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Vorwärts und nicht vergessen

Dieser Ärger verdient einen eigenen Tag

Es gibt für alles einen Tag. Den Tag der Minzschokolade, den Tag der Jogginghose und in den USA sogar einen „Zieh Dein Haustier an-Tag“. Das alles ist unheimlich wichtig. Aber wir hätten da einen weiteren Vorschlag.

Wie wär's mit dem „Tag der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge“? Denn darüber ärgern sich Handwerksunternehmer seit derart langer Zeit, dass sie vergessen könnten, sich darüber zu ärgern.

Zur Erinnerung: Früher war der Mensch von Natur aus gut organisiert und die Büroarbeit nicht so nervenaufreibend. Doch dann, im Sommer 2005, beschlossen schlaue Leute, dass der Termin vorverlegt wird, an dem Unternehmen ihre Sozialversicherungsbeträge zahlen müssen.

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Nervklausel ohne Nutzen

Seit 2006 leiden Betriebe darunter. Vor allem die, deren Mitarbeiter nicht pünktlich um 15.30 Uhr den Hammer fallen lassen. Erst einmal werden die Löhne geschätzt, später müssen die Werte mit den realen Zeiten abgeglichen und entsprechend korrigiert werden. Nicht mehr 12, sondern 24 Lohnabrechnungen sind notwendig.

Der Zusatzaufwand lässt sich freundlich mit dem Begriff „Korrekturaufwand“ beschreiben. Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln kostet diese Arbeit allein die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Sachsen jährlich 22,9 Millionen Euro.

Natürlich ist die SV-Vorfälligkeit nicht die einzige bürokratische Hürde, über die Unternehmer stöhnen. Dass einfach „alles mehr als den 10-fachen Papierkram als noch vor 10 Jahren" erfordere, sagt der Elektrotechnikmeister Klaus Wolf. Bei den ersten Photovoltaikanlagen, die er installiert habe, musste er lediglich „eine Anmeldung, einen Schaltplan, einen Zählerschein und ein Inbetriebnahmeprotokoll an die ENBW“ schicken. Also vier Bögen Papier: "Bei der letzten waren es um die 15 DIN A4-Blätter und noch eine Meldung an die Bundesnetzagentur."

Und dennoch, die Vorfälligkeit ist besonders ärgerlich, weil dahinter ein konkreter politischer Beschluss steht. Sie ist nicht sicherheitsrelevant, sie ist nicht nützlich, sie könnte abgeschafft werden.

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Lobbyarbeit ohne Erfolg

Wie kompliziert und aufwendig der Kampf gegen die Nervklausel ist, zeigt sich am Beispiel von Michael Koch. Der Hauptgeschäftsführer der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen beackert das Thema seit Jahren hartnäckig, zuletzt hatte er sich wegen der SV-Vorfälligkeit im September 2013 mit "mehreren Beamten" im Bundessozialministerium getroffen. "Dabei wurde bewusst nur über den Bürokratieaspekt gesprochen, weil das Ministerium der finanziellen Rückverlagerung null Chancen gegeben hatte."

Dass Handwerksunternehmern Liquidität entzogen wird, war also nicht einmal das Thema. Schließlich müssen die Betriebe Leistungen für Lohnzahlungen vorfinanzieren, die noch gar nicht anstehen – und für die vor allem noch keine Rechnungen geschrieben wurden. Nicht gerade toll für die Liquidität. Aber nein, Kochs Minimalziel war die Zusammenlegung der Bearbeitungszeiten auf einen Tag, nämlich den letzten Bankarbeitstag des laufenden Monats. Das klingt sinnvoll? Das ist besser als nichts? Stimmt.

Ende Januar hat Koch noch einmal im Ministerium nachgefragt. Die Antwort dauerte 4 Wochen, beschreibt aber lediglich, dass die ehemalige Bundessozial- und aktuelle Bundesverteidigungsministerin doch bereits geantwortet habe, dass es keine Änderungsmöglichkeiten gebe. Das Verhalten von Ursula von der Leyen ist für Koch „eine einzige Enttäuschung“.

Die Chancen auf eine Verändung stehen derzeit auch deshalb schlecht, weil die neue Bundessozialministerin Andrea Nahles neue Themen angeht. Dabei gab es zwischenzeitlich Hoffnung, das Bundesland Sachsen wollte die Abschaffung der SV-Vorfälligkeit im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung festschreiben. Ohne Erfolg, es wurden „andere Prioritäten gesetzt, wie zum Beispiel die Rente mit 63 und die Mütterrente“, sagt Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok.

Die Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln empfehlen übrigens die radikale Rückkehr zur der Regelung, die bis 2005 galt. Bis es soweit ist, erklären wir hiermit den 2. Mai zum Tag der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge. Der 1. Mai ist der Tag der Arbeit, der 2. Mai der Tag der Mehrarbeit ...

(sfk)

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