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Faktor Zufriedenheit

Ausnahme-Azubi: Einmal VW und zurück

Geregelte Arbeitszeiten, ein Dach über dem Kopf und dicke Kohle: Das hatte Marcel Dachwitz nach der Ausbildung im Handwerk in die Industrie gelockt. Kurz danach hat er wieder bei seinem alten Chef auf der Matte gestanden.

Es war das höhere Gehalt, das ihn zu VW gezogen hat. Das gibt Marcel Dachwitz offen zu. Gut, auch die Arbeitszeiten waren attraktiv und er musste nicht bei Wind und Wetter raus auf die Baustelle. Aber letztlich ging es ums Geld.

„Natürlich war ich damals enttäuscht, ich hatte ihn schließlich ausgebildet“, sagt sein ehemaliger und aktueller Chef. Ganze vier Wochen nachdem Karl-Heinz Löhr den frischgebackenen Gesellen unbefristet eingestellt hatte, kündigte er. Die Schlosserei Löhr verlor einen innovativ denkenden Mitarbeiter. Was will so einer bei VW? Die einfache Antwort: Erfahrungen sammeln.

Löhr informierte Dachwitz lange über die Aufstiegsmöglichkeiten in seinem Betrieb, bot ihm Weiterbildungen an – ohne Erfolg.

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Stupide Bandarbeit

Lieber stellt sich der Schlossergeselle bei VW ans Band, montiert Heckklappen, Kotflügel und Motorhauben. Er freut sich über geregelte Arbeitszeiten und die warme Halle – Vorzüge, die schnell an Gewicht verloren.

„Monotone Arbeit, keinerlei Kundenkontakte, das schlechte Arbeitsklima – das alles hat mich furchtbar genervt.“ Unter seinen Kollegen bei VW gibt es reihenweise ungelernte Kräfte, der gut ausgebildete Geselle muss ihre Fehler ausbügeln.

Eigeninitiative? Mangelware!
Richtig schlimm für Dachwitz: Er kann sich nicht selbst einbringen. Schnell fasst er einen Entschluss: „Ich muss mit meinem alten Chef reden.“

Wie Schlossermeister Löhr auf die Rückkehr von Dachwitz reagiert hat, lesen Sie auf der nächsten Seite.

"Froh um jeden guten Mitarbeiter"

Erleichtert war Löhr, als der Geselle plötzlich wieder in seinem Büro stand: „Herr Dachwitz arbeitet teamorientiert, geht gern auf Kunden zu und bringt sich kreativ ein. Da wäre ich blöd gewesen, ihn nicht wiedereinzustellen.“ Andere Luft schnuppern soll schließlich jeder mal.

Außerdem: Er hatte Dachwitz in Gesprächen immer signalisiert, dass die Türen für ihn offenstehen.

Arbeit in der Industrie liegt nicht jedem
Ganz überrascht, dass der Geselle wiederkam, war Löhr dennoch nicht. Denn seitdem die Idee aufkam, war der Chef davon überzeugt, dass ein Job in der Industrie nichts für Dachwitz ist. Und Löhr behielt recht.

Fazit des Gesellen: „Geld ist nicht alles. Man sollte zum Feierabend mit dem zufrieden sein, was man geschafft hat“, sagt er. Er schätzt jetzt noch mehr, dass er seine Ideen in den kleinen Betrieb einbringen kann. Und die angenehme Atmosphäre, die gab’s im Großkonzern nicht.

Was hat sich in seinem neuen alten Job geändert? Lesen Sie Seite 4.

"Geld ist nicht alles"

Dass Dachwitz jetzt nicht auf seiner alten Position arbeitet, stört ihn nicht. Der Chef hat ihm mehr Verantwortung übertragen: Er betreut einen langfristigen Auftrag bei einem großen Kunden. Umfangreiche Reparaturarbeiten hat er jetzt selbst zu verantworten.

Und der Lohn? „Den habe ich angepasst“, sagt der Chef.

Marcel Dachwitz schätzt seinen neuen alten Job im Handwerk nach seinem Ausflug in den Konzern umso mehr: „Die Arbeitsplätze im Handwerk sind auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten sicher. Ich habe Spaß bei der Arbeit und kann mich weiterqualifizieren“, ist sein Fazit.

Was rät er anderen Junggesellen mit ähnlichen Ideen? „Überlegt genau, was ihr für ein paar mehr Euros bereit seid, an Arbeitsumfeld und Arbeitsbedingungen aufzugeben.“

Für Karl-Heinz Löhr war es übrigens nicht der erste Mitarbeiter, der in einen Konzern gewechselt ist. Aber dafür der erste, der wiederkam. Das macht dem Chef Mut. „Geld ist nicht alles! Arbeit kann auch zufrieden machen, wenn man zufriedene Kunden hat und stolz auf seine eigene Leistung ist.“

(ja)


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