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Politik und Gesellschaft

Betriebsrente: Ärger um die Altersvorsorge

Viele künftige Rentner im Handwerk stellen jetzt fest: Die Sozialabgaben auf die Betriebsrente sind doppelt so hoch wie geplant! Ist das gerecht?

Auf einen Blick:

  • Eine Gesetzesänderung von 2003 zeigt jetzt ihre volle Auswirkung auf die Betriebsrente: Die Sozialabgaben auf Renten sind doppelt so hoch, wie bei Abschluss der Altverträge versprochen.
  • Das fällt nun immer mehr Betroffenen auf, die in den Ruhestand gehen, auch Mitarbeiter und GmbH-Geschäftsführer im Handwerk gehören dazu.
  • Besonders bitter ist die Änderung für Rentner mit Direktversicherungen, die per Einmalzahlung ausgezahlt werden: Sie sollten ursprünglich überhaupt keine Sozialabgaben auf die Auszahlung entrichten. Jetzt sind es 18 Prozent.
  • Klagen vor Gericht sind zwecklos, das Bundesverfassungsgericht hat schon gegen die Rentner entschieden. Nun hoffen die Betroffenen auf ein Einlenken der Politiker.

Im September war Gerd Oltrogge auf einer Demonstration – der ersten seines Lebens. Der Anlass: Der Dachdeckermeister aus dem niedersächsischen Suthfeld kämpft um seine betriebliche Altersvorsorge, denn die fällt deutlich geringer aus, als versprochen. „Es geht um 10.000 Euro, so viel soll ich an Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen zahlen. Das sind fast 20 Prozent der ausgezahlten Summe“, berichtet der 67-Jährige.

Überrascht von geänderten Beitragspflichten für Betriebsrente

Für ihn kam das überraschend. 1995 hatte sein Arbeitgeber für den Handwerker eine Lebensversicherung als Direktversicherung abgeschlossen. Die Beiträge zog der Betrieb direkt von Oltrogges Nettolohn ein. Eine Lösung, die damals oft für leitende Angestellte und GmbH-Geschäftsführer gewählt wurde. Denn Direktversicherungen, die am Vertragsende eine Einmalzahlung vorsahen, boten einen Vorteil gegenüber anderen Betriebsrenten, erklärt der Versicherungsberater Karl Eberhardt vom Bund versicherter Unternehmer: „Gesetzlich Krankenversicherte mussten damals auf Auszahlungen der Betriebsrente den halbe Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag entrichten. Nur Direktversicherungen waren davon befreit.“

Das änderte der Gesetzgeber Ende 2003 – gründlich und rückwirkend auch für Altverträge. Seit 2004 zahlen Betriebsrentner auf alle Auszahlungen doppelt so hohe Abgaben: den vollen Beitragssatz – derzeit sind das rund 18 Prozent. Auch Direktversicherungen sind betroffen.

Altverträge müssen Beiträge doppelt zahlen

Doch während bei neuen Verträgen die Beitragszahlungen vom Bruttolohn sozialabgabenfrei eingezahlt werden, sieht die Lage bei Policen von vor 2004 anders aus: Die Beiträge gehen vom Nettolohn ab. „Wir zahlen praktisch doppelt Sozialabgaben auf unseren Lohn, einmal vor der Einzahlung in die Direktversicherung und dann noch einmal bei der Auszahlung, das ist nicht gerecht“, beklagt Oltrogge. Rentabel sei die Vorsorge so auch nicht: „Da hätte ich das Geld fast ebenso gut unters Kopfkissen legen können.“ Er bemerkte von den Sozialabgaben erst etwas, als er 2016 in den Ruhestand ging. „Ich finde das unredlich. In den 90ern sagte man uns, wir müssten etwas zusätzlich tun. Dann hat man die Regeln rückwirkend geändert und uns nicht informiert.“

Die Verdopplung der Beitragslast per Gesetz betreffe rund 5,4 Millionen Menschen, schätzt die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (AbA). Konkrete Zahlen, wie viele davon nach 2004 weiter aus dem Nettoeinkommen auf Altverträge eingezahlt haben, gibt es nicht. Doch das Thema sei ein Dauerbrenner in der Beratung, heißt es beim Landesverband Niedersachsen des Sozialverbandes Deutschland.

Klagen bringen nichts – nun ist die Politik gefragt

Der Klageweg ist bei dem Thema allerdings ausgeschöpft. Mehrfach entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Gesetzesänderung formal rechtmäßig sei. „Das bedeutet aber nicht, dass sie gerecht ist“, sagt Oltrogge.

Also bleibt den Betroffenen nur, für eine erneute Änderung per Gesetz zu kämpfen. Dabei haben sie im Prinzip auch die Sozialverbände und die AbA auf ihrer Seite und auch in den Parteien wird das Thema jetzt diskutiert. Nur über die Lösung ist man sich uneins. Der Verein Direktversicherungsgeschädigte e.V.“ möchte zum Beispiel den Rechtszustand von 2003 wiederherstellen und kämpft für eine vollständige Rückzahlung der Abgaben. Andere sagen, das sei unbezahlbar und würden sich schon mit weniger zufriedengeben. Auch der Verwaltungsrat des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen sprach sich im August für eine Lösung aus: die Halbierung des Beitragssatzes.

Versicherungsberater Karl Eberhardt rät indes dazu, sich beim Thema Altersvorsorge nicht auf die Anbieter oder auf politische Entscheidungen zu verlassen. „Alles, was man zur Altersvorsorge unternimmt, sollte man spätestens alle fünf Jahre auf den Prüfstand stellen und bei Bedarf ändern“, rät der Experte.

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