laut einer Studie, die das Job-Portal Indeed 2019 in den USA erstellte, haben 83 Prozent der Arbeitgeber schon erlebt, dass sich Bewerber während des Einstellungsprozesses oder zum ersten Arbeitstag in Luft auflösten. Und auch in Deutschland, so meinen Experten, sei das Phänomen immer häufiger anzutreffen.

Doch was können betroffene Arbeitgeber tun? Schließlich können erhebliche Kosten entstehen, wenn ein neuer Mitarbeiter nicht zum ersten Arbeitstag erscheint.

Ghosting im Bewerbungsverfahren

Wenn im Bewerbungsverfahren ein aussichtsreicher Kandidat plötzlich nicht mehr erreichbar ist, sei wenig zu machen, sagt Dagmar Unger-Hellmich, Fachanwältin für Arbeitsrecht. „Es ist ja in der Regel noch kein materieller Schaden entstanden.“ Selbst wenn der Bewerber den Eindruck vermittelt hat, die Stelle annehmen zu wollen – etwa per Mail oder mündlich vor Zeugen – sei die Aussicht auf Schadensersatz unrealistisch. „Der Arbeitgeber muss nicht nur den Schaden beweisen, sondern auch, dass er mit dem Verschwinden des Bewerbers zusammenhängt“, so Unger-Hellmich. „Das dürfte in der Praxis kaum möglich sein.“

Am besten sei es, einen Haken an das missglückte Verfahren zu machen und den nächsten Bewerber zu kontaktieren.

Der Neue kommt am 1. Arbeitstag nicht

Anders stellt sich die Sache dar, wenn bereits ein Arbeitsvertrag unterschrieben wurde. Allerdings nicht für den verschwundenen Bewerber, der zwar seine Arbeitskraft nicht wie vertraglich festgelegt zur Verfügung stellt, sondern für den Arbeitgeber.

„Der Arbeitgeber muss handeln, wenn ein neuer Mitarbeiter am ersten Arbeitstag nicht erscheint oder nach wenigen Tagen der Arbeit unentschuldigt fernbleibt und nicht erreichbar ist“, sagt Unger-Hellmich. Denn: Das Nichterscheinen eines Mitarbeiters löst den Arbeitsvertrag nicht. „Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass ein solcher Geist-Mitarbeiter nach zwei Monaten auftaucht und wieder arbeiten will. Darauf hätte er dann auch ein Recht“, warnt die Anwältin. „Um ein Arbeitsverhältnis zu lösen, bedarf es einer schriftlichen Kündigung mit Originalunterschrift.“

Sie rät deshalb, schon am ersten Fehltag eine schriftliche Aufforderung an den Mitarbeiter zu schicken und die Zahlung des Gehaltes einzustellen. „Diese Aufforderung kann als Abmahnung gewertet werden, wenn sie arbeitsrechtliche Konsequenzen, also die Kündigung, in Aussicht stellt“, so Unger-Hellmich.

Wenn der Mitarbeiter sich auch dann nicht rührt, muss die schriftliche Kündigung erfolgen, um das Arbeitsverhältnis zu lösen. „In diesem Fall ist meiner Ansicht nach eine fristlose Kündigung gerechtfertigt“, sagt die Arbeitsrechtlerin.

Wenig Aussicht auf Erfolg habe wohl auch hier eine Schadenersatzklage, meint Unger-Hellmich. Der Betrieb müsse belegen können, dass beispielsweise ein Auftrag nicht angenommen oder fertiggestellt werden konnte und dadurch ein materieller Schaden entstanden ist. „Das wird bei einem neu eingestellten Mitarbeiter nur schwer beweisbar sein.“

Gründe für Ghosting

Wer nach Gründen für das Ghosting sucht, kann in der Indeed-Studie fündig werden, in der auch Ghoster zu Wort kommen. Mehr als die Hälfte der Befragten, die zugegeben hatten, schon einmal geghostet zu haben, sagten, ihnen hätte der angebotene Job nicht zugesagt, 40 Prozent hatten ein besseres Angebot, 23 Prozent hatte der Bewerbungsprozess zu lange gedauert. Auf die Frage, warum sie dann nicht einfach abgesagt oder gekündigt hätten, antwortete ein gutes Viertel, sie hätten sich nicht getraut. 13 Prozent gaben an, sie hätten Kommunikationsprobleme gehabt und elf Prozent sagten, sie hätten nicht gewusst, was sie tun sollten.

Auch in Deutschland könnten solche Gründe ausschlaggebend sein: „Ghosting ist eher ein Phänomen bei jüngeren Bewerbern, die einerseits nicht so entscheidungs- und konfliktfähig sind, sich aber andererseits angesichts des Fachkräftemangels den Job aussuchen können“, meint Rechtsanwältin Unger-Hellmich. Wieder anderen sei möglicherweise gar nicht klar, dass sie mit einer Zusage oder ein Unterschrift eine Verpflichtung eingehen, die man kündigen müsse.

So können Arbeitgeber Ghosting verhindern

Wie können Chefs einem Ghosting vorbeugen? „In der Bewerbungsphase ist das sehr schwierig“, meint Rechtsanwältin Unger-Hellmich. „Hilfreich ist es auf jeden Fall, das Bewerbungsverfahren klar und zügig umzusetzen. So weiß der Bewerber, dass Interesse vorhanden ist und orientiert sich nicht anders.“

Außerdem kann der Chef dem Bewerber klar machen, dass er mit der neuen Arbeitskraft fest rechne. Gerade bei Azubis kann es helfen, in der Zeit zwischen Vertragsunterschrift und Arbeitsbeginn den Kontakt zu halten.

Wird ein Arbeitsvertrag mit einer Fachkraft geschlossen, kann der Arbeitgeber außerdem eine Vertragsstrafe aufnehmen, die den Mitarbeiter zu Strafzahlungen verpflichtet, sollte er den Vertrag nicht erfüllen. „Hier ist es wichtig, dass diese Klausel rechtlich sauber formuliert ist, sonst ist sie unwirksam“, warnt Unger-Hellmich. So dürfe die Strafe nicht höher ausfallen als das Gehalt, das der Arbeitgeber bis zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt zahlen muss.

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