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Asylsuchende ins Handwerk?

Einfach geht gar nichts

Heidi und Jens Prigge würden Flüchtlingen gerne eine Chance geben. Lieber heute als morgen. Sie haben es sogar schon versucht – und sind auf ein unerwartetes Hindernis gestoßen.

Wie holt man einen Flüchtling in sein Team – möglichst schnell und unbürokratisch? Das ist gar nicht so einfach. Ohne die Erlaubnis der Ausländerbehörde geht nichts, nicht einmal ein Praktikum.

Besser gesagt: fast nichts. Ein Hospitant benötigt keine Erlaubnis. Denn er arbeitet nicht mit, sondern schaut den Mitarbeitern über die Schulter. Als Gast kann er die Arbeit und die Kollegen kennenlernen – und sie ihn.

Geht das wirklich so einfach? Zumindest das können Heidi und Jens Prigge aus Wohnste bestätigen. Ein paar Gespräche genügten, schon hatten sie Gamal A. in ihrem Bau- und Fliesenfachbetrieb zu Gast. Zur Sicherheit informierte Heidi Prigge noch den Landkreis Rothenburg als zuständige Ausländerbehörde. Die prompte Antwort: alles gut.

Hospitieren – eine Chance zum Kennenlernen
„Für uns war das die perfekte Lösung“, erzählt Heidi Prigge. Denn zwei Dinge stehen für sie fest: Asylsuchende brauchen Perspektiven und Chancen zur Integration – so schnell wie möglich. Und ihr Betrieb sucht seit Monaten einen Auszubildenden als Fliesenleger – vergeblich.

Warum also nicht einen Flüchtling ausbilden? Wenn er Interesse an der Tätigkeit hat und ins Team passt. Doch wie stellt man das fest, wenn jemand gerade erst in Deutschland angekommen ist und noch keinen Sprachunterricht hatte? „In einer Hospitation geht das schon, da muss er ja nicht anpacken“, sagt Heidi Prigge. „Da hilft man sich mit etwas Englisch und ansonsten redet man eben mit Händen und Füßen.“ Das haben die Prigges schon einmal erfolgreich ausprobiert. Erst einmal kennenlernen, die Deutschkenntnisse wachsen dann mit der Zeit.

So sollte es auch diesmal laufen: Ein Mitarbeiter übernahm die Betreuung, nahm Gamal A. überall mit hin, zeigte und erklärte ihm alles. „Nach zwei Wochen wollten wir dann gemeinsam mit allen Mitarbeitern entscheiden, ob der junge Mann als Azubi infrage kommt“, berichtet Heidi Prigge.

Und was ist mit dem Versicherungsschutz für den Flüchtling im Betrieb? Interessante Frage!

Wie ist der Hospitant versichert?

Doch eine Frage ließ der Unternehmerfrau keine Ruhe: Ist Gamal A. eigentlich unfallversichert? Anfangs habe sie gedacht, dass in so einem Fall automatisch Versicherungsschutz durch die Gemeindeunfallversicherung des Landkreises bestehe – so ähnlich wie bei einem Schulpraktikum. Aber davon hatte in dem Schreiben des Landkreises nichts gestanden.

Niemand ist zuständig, stattdessen eine Empfehlung
Heide Prigge fragte nach. Die Antwort der Verwaltung: kein Versicherungsschutz für den Hospitanten; solche Leistungen seien gesetzlich nicht vorgesehen. Also fragte die Unternehmerfrau bei der Berufsgenossenschaft (BG) Bau nach. Deren Antwort: kein Versicherungsschutz für den Hospitanten; das sei in der Satzung der BG nicht vorgesehen.

Stattdessen empfahlen BG und Landkreis, den Flüchtling als Praktikanten einzustellen. Denn dann wäre er unfallversichert. „Natürlich haben wir uns das auch überlegt“, berichtet die Unternehmerfrau. Aber so ein freiwilliges Praktikum zur Berufsorientierung bedeute zwingend, dass der Mindestlohn zu zahlen wäre: 11,25 Euro gemäß Bautarifvertrag. „Das übersteigt deutlich unsere Möglichkeiten“, sagt Heidi Prigge.

Schnelles Ende der Hospitation
Also zogen die Prigges am dritten Tag die Reißleine – und schickten den Gast nach Hause. Leicht sei ihr das nicht gefallen, sagt Heide Prigge. „Erst laden wir ihn zu uns ein, und dann das. Und ich konnte ihm wegen der Sprachprobleme ja nicht einmal die Zusammenhänge richtig erklären.“ Dem gesamten Team habe das „unheimlich leidgetan“, berichtet sie. „Wir waren alle sehr frustriert.“ Denn schon in den ersten Tagen hätten alle einen guten Eindruck von Gamal A. gehabt.

 „Aber wir konnten die Hospitation nicht fortsetzen, das wäre schlichtweg verantwortungslos gewesen. Auch wenn er nicht arbeitet, sondern nur zuschaut, ist die Unfallgefahr auf Baustellen einfach nicht wegzudiskutieren.“ Gamal A. hätte praktisch auf eigenes Risiko hospitiert. „Wir konnten uns nicht sicher sein, ob ihm dieses Risiko wirklich bewusst ist.“

Jetzt suchen die Prigges nach einem Weg, ihm zumindest eine Ausbildung ab 2016 zu ermöglichen. Und sie könnten sich sogar vorstellen, Asylbewerbern auch in Zukunft eine Hospitation anzubieten. „Die Idee ist gut. Aber dann muss der Versicherungsschutz sinnvoll geregelt sein. Das ist Sache der Bundesregierung.“



(jw)

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