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Extras für Azubis?

Eine Flex zur bestandenen Zwischenprüfung

Azubis für das Handwerk mit kleinen Extras ködern? Heidi Prigge hält davon nicht viel – aber leer gehen ihre Azubis deswegen nicht aus.

Der Wettbewerb um neue Azubis ist hart. Damit die Jugendlichen nicht woanders anfangen, werben immer mehr Unternehmen mit kleinen und großen Extras. Die Lockmittel reichen vom kostenlosen Frühstück über einen Zuschuss zum Führerschein bis zum Dienst-Smartphone.

Muss das wirklich sein?
Extras gibt es für die Azubis auch im Bauunternehmen Jens Prigge im niedersächsischen Wohnste. Werben würde Unternehmerfrau Heidi Prigge damit allerdings nicht: „Wir wollen Auszubildende, die Interesse am Handwerk haben und sich nicht wegen irgendwelcher Anreize für uns entscheiden.“ Das führe nur zu hohen Erwartungen und Ansprüchen auf beiden Seiten und zu Frust, wenn die nicht erfüllt werden.

Anerkennung im richtigen Moment
Wichtiger sei es, die Jugendlichen durch Wertschätzung und Anerkennung bei der Stange zu halten. „Die Ausbildung ist nicht immer leicht, und wenn jemand dabei bleibt und gute Arbeit leistet, dann wollen wir das auch anerkennen.“

Die eigene Flex zur bestandenen Zwischenprüfung sei so ein Zeichen der Wertschätzung. Das komme gut an, denn „das eigene Werkzeug ist den Jungs unheimlich wichtig“, weiß Prigge. Ein Tankgutschein im Monat als kleines steuerfreies Extra nach bestandenem Führerschein, das gehört auch dazu. Und wer den Anhängerführerschein machen will, kommt von der Firma einen Zuschuss.

„Aber das alles ist nichts, womit wir in Inseraten oder im Vorstellungsgespräch werben wollen.“

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Wertschätzung und Anerkennung sind wichtiger

Mit Extras schon vor der Unterschrift unter dem Ausbildungsvertrag locken? Davon rät auch Berufsbildungsexperte Harald Schlieck ab. „Das verschiebt das Bewerbungsverfahren und die ganze Ausbildung zu sehr auf eine materielle Ebene“, warnt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. „Eine Firma, die zum Start ein Smartphone springen lässt, ist deswegen nicht automatisch ein guter Ausbildungsbetrieb.“

Sein Rat: „Ich würde mich als Betrieb auf das konzentrieren, was meine Ausbildung von anderen unterscheidet.“ Davon gebe es im Handwerk mehr als genug: eine interessante Ausbildung in einem tollen Umfeld und eine Qualifikation, mit sich jeder als Fachkraft am Arbeitsmarkt behaupten kann. „Damit kann ich junge Menschen motivieren.“

Denn viele Untersuchen belegen: Am wichtigsten sind Jugendlichen die persönliche Ebene und Perspektiven. „Sie wollen anerkannt und wertgeschätzt werden, auch mit all ihren persönlichen Problemen“, betont Schlieck. „Und wenn es dann ein Extra zu einem besonderen Anlass gibt, als besonderer Ausdruck der Wertschätzung, dann ist das angemessen.“

Wo wäre sonst auch die Grenze?
Dabei macht Schlieck keinen Unterschied zwischen Gewerken. Auch in Branchen mit besonderen Nachwuchssorgen wären Extras als Lockmittel „das falsche Signal“. „Jeder Beruf hat seine Vorteile und bietet Jugendlichen mit den dazu passenden Neigungen eine hervorragende Ausbildung.“

Und letztlich sieht der Experte auch ein ganz praktisches Problem mit den Extras: „Wenn das jeder anbietet, wo ist da die Grenze? Wenn es heute ein Smartphone sein muss, um mitzuhalten – wer weiß, was ein Betrieb morgen bieten muss?“

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(jw)


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