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Kapitalanlagen

„Beratungsprotokolle sind eher kontraproduktiv“

Mangelhafte Beratung bei fondsgebundenen Renten- oder Lebensversicherungen kommt Kunden oft teuer zu stehen. Was zählt im Streitfall vor Gericht?

Es ist ein Fall, der viele Fragen aufwirft und der beispielhaft zeigt, wie intransparent Kapitalanlagen stellenweise für Verbraucher sind: Der Handwerksunternehmer Stefan W. klagt vor Gericht, weil seine Beiträge zur privaten Altersvorsorge auch in Investments flossen, die er ausgeschlossen glaubte. Über die fraglichen Details musste ihn die Versicherung nicht informieren, auch im Beratungsprotokoll musste nichts darüber stehen. W. klagt wegen „Falschberatung“. Vor Gericht vertritt ihn Angelika Jackwerth, sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht.

Frau Jackwerth, wer trägt in so einem Fall die Beweislast?
Grundsätzlich trifft den klagenden Sparer die volle Beweislast, allerdings gibt es Erleichterungen. Ist der Sparer über Risiken oder Umstände nicht aufgeklärt worden, trifft den Berater für die Darlegung die sogenannte sekundäre Darlegungslast. Das heißt, er muss den Gang des Beratungsgesprächs im Einzelnen schildern, insbesondere auch darlegen, welchen Rat er erteilt und wie der Anleger darauf reagiert hat.

Welche Rolle spielt das Beratungsprotokoll?
Beratungsprotokolle sind eher kontraproduktiv, dort steht oft mehr, als tatsächlich gesagt worden ist. Das ist für den Anleger nachteilig, ein Bumerang also. Anleger sollten daher genau darauf achten, was eingetragen wird, und gegebenenfalls Korrekturen aussprechen. Idealerweise lässt er sich in dem Gespräch nicht allein beraten. Wenn Zeugen da sind, ist das von großem Vorteil.

Fondssparern wird in Kapitalanlageprozessen häufig grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen, sie sollen den Vertrag nicht gründlich genug geprüft haben. Müssen Anleger bei jedem Fonds schauen, was die einzelnen Firmen tun, in die investiert wird?
Es gibt zwar eine sogenannte Schadensminderungspflicht, wonach Sparer natürlich gewisse Obliegenheiten in eigener Sache zu beachten haben. Außerdem beginnt die kurze dreijährige Verjährungsfrist zu laufen, wenn grob fahrlässig Umstände nicht beachtet werden, die jedem einleuchten würden. Wenn jedoch ein Fachmann eingeschaltet ist, ist der Sparer nach herrschender Rechtsprechung nicht verpflichtet, die Aussagen des Vermittlers im Einzelnen nachzuprüfen. Schon gar nicht muss er für jeden einzelnen Fonds nachprüfen, was mit dem Geld geschieht, das der Versicherung anvertraut wird. Das Vertrauen des Anlegers ist schützenswert. Der Anleger darf den Aussagen des Versicherungsvermittlers daher grundsätzlich vertrauen.

Es gibt das Widerrufsrecht und es gibt das Widerspruchsrecht – könnte man sich nicht auch auf diesem Weg aus einer fragwürdige Geldanlage herausklagen?
In alten Versicherungsverträgen ist die Widerspruchsbelehrung fehlerhaft. Die Chancen, sich in alten Fällen auf solche Fehler zu berufen und den Widerspruch noch heute zu erklären, sind gut. Der BGH hat in mehreren Grundsatzentscheidungen festgestellt, dass das Widerspruchsrecht noch bestand, weil die Widerspruchsbelehrung fehlerhaft war. Möglich ist der Widerruf natürlich auch nach Paragraf 7e im Alterszertifizierungsgesetz und Paragraf 355 im BGB. Was auch geht: Man kann Dritte auf Schadenersatz in Anspruch nehmen. Der Sparer erhält sein Geld zurück und tritt vorteilsausgleichend sämtliche Ansprüche aus dem Vertrag Zug um Zug ab. Möglicherweise besteht insoweit die Gelegenheit, dass der Anbieter den Sparer aus dem Sonderverhältnis entlässt und die Auszahlung schon früher vornimmt. Das kann allerdings dem Sparer egal sein, da er jedenfalls bei ausreichender Bonität des Vermittlers von allen Verpflichtungen frei wird und über das Geld wieder verfügen kann.

Was sollten Rentensparer tun, die nicht wollen, dass ihr Geld bei Waffenproduzenten landet?
Vor Vertragsschluss: Informieren, informieren, informieren. Und: die Quelle der Informationen beachten, sich Zeit nehmen mit der Entscheidung, Angebote vergleichen, mehrere Agenten kommen lassen, Vertrauenspersonen einschalten. Wenn der Vertrag schon unterschrieben ist, empfiehlt es sich, erst einmal die Ausstiegsmöglichkeiten prüfen zu lassen, hier helfen die Verbraucherzentralen. Dann muss man in der Regel sein Recht einklagen, denn die Versicherungen als Global Player verdienen gut an dem Geschäft und wollen weiter verdienen.

www.ra-jackwerth.de

(mfi)

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