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Kündigungsrecht

Busengrapscher bleibt ungestraft

Was tun, wenn ein Mitarbeiter eine Kollegin sexuell belästigt: abmahnen, kündigen oder sogar fristlos entlassen? Ein paar Lehren aus dem Fall eines eindeutigen Fehlgriffs.

Sexuelle Belästigung ist zwar ein Kündigungsgrund. Doch wie üblich im Arbeitsrecht kommt es auf den Einzelfall an. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG): In dem behandelten Fall hatte ein Kfz-Mechaniker einer Reinigungsfrau an die Brust gegriffen, Seinen Job darf er dennoch behalten.

Denn es kommt auf den Umfang und die Intensität der sexuellen Belästigung an. Selbst wenn die Belästigung so eindeutig ist wie in diesem Fall, kann eine Abmahnung noch ausreichen, sagt das BAG. Jedenfalls dann, wenn es sich um eine „einmalige Entgleisung“ ohne Wiederholungsgefahr handelt.

Der Fall: Fehlgriff im Waschraum
Der Handwerker will sich in den Sozialräumen des Betriebs umziehen. Dort trifft er die Reinigungsfrau einer externen Firma im Gespräch mit zwei seiner Kollegen. Die Kollegen gehen. Nun kommt der Mechaniker ebenfalls mit der Frau ins Gespräch, während er sich Hände und Gesicht wäscht. Während dieses Gesprächs stellt sich die Frau erst neben das Waschbecken und schließlich neben den Handwerker. Der sagt ihr, sie habe einen schönen Busen und dann fasst er an ihre Brust. Die Frau sagt unmissverständlich, dass sie das nicht will. Daraufhin lässt der Mechaniker sofort von ihr ab, zieht sich um und geht.

Die Folgen: Kündigung trotz Entschuldigung
Doch sein Verhalten hat Folgen: Die Frau erzählt ihrem Chef davon, der informiert den Arbeitgeber des Mechanikers. In einem Gespräch mit seinem Chef gesteht der Mann sein Verhalten sofort ein: Er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen. Dennoch erhält er am gleichen Tag eine fristlose Kündigung.

Kurz danach entschuldigt sich der Kfz-Mechaniker schriftlich bei der Frau und zahlt ihr ein Schmerzensgeld. Sie nimmt die Entschuldigung an und verzichtet auf die weitere Strafverfolgung. Ein bereits eingeleitetes Ermittlungsverfahren wird eingestellt.

Die Gegenwehr: Kündigungsschutzklage
Dann reicht der Mann Kündigungsschutzklage ein. Seine Begründung: Er habe den Eindruck gehabt, die Frau habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt.

Sein Arbeitgeber argumentiert anders. Erstens handele es sich um eine Wiederholungstat, denn schon die Bemerkung über den schönen Busen sei eine sexuelle Belästigung - noch vor der Handgreiflichkeit. Zweitens sei der Mann gar nicht so reuig, denn entschuldigt habe er sich erst unter dem Druck der Kündigung. Daher müsse die Firma drittens ihr weibliches Personal vor weiteren sexuellen Belästigungen schützen.

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Wer so reuig ist, hat noch eine Chance

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Durch die sexuelle Belästigung habe der Mann zweifelsfrei seine arbeitsvertraglichen Pflichten wie auch die Würde der Reinigungsfrau stark verletzt. Daher komme eine fristlose Kündigung durchaus in Betracht.

Dennoch sei die Kündigung in diesem speziellen Fall überzogen, urteilten die Richter, und zwar aus den folgenden Gründen:

  • Der Mann sei seit 16 Jahren ohne Beanstandungen bei der Firma, was für eine "einmalige Entgleisung" spreche. Von einer Wiederholungstat – anzügliche Bemerkung plus Busengrapschen – könne keine Rede sein, beides stehe hier in einem Zusammenhang.
  • Es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Die Reue des Mannes sei glaubhaft: Er hätte sein Fehlverhalten im Gespräch mit dem Chef ohne Zögern sofort eingeräumt, "obwohl er es aufgrund der 'Vier-Augen-Situation' möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können". Zudem habe er sich entschuldigt.

Daher bestehe kein Anlass für eine fristlose oder fristgerechte Kündigung. Angemessen sei in diesem Fall lediglich eine Abmahnung. (Urteil vom 20.11.2014,

Az. 2 AZR 651/13

)





(jw)

 



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