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Zahlungsunfähige Unternehmer sollten prüfen, ob eine Insolvenz ihren Betrieb möglicherweise retten kann.

Inhaltsverzeichnis

Unternehmensfinanzierung

Wann sollten Betriebe Insolvenz anmelden?

Wer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, sollte lieber frühzeitig die Option einer Insolvenz prüfen. Dann besteht eine Chance auf Rettung des Betriebs. 

Auf einen Blick: 

  • Ein früher Antrag auf Insolvenz kann Betriebsinhaber und Unternehmen vor größeren Schäden bewahren.
  • Vor allem Betriebe, die ihre Verbindlichkeiten nicht pünktlich zahlen können, sollten genau schauen, wie ihre momentane finanzielle Lage ist.
  • Die Überprüfung einer Insolvenz sollte erfolgen, wenn laufende Kosten wie Miete, Steuern und Sozialabgaben oder offene Rechnungen nicht mehr innerhalb der Zahlungsziele gezahlt werden können.
  • Wer keine Insolvenz anmeldet, riskiert eine Straftat wie Insolvenzverschleppung oder Gläubigerbegünstigung. Doch dazu sollte es nie kommen, mahnt ein Insolvenzverwalter.
  • Er gibt Tipps, wie Betriebe bei drohender Insolvenz vorgehen und zeigt auf, warum eine Insolvenz für Unternehmen auch eine Chance sein kann.

Wochenlanger Lockdown und Betriebsschließungen – in der Corona-Krise ist die Insolvenz auch für einige Handwerksbetriebe ein Thema, mit dem sie sich beschäftigen müssen. „Viele Unternehmer haben Angst vor dem ‚I-Wort‘“, sagt Rechtsanwalt Jörg Sievers aus Greifswald. Das sei der Grund, weshalb viele eine Insolvenz nicht wahr haben wollen, sie herauszögern und sich privat weiter stark  verschulden.

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Reale Einschätzung: Ist mein Betrieb insolvent?

Der Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter rät, rasch zu überprüfen, ob eine Insolvenz nötig ist. „Wer nicht handelt, läuft Gefahr, auch wegen des Strafbestands der Insolvenzverschleppung oder anderer Vergehen zur Rechenschaft gezogen zu werden“, betont Jörg Sievers, der auch Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) ist. Diese zwei Insolvenzgründe nennt er:

Überschuldung: Eine Insolvenz wegen Überschuldung könne alle juristischen Personen, also Betriebe mit den Rechtsformen wie zum Beispiel GmbH, UG und AG treffen. Für diese Unternehmensformen gelte auch die Insolvenzantragspflicht, die – allerdings nur für pandemiebedingte Ursachen - bis Ende April 2021 von der Bundesregierung ausgesetzt wurde.

Zahlungsunfähigkeit: Diese Art der Insolvenz gelte sowohl für juristische- wie auch für natürliche Personen, also Einzelunternehmen. „Eine Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn das Geld nicht reicht, um Verbindlichkeiten wie Rechnungen von Lieferanten und Dienstleistern sowie Löhne, Steuern, Sozialabgaben, zu begleichen“, sagt Sievers.

Aus seiner Sicht ist im Zuge der Corona-Krise die Zahlungsunfähigkeit bei vielen Unternehmen das größere Problem.

Insolvenz als Chance sehen

Die Verunsicherung und die Angst sind nach Sievers‘ Erfahrung groß, den Schritt in Richtung Insolvenz zu gehen. Er rät dazu, rechtzeitig zu handeln, um größere Schäden noch zu vermeiden. „Eine Insolvenz bedeutet nicht, dass der Betrieb sofort schließen muss“, stellt Sievers klar. Im Gegenteil: Insolvenzverwalter seien auch dazu da, gemeinsam mit den Unternehmern auszuloten, was für den Betrieb noch drin ist und was dafür getan werden kann, um eine Schließung abzuwenden – vorausgesetzt, der Betrieb ist sanierungsfähig. Dies setze auch die Mitwirkung des Inhabers voraus.

Deshalb sollten Betriebsinhaber, die aufgrund der Corona-Krise und des Lockdowns in finanzielle Not geraten sind, versuchen, eine Insolvenz um jeden Preis zu verhindern. „Ein Insolvenzverfahren einzuleiten ist eine Chance, einen Plan zu erstellen, wie ein Betrieb saniert werden kann. Es ist möglich, dass Inhaber mit einem blauen Auge aus der Situation rauskommen“, betont Rechtsanwalt Sievers. Aus seiner Sicht sei die Insolvenz eine Art „Intensivstation für Betriebe“ – es gebe in den meisten Fällen Erholungschancen für den gesamten Betrieb oder Teile davon.

Er habe Unternehmen in einem laufenden Insolvenzverfahren schon im vollen Geschäftsbetrieb länger als drei Monate fortgeführt. Deshalb betont Sievers: „Je eher das Verfahren eingeleitet wird, desto höher sind die Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung.“

Verdacht auf Insolvenz: So gehen Sie vor

Doch wann ist die Zeit reif für einen Insolvenzantrag? Rechtanwalt Sievers: „Wenn ein Unternehmer ein Finanzloch nach dem anderen stopfen muss, keine ausreichenden Umsätze mehr reinkommen und offene Rechnungen nicht bezahlt oder Kredite nicht bedient werden können.“ Ist dies der Fall, hätten Betriebe noch drei Wochen Zeit, eine Insolvenz anzumelden. Wichtig sei, den Zeitpunkt einer Insolvenz nicht zu überschreiten. Insolvenzverwalter Sievers rät:

Holen Sie fachkundige Hilfe: Wer sich unsicher ist, ob eine Insolvenz vorliegt, sollte einen externen Dritten einzuschalten, der sich mit dem Insolvenzrecht auskennt. „Manche Inhaber haben nicht alle Kosten oder Zahlungseingänge im Blick – da lohnt sich die Sicht von außen“, betont Sievers. In der Regel könne der Fachmann schnell feststellen, ob eine Zahlungsunfähigkeit besteht oder nicht.

Insolvenzantrag stellen: Ist die Prüfung erfolgt und die Zeichen stehen auf Insolvenz, sollten Unternehmer mit dem Insolvenzantrag nicht zögern. „Wenn das Geschäft noch läuft, ist es leichter einen Betrieb zu retten“, sagt Sievers. Nach Eingang des Antrags beim Insolvenzgericht prüfe ein Gutachter innerhalb von vier bis sechs Wochen, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. Oft werde dieser Gutachter zum vorläufigen Insolvenzverwalter erklärt.

Informieren Sie Ihr Team und Ihre Geschäftspartner

Sprechen Sie mit Ihrem Team: Der Insolvenzverwalter wird gemeinsam mit dem Inhaber die Belegschaft über die Situation des Betriebs informieren. Sievers: „Es kommt bei Mitarbeitern gut an, wenn in einer Betriebsversammlung offen mit ihnen geredet wird und der Insolvenzverwalter die Situation erklärt und Rede und Antwort steht.“ Das gebe Sicherheit. Für bis zu drei Monate der Insolvenz bekämen die Mitarbeiter bis zu einer Kappungsgrenze (neue Bundesländer 4.800 Euro, alte Bundesländer 5.600 Euro) volle Nettolöhne, das sei gesetzlich garantiert. Die Angestellten zu halten sei ein großes Ziel – gerade während eines laufenden Insolvenzverfahrens. „Die Mitarbeiter werden es Ihnen danken, indem sie mitziehen, wenn Sie offen sprechen“, sagt Sievers.

Informieren Sie Lieferanten und Gläubiger:  Der Insolvenzverwalter wird auch Kontakt zu Lieferanten und Gläubigern aufnehmen und sie informieren. Er wird zudem versuchen, mit ihnen – soweit erforderlich – die weitere Belieferung auszuhandeln.

Sanierung: Diese Optionen haben betroffene Betriebe

Favorisiert der betroffene Unternehmer eine Sanierung, prüfe der Insolvenzverwalter, ob der Betrieb erhalten werden kann.

Diese Optionen der Sanierung sind laut Jörg Sievers möglich:

  • Sanierung aus eigener Kraft: Der Betrieb schafft es mit einem Insolvenzplan die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu beseitigen. Das kann zum Beispiel durch Umstrukturierungen, Teilstilllegungen oder mit neuen Geschäftsmodellen gelingen, wenn die Gläubiger durch Teilverzicht oder flankierende Maßnahmen mitziehen. In der Regel arbeiten Inhaber und Insolvenzverwalter eng zusammen.
  • Übertragende Sanierung: In diesem Fall überträgt der Insolvenzverwalter den Betrieb auf eine andere Person, die ihn übernimmt und weiterführt. Das kann ein Mitarbeiter sein, aber auch eine externe Person. „Bei dieser Option haben die Gläubiger eine gute Chance, zumindest ein Teil ihres Geldes zu bekommen und die Mitarbeiter die Chance, weiterbeschäftigt zu werden“, erklärt der Rechtsanwalt.
  • Eigenverwaltungsverfahren: Der Geschäftsführer oder Inhaber eines Unternehmens kann auch selbst als Insolvenzverwalter fungieren. „Das Modell eignet sich für kleinere Betriebe eher nicht, da es sehr aufwändig und kostspielig ist“, betont Jörg Sievers. Das Gericht würde das Vorgehen durch einen externen Sachverwalter überwachen, und der Inhaber muss beweisen, dass er imstande ist, das Verfahren aus eigener Kraft zu stemmen. Hier benötige ein im Insolvenzrecht unerfahrener Betriebsleiter bereits im Vorfeld die Unterstützung eines Sanierungsberaters.

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Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Jörg Sievers rät Betrieben, nicht zu lange zu warten, bevor sie Insolvenz anmelden.

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