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Foto: handwerk.com

Lebensmittelfotografie

Die Schönheit der Schneeklößchen

Mona Binner fotografiert Lebensmittel. Weil sie selbst so gern isst und kocht. Für ein Kochbuch hat sie Partytrends kunstvoll in Szene gesetzt.

Wohlig aneinandergeschmiegt liegen die Schneeklößchen in Omas Weinsauce. Von oben ist ein Kameraauge auf sie gerichtet. Die Foodstylistin hat das sonnengelbe Gemisch aus Wein und Eiern in Dessertgläser gefüllt und die Klößchen zu dritt darin gruppiert. Dann hat sie ihre weichen Leiber mit Zimt bestäubt – so will es das Rezept. Die Gläser stehen auf einer zart mit Blättern bedruckten Tischdecke. Ihre Stiele zieren pinke Schleifenbänder mit kleinen Schildern. „Schön, dass DU da bist“, ist darauf zu lesen.



Nur ein Hauch von Zimt
Mona Binner ist gelernte Fotografin mit einem Atelier in Hannover-Linden. Sie blickt auf ihren großen Computermonitor: Er zeigt genau, was die Kamera sieht. Doch der Anblick gefällt ihr noch nicht. Zu dunkel der Zimt auf einem der vom Wein berauschten Eischnee-Klößchen. Vorsichtig hebt Foodstylistin Sarah Trenkle das Klößchen aus der Soße und legt ein anderes hinein. Diesmal nur ein Hauch von Zimt. Außerdem sollen die pinken Schleifenenden nicht sichtbar sein. Wieder und wieder der Blick auf den Monitor. Bis schließlich alle drei nicken: die Foodstylistin, die Fotografin und ihre Assistentin – Mona Binner hat sie selbst zur Gesellin ausgebildet.


Seite 2: Fotogenes Essen dank Chemie? Nein, sagt Mona Binner.

Rezepte ins Bild setzen

„Partyminis aus dem Glas“ heißt das Kochbuch des Verlages Bassermann Inspiration, in dem die „Zimt-Schneeklößchen in Omas Weinsoße“ erscheinen sollen. Im September, zusammen mit 36 anderen Rezepten. Binner hat den Auftrag, diese Rezepte ins Bild zu setzen. Warum hat sie sich auf Lebensmittel spezialisiert? „Ich esse und koche total gerne“, sagt die 32-Jährige. „Und Essen ist geduldig. Ich liebe es, meine Bilder zu komponieren. Andere Fotografen brauchen Bewegung und Action, ich nicht.“

Chemiefreie Gerichte
Auf die Frage, ob sie und ihr Team mit Chemie nachhelfen, damit die Nocken in ihrem Soßenbett schön aussehen, reagiert die Lebensmittelfotografin leicht genervt. „Dieses Vorurteil höre ich ständig. Die Leute sagen, ihr panscht da doch irgendwas zusammen. Und ich muss dann jedes Mal richtigstellen, nein, da ist kein Haarspray drauf und es ist auch nicht aus Wachs.“ Sie versichert, dass die „Partyminis“ aus dem Kochbuch „zu 99 bis 100 Prozent chemiefrei“ sind. In der Werbefotografie sei das teilweise anders: „Da ist das Softeis zum Beispiel kein Softeis, sondern etwas, das so aussieht, aber nicht schmilzt.“

Was die Foodstylistin in der Küche macht, erfahren Sie auf Seite 3.

Wie die Sülze zum Augenschmaus wird

In der Küche des Ateliers bereitet Sarah Trenkle nun das nächste Fotomotiv vor: Kalbssülzchen mit Meerrettichsahne. Binner und Trenkle sind ein eingespieltes Team, sie haben schon diverse Kochbuch-Aufträge zusammen abgewickelt. Trenkle hat Köchin gelernt und sich dann auf die Rezeptentwicklung und das Stylen von Essen für Foto- und Filmaufnahmen verlegt. „Ich koche eigentlich nach Rezept“, beteuert sie. „Keine Chemie, um nachzuhelfen und die Optik zu verändern.“ Trenkle lässt gerade Gelatineblätter in den Topf mit der Sülze gleiten. Allerdings habe sie natürlich so ihre Tricks, die sie aber nur ungern verrät. „Manchmal lasse ich das Gemüse zum Beispiel etwas knackiger, als man es essen würde, damit es nicht so zerkocht aussieht“, sagt sie beim Umrühren.







Jede Menge Requisiten
Nebenan sucht Mona Binner indessen die Requisiten für die Kalbssülzchen aus. Auf einem großen Tisch hat sie Decken, Servietten, Besteck, Geschirr, Schleifen und viele andere Utensilien ausgebreitet. Sie stammen aus ihrem eigenen Fundus und von mehreren Hamburger Requisitenverleihern, die auf „Table Tops“ spezialisiert sind. An der Wand lehnen Holzplatten, die sie selbst bemalt hat – für den Bildhintergrund.

Seite 4: Das Essen soll nicht perfekt, sondern natürlich wirken.

Trend zum Natürlichen

Seit vier Tagen fotografiert Binner bereits „Partyminis“ in Gläsern verschiedener Art und Größe. An der Wand ihres Ateliers hängen die fertigen Bilder in der für das Buch vorgesehenen Reihenfolge. Teilweise liegen Krümel auf der Tischdecke, ein Löffel steckt im halbleeren Glas oder am Rand ist ein Klecks zu sehen. „In den 80-er Jahren sollte das Essen perfekt wirken, ein Apfel etwa musste glänzen und wohlgeformt sein“, erzählt die Handwerkerin. „Heute gibt es hingegen einen Trend zum Natürlichen, der sich auch in der Fotografie zeigt.“

Shooting bei Tageslicht
Sarah Trenkle erscheint mit der Sülze im Aufnahmeraum. Alles ist vorbereitet: Eine Tischdecke mit bunten Lettern, ein Salz- und ein Pfefferfass, hölzerne Kochlöffel. Trenkle platziert die Gläser, schiebt sie ein wenig hin und her, ordnet Brot in einer kleinen Schale an. Mona Binner möchte Salzkrümel auf der Tischdecke und dann doch lieber keine Brotschale, sondern Servietten.

Das Bild wandelt sich. Zwischendurch müssen sie die Petersilie austauschen, weil sie nicht mehr frisch aussieht. Im Scheinwerferlicht würde sie noch schneller verderben, aber die Fotografin benutzt keine Scheinwerfer. Sie arbeitet mit Tageslicht – ausschließlich, auch hier setzt sie auf Natürlichkeit statt auf Kunstlicht.
Irgendwann ist Mona Binner auch mit den Kalbssülzchen zufrieden. Sechs Tage will sie für das Buch fotografieren: 37 Rezepte plus Cover. Anschließend braucht sie noch Zeit für die Nachbereitung. Um die Dateiformate umzuwandeln und die Bilder zu retuschieren: Fusseln, störende Reflexe im Glas, Macken im Untergrund. Dann hat der Buchverlag das letzte Wort.

Auf Seite 5 gibt die Fotografin noch zwei Frischhaltetipps für Kräuter und Salat.

Hier noch zwei Frischhaltetipps von Mona Binner: 


Kräuter im Bund: „Die packe ich in einen Gefrierbeutel, den ich unten zubinde. Dann lege ich den Beutel in den Kühlschrank, und zwar nach unten in die Gemüseschale. Dort halten sich die Kräuter länger, als wenn ich sie in ein mit Wasser gefülltes Glas stelle.“


Salatblätter: „Ich lege sie in eine Schale mit eiskaltem Wasser. Darin hält sich die Farbe besser als an der Luft und der Salat sieht dadurch knackiger aus. Mit Kräutern geht das auch.“

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