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Marode Infrastruktur

Die Buckelpisten-Debatte

Mautgebühren, Steuergelder oder eine Sonderabgabe für alle Bürger: Das deutsche Straßennetz ist sanierungsbedürftig – doch woher soll das Geld dafür kommen?

Buckelpisten, Schlaglöcher und tiefe Risse im Asphalt – viele Straßen und Brücken in Deutschland sind sanierungsbedürftig. „Wir haben Streckennetze, die immer wieder ausgebaut und überbaut worden sind, aber zum Teil schon 200 oder 250 Jahre existieren, sagt Edgar Ohland, Chef eines Straßenbaubetriebes in Ebstorf in der Lüneburger Heide. „Und die entsprechen eben nicht den heutigen Standards.“

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat im Herbst 2013 rund 2800 Unternehmen zu dem Thema befragt: 64 Prozent von ihnen sehen sich durch Mängel im Straßenverkehrsnetz in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt – darunter am stärksten die Bauunternehmen. Besondere Probleme bereite den Baubetrieben unter anderem „die hohe Stauanfälligkeit in Städten und Ballungsgebieten, was die Taktung von pünktlichen Baustellenanlieferungen erschwert“, heißt es in der Studie.

Die Regierungskoalition hat im Bundeshaushalt zusätzliche fünf Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur vorgesehen – verteilt über vier Jahre. Den IW-Berechnungen zufolge müssten aber rund vier Milliarden Euro mehr pro Jahr fließen, um den Investitionsstau aufzulösen. Doch wer soll das bezahlen? Der Staat, der die Steuergelder der Autofahrer auch für viele andere Dinge ausgibt? Die Unternehmen, deren Lkw weit mehr Straßenschäden anrichten als die Privat-Pkw? Oder alle Autofahrer? Im Extremfall sogar alle Bürger, wie beim Solidaritätszuschlag für den Aufbau der Infrastruktur in Ostdeutschland seit der Wende?

Was aus Sicht von Bauunternehmer Edgar Ohland eine faire Lösung wäre, erfahren Sie auf Seite 2.

"Hauptverursacher sind nun einmal die Lkw"

„Grundsätzlich sollte es beim Verursacherprinzip bleiben, und die Hauptverursacher sind nun einmal die Lkw“, sagt Edgar Ohland, der auch Vizepräsident des Baugewerbe-Verbandes Niedersachsen ist. „Alle Fahrzeuge, die über acht Tonnen wiegen, verursachen auf den Straßen erhebliche Schäden.“ Deshalb sei er dafür, die Lkw-Maut sukzessive auf die vielbefahrenen Bundesstraßen und auf Fahrzeuge ab einem Gewicht von 7,5 Tonnen auszudehnen.

Das entspricht auch den Plänen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt: Bislang ist die Maut für Lkw ab zwölf Tonnen fällig, sie gilt auf Autobahnen und auf 1135 Kilometern „autobahnähnlich ausgebauter Bundesstraßen“. In einem ersten Schritt will der Minister weitere 1000 Bundesstraßenkilometer in das Lkw-Maut-Netz aufnehmen. Außerdem will er die Gewichtsgrenze für die Mautpflicht von zwölf Tonnen auf 7,5 Tonnen absenken.

Beide Maßnahmen sollen 2015 in Kraft treten, bis 2018 sollen dann alle Bundesfernstraßen für Lkw mautpflichtig sein. Dobrindt will damit dazu beitragen, eine Finanzierungslücke von rund zwei Milliarden Euro zu schließen, der Rest des Geldes soll aus dem Gesamthaushalt kommen. Die Lücke hatte sich aufgetan, weil die Maut-Einnahmen geringer ausfallen als ursprünglich vorausgesagt.

Zusätzliches Geld für die Sanierung maroder Straßen wird die erweiterte Lkw-Maut vorerst also nicht bringen. Die Koalition denkt deshalb über eine Pkw-Maut nach. Und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hat vorgeschlagen, von allen Autofahrern eine Sonderabgabe von 100 Euro pro Jahr zu verlangen, die in einen Fonds „Reparatur Deutschland“ fließt. „Das ist schwachsinnig und nicht zuende gedacht“, regt sich Bauunternehmer Edgar Ohland auf. Wenn jeder pauschal das Gleiche zahlen müsse, egal womit oder wie weit er durch die Gegend fahre, so habe das mit dem Verursacherprinzip rein gar nichts zu tun.

Worin der Zentralverband Deutsches Baugewerbe die Lösung sieht, lesen Sie auf Seite 3.

Mehr Einnahmen aus der Kfz- und Mineralölsteuer verwenden

Auch der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa, hält den Vorschlag von Torsten Albig „nicht für zielführend“. Er plädiert dafür, stattdessen die Einnahmen aus der Kfz- und Mineralölsteuer umzuschichten, so dass mehr davon in den Ausbau und Erhalt des Straßennetzes statt in den allgemeinen Haushalt gelangt.

„Das Handwerk braucht eine funktionstüchtige Infrastruktur und vernünftige Straßen, um zum Kunden zu kommen“, sagt Pakleppa. Und die im Straßenbau tätigen Unternehmen, die sein Verband vertritt, würden als Auftragnehmer profitieren, wenn der Staat mehr Mittel dafür freigibt. „Sie können die Infrastruktur aber nicht kurzfristig auf einmal sanieren, deshalb brauchen wir eine Mittelverstetigung für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren.“

So hätten Unternehmer wie Edgar Ohland, der ausschließlich für öffentliche Auftraggeber arbeitet, eine bessere Planungsgrundlage. Der 59-Jährige geht davon aus, dass sich seine Auftragslage in den nächsten Jahren um drei bis fünf Prozent verbessern wird. „Die Prognosen gehen doch nach oben. Es wird nicht weniger, sondern mehr Verkehr geben, und zwar vor allem mehr Güterverkehr.“

(afu)

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