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Kalkulationsklau

Der kopierte Kollege

Ein Kunde kopiert IHR Angebot und legt es einem Kollegen auf den Schreibtisch. Das ist gängige Praxis. Aber wie reagieren Sie, wenn Ihnen selbst so eine Kopie ins Haus flattert?

Dreiste Kopie
Hände bunt Abdruck Kopie flach

Anfang Juni. Tobias Kretz öffnet den Anhang einer E-Mail, die ihm ein möglicher Auftraggeber geschickt hat. Auf seinem Bildschirm erscheint ein detailliertes Angebot, ein anderer Handwerksunternehmer hat sich richtig Mühe gegeben. Oder besser: Irgendein anderer Handwerksunternehmer hat sich richtig Mühe gegeben. Denn der Kunde hat den Briefkopf geschwärzt. In der E-Mail selbst steht nur ein einziger Satz: „Bitte um Angebot aus dem Leistungsverzeichnis.“

Ein Einzelfall? „Nein“, sagt Kretz, „gängige Praxis.“ Die Leute wüssten offenbar nicht, wie aufwendig eine Kalkulation sein könne: „In ein ausführliches Angebot investiere ich 200 bis 250 Euro. Und dann wird das an einen Kollegen weitergeschickt? Einfach so?“

Kretz hat vor zwei Jahren den Malerbetrieb Hennes in der saarländischen Gemeinde Spiesen-Elversberg übernommen. Er bildet zwei Lehrlinge aus, der Seniorchef arbeitet mit im Betrieb. Am Beispiel eines durchschnittlichen Neubaus im südwestlichen Zipfel Deutschlands erklärt Kretz, warum ein Angebot eine teure Angelegenheit ist.

• Fahrt zur Baustelle, hin- und zurück: 1 Stunde, oft länger
• Aufmaß auf der Baustelle, Beratung: 1 Stunde, oft länger
• Kreative Arbeit im Büro, Angebot schreiben: 1 bis 2 Stunden, oft länger

Je nach Beratung und Größe oder Schwierigkeitsgrad des Auftrags könnten „gerne schon mal“ vier oder fünf Stunden zusammen kommen, bei einem Stundenverrechnungssatz von lediglich 40 bis 45 Euro müsse er also nicht selten mehr als 200 Euro investieren. Und: „In der Zeit hätte ich sinnvoller selbst auf einer Baustelle arbeiten können, ich hätte Geld verdienen können – selbst Zuhause rumsitzen wäre besser.“

Kretz hat eindeutig auf die E-Mail-Anfrage mit dem kopierten Angebot reagiert: „Ich habe zurückgeschrieben, dass ich auf Basis der Maßen-Ermittlung eines Kollegen kein Angebot erstelle.“

Wie schützt er sich selbst gegen solche Kunden? „Darauf habe ich auch keine Antwort, wenn jemand eine Lösung dafür hat, würde ich mich freuen.“ Pauschalangebote, zwei Seiten Text, eine große Zahl darunter – das sehe nun einmal bescheiden aus. Nein, seine Angebote seien ausgereift, inklusive Firmenvorstellung und Begrüßungstext: „Gerade deshalb kommt auch viel zurück, ich bekomme häufig ein positives Feedback – aber manche Leute reagieren gar nicht. Wer weiß, was dann mit meiner Arbeit passiert.“

Wie schützen Sie sich gegen den Kalkulationsklau? Schreiben Sie der Redaktion!


(sfk)

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